Ist es stumpfsinnig, immer wieder dieselben Tulpen abzubilden? Vielleicht. Aber es ist auch nicht schlimmer, als vom Deutschen Evangelischen Kirchentag zu hören. Manchmal stellt sich da das Gefühl ein, es ist wie mit den vormaligen Jahrmarkts-Spektakeln, wo Zwerge, doppelköpfige neugeborene Kälber und ähnliches zu bestaunen waren, nur daß heute ein ambivalenter Schauder an die Stelle getreten ist. Man genießt das Grauen und beteuert dessen Normalität.
Mit dem Herrn Roloff, von dem die nachfolgende Predigt stammt (wir haben sozusagen gerade Roloff - Festspiele auf diesem Blog), hatte ich darüber kürzlich eine lustige Unterhaltung. Es genügte, sich Programmpunkte von besagtem Event vorzulesen (ich erspare die Einzelheiten). Es führte dazu, daß er am Schluß ausrief, der Protestantismus wird im Unsinn enden. Nun, bevor dies vermutlich in einigen Jahren geschehen wird, wie auch ich fürchte, nachfolgend eine protestantische Predigt:
Predigt zum Sonntag Rogate
Mt 6, 5-15
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
manchmal ist es hinderlich, wenn einem Texte und Umgangsformen ganz und gar vertraut sind. Es lässt sich dann kaum noch ausmachen, worin das Spektakuläre liegt, durch das sie vor Zeiten Aufsehen erregten.
In den schlichten Worten unseres Herrn erleben wir nämlich nicht weniger als einen völligen Umbruch der religiösen Welten.
Immer war der Kultus und war das Gebet etwas Überwältigendes. Gewaltige Tempel waren bei allen frühen Völkern entstanden und darauf ausgerichtet, Eindruck zu machen. Scharen von in alle Geheimnisse eingeweihten Priestern vollzogen den Kultus und waren die Mittler zwischen Gott und Mensch, zwischen Himmel und Erde. Das Heilige stand unübersehbar da und war dem Menschen dann doch entzogen. Demonstrativ nahmen sie darum am Kultus teil, der aber notwendiger Weise zur reinen Äußerlichkeit verkommen musste, weil wirklichen Zugang zur Gottheit doch nur die Priester, die Weisen und Schriftgelehrten besaßen.
Nun kommt der Herr, und er nennt das alles Heuchelei. Wer sich am Kultus und am Gebet nur um des äußeren Scheines willen beteiligt, der hat seinen Lohn schon empfangen.
Christus treibt uns aus dieser Äußerlichkeit in die Kammer zu Hause. Wir sollen die Tür zuschließen und beten.
Und wie nun sollen wir den allmächtigen und heiligen Gott, den Ewigen, der alles geschaffen hat und der über alles Herr ist anreden? Wir sollen und dürfen ihn Vater nennen. Christus, der Sohn Gottes, der sich uns zum Bruder gemacht hat, er offenbart uns Gott als Vater. Wir dürfen Gott mit dem gleichen Vertrauen ansprechen, das jedes Kind zu seinen Eltern haben sollte. Kinder können noch so wunderbar Zuflucht nehmen bei Mutter und Vater, und so dürfen wir nun unserem Gotte nahen.
Er weiß bereits, was wir bitten wollen. Wir müssen darum auch nicht viele Worte machen. Und dann nennt uns der Herr die wenigen einfachen Worte, durch die wir sicher sein können, Gott zu erreichen.
„Vater unser im Himmel,“
Der vertraute, vertrauliche Umgang nimmt Gott nichts von seiner Würde, nichts von seiner Hoheit nichts von seiner Majestät. Er bleibt der Himmelsherr. Aber er ist zugänglich. Die Anrede Vater macht uns zu Himmelskindern, die auf Erden von ihm zeugen und in deren Gemeinschaft als Kirche der Vorbote des ewigen Himmels gestiftet ist.
„Dein Reich komme, dein Wille geschehe“
Das soll der Ausgangs- und Zielpunkt unseres Denkens und Handelns sein, dass wir nach seinem Reiche trachten und seinen Willen respektieren und tun. Wir werden ihn nicht immer verstehen, aber wir können uns immer unter ihn beugen. Glauben bedeutet auch, sich mit dem Willen Gottes immer wieder in Einklang zu bringen.
„Unser tägliches Brot gib uns heute.“
Der Überfluss unserer Zeit lässt uns nur noch selten den Duft frischen Brotes genießen, und unsere religiöse Routine lässt uns nur noch so selten den wirklichen Hunger nach Brot und Wein verspüren. Und doch sind dies die beiden wichtigsten Wegweiser für unser Leben: Die Dankbarkeit für das im Frieden genossene, sättigende Brot und der Hunger nach dem Sakrament des Lebens.
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Hier richtet der Herr ein umfassendes Prinzip auf und verkündet seine maßgebliche Vorstellung von der Gerechtigkeit.
Vergebung ist der sicherste Weg, um wieder und immer wieder Neuanfänge zu ermöglichen. In der Gemeinschaft mit dem sich als Vater offenbarenden Gott kann der Mensch in jedem Augenblick neu beginnen. Gerechtigkeit entsteht aus dem Mut zum Neuanfang. So wie wir Menschen uns hier untereinander behandeln, so wird uns auch Gott begegnen.
Das also ist die Summe des Vater unser: Wir sollen nach dem Willen Gottes trachten, uns als dankbar erweisen für alle Gaben, die uns zuteil werden, und wir sollen ein Leben aus der Vergebung heraus führen, die wir empfangen und selbst gewähren dürfen.
Im Grunde ist das Sprechen des „Vater unser“ eine wunderbare Möglichkeit der Selbsterforschung und Prüfung. Lebe ich so? Ein jeder prüfe sich hier selbst. Das „Vater unser“ kann man so auch verstehen als einen wunderbaren Spiegel für unser Gewissen.
Denn überhaupt ist das Gebet ja weniger ein Weg, um Gott zu beeinflussen, denn er weiß was er tun will und kennt alle unsere Gedanken, sondern es will uns auf Gott ausrichten.
Durch Christus sind wir frei geworden, uns direkt an Gott zu wenden und können immer sicher sein, sein Erbarmen zu finden.
Der Sonntag Rogate schenkt uns noch eine weitere Einsicht. Es war in früheren Zeiten so, dass an diesem Tage die Bittumgänge über die Felder begannen. Man hoffte so auf eine gute Ernte und machte sich bewusst, dass alles Gelingen nicht allein in unsere Hände gelegt ist und von unserem Fleiß abhängt.
Da wird vom heutigen Tag dann bereits ein Bogen geschlagen bis zum Erntedankfest im Herbst.
Wer heute noch hinaus geht, um sich am vollen Grün der wieder erwachten Natur zu erfreuen, der kann das auch mit einer geistigen Übung verbinden. Gerade weil wir Menschen nicht mehr so unmittelbar spüren, wie sehr wir von der Natur und von der Güte der Ernte abhängig sind, müssen wir es uns geistig erschließen. Was alles können wir auf den Feldern und Wiesen hier an der Elbe erblicken, wofür wir dankbar sein müssen? Das wache wandern durch die Natur kann auch ein Gebet sein. Jeder Atemzug kann ein Gebet sein, denn mit seinem Atem erweckte Gott uns zum Leben, und nun sind wir lebenslang atmend mit ihm in Verbindung. Hört den Gesang der Vögel, das Rauschen der Blätter im Wind, und ihr werdet gewahr, das alles lobt Gott. Alles was ist, ist auch Gebet, denn es hält durch jede Äußerung Zwiesprache mit seinem Schöpfer.
Ich wünsche uns allen, dass wir die Schönheit dieses Zusammenlebens immer vor Augen haben. Betet und ihr werdet lernen, dass Beten Sinn macht, und ohne zu beten, werdet ihr es niemals lernen.
Amen
Und der Frieden Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Thomas Roloff
1 Kommentar:
Thanks for the pictures. They go well with the sermon.
As for the "Protestant" sermon, I didn't catch anything that a Catholic would have to disagree with. Maybe I'm not theologically astute enough (but I don't think so).
BTW, I'm sorry I didn't comment on your recent Sunday dinner posts. I've felt very busy (still do), and I've procrastinated, which seems to be my favorite activity.
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