Martin Luther auf dem Sterbebett
Unser Vater Luther hat einmal eine ausgewählte Übersetzung des Koran eingeleitet, ich habe seinen Text auch fleißig gelesen und glossiert, allein ich finde es nicht wieder. Wie ich dazu kam? Nun er starb heute, vor 470 Jahren (und ich denke, bisher nicht nur Unnützes über ihn geschrieben zu haben, das fände man dann
hier).
Auch das Christentum hat seinen erklecklichen Anteil an Narren, Schwärmern, Fanatikern, Mordbuben und Brandstiftern gehabt. Aber ihnen wurde oft genug, als einer Abirrung, entgegengetreten.
Martin Luther als Junker Jörg, Lucas Cranach d. Ä.
Zum Beispiel eben von unserem Luther mit seinen berühmten Invokavitpredigten 1522 zu Wittenberg:
„Ich habe nicht in meiner Hand die Herzen der Menschen, wie der Hafner den Leimen. Wir haben wohl das Recht der Rede, aber nicht das Recht der Vollziehung. Das Wort sollen wir predigen, aber die Folge soll allein in seinem Gefallen sein. So ich nun darein falle, so wird dann aus dem Gezwang oder Gebot ein Spiegelfechten, ein äußerlich Wesen, ein Affenspiel, aber da ist kein gut Herz, kein Glaube, keine Liebe. Wo diese drei fehlen, ist ein Werk nichts... Also wirkt Gott mit seinem Wort mehr, denn wenn du und ich alle Gewalt auf einen Haufen schmelzen. Also wenn du das Herz hast, so hast du ihn nun gewonnen…
Predigen will ich‘s, sagen will ich‘s, schreiben will ich‘s; aber zwingen, dringen mit der Gewalt will ich niemand, denn der Glaube will willig und ohne Zwang angezogen werden. Nehmt ein Exempel an mir. Ich bin dem Ablaß und allen Papisten entgegen gewesen, aber mit keiner Gewalt. Ich hab allein Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst hab ich nichts getan. Das hat, wenn ich geschlafen habe… also viel getan, daß das Papsttum also schwach geworden ist, daß ihm noch nie kein Fürst noch Kaiser so viel abgebrochen hat. Ich habe nichts getan, das Wort hat es alles gehandelt und ausgericht. Wenn ich hätte wollen Ungemach fahren, ich wollte Deutschland in ein groß Blutvergießen gebracht haben. Aber was wär es? Ein Verderbnis an Leib und Seele. Ich habe nichts gemacht, ich habe das Wort lassen handeln.“
In seiner vierten Wittenberger Predigt gegen die Schwärmer, am Mittwoch nach dem Sonntage Invocavit, kam Luther auf Dinge zu sprechen, nachdem das Fundament zurückgewonnen war, die ihm ebenso wichtig erschienen. Wir wollen ihn, wenig gekürzt, wieder selbst zu Wort kommen lassen.
Palmyra, 2005
„Und sonderlich von den Bildern hab ich am letzten also geredt, daß man sie solle abthun, wenn sie angebetet; sonst mag man sie wohl leiden. Wiewohl ich wollte, die Bilder wären in der ganzen Welt abgethan, um des leidigen Mißbrauchs willen, welchen Mißbrauch ja niemand leugnen kann. Denn wenn Einer ein Bild in der Kirche setzen läßt, der meinet bald, er thue Gott einen Dienst und Wohlgefallen dran, und habe ein gut Werk gethan, damit er Etwas von Gott wolle verdienen, welches denn recht Abgötterei ist. Dieß ist die größte und vornehmste Ursach, warum die Bilder wären abzuthun.
Aber diese Ursach habt ihr nicht getrieben, sondern gar viel eine geringere; nämlich die, wenn Einer ein Bild hätte, so hielt ers dem gleich, deß das Bild wäre; als, wenn Einer ein Crucifix hätte, der hielte es nicht anders, denn als wäre es Christus, Gott und Mensch selbst, und dergleichen. Das sind gar geringe Ursachen. Denn ich halts dafür, daß Keiner hie sei, der den groben unsinnigen Verstand habe, daß er denke: Dieß Crucifix da ist mein Christus und mein Gott; sondern er halts allein für ein Zeichen, dabei er des Herrn Christi und seines Leidens gedenke. Des andern Mißbrauchs aber ist die Welt voll. Denn wer wollte irgend ein hölzern, schweig denn ein silbern oder goldenes Bild in die Kirche stellen, wenn er nicht gedächte, Gotte einen Dienst dran zu thun...
Hadrianstor, Palmyra, zerstört Oktober 2015
Darum können wir das nicht verdammen, sollens auch nicht so bald verdammen, deß noch irgend ein Mensch wohl kann brauchen; sondern das wäre der rechte Weg gewesen, wie auch vorhin gesagt, daß man gepredigt hätte, daß die Bilder Nichts wären, Gott fragete nichts darnach, man thäte auch Gott keinen Dienst noch Wohlgefallen dran, wenn gleich alle Winkel voll Bilder gemacht wären...
Derhalben müssen wir uns wohl vorsehen, denn der Teufel suchet uns durch seine Apostel aufs allerlistigste und spitzigste: und müssen nicht so bald zufahren, wenn ein Mißbrauch eines Dings vorhanden ist, daß wir dasselbige Ding umreißen oder zunichte machen wollten. Denn wenn wir Alles wollten verwerfen, deß man mißbraucht, was würden wir für ein Spiel zurichten? Es sind viel Leute, die die Sonne, den Mond, und das Gestirn anbeten; wollen wir darum zufahren und die Sterne vom Himmel werfen, die Sonne und den Mond herab stürzen? Ja, wir werden es wohl lassen.
Der Wein und die Weiber bringen Manchen in Jammer und Herzeleid, machen Viele zu Narren und wahnsinnigen Leuten; wollen wir drum den Wein wegschütten, und die Weiber umbringen? Nicht also! Gold und Silber, Geld und Gut stiften viel Böses unter den Leuten: soll man drum Solches alles wegwerfen?
Palmyra, Baal-Schamin-Tempel, zerstört 22. August 2015
Nein, wahrlich! Ja, wenn wir unsern nächsten Feind vertreiben wollten, der uns am allerschädlichsten ist, so müßten wir uns selbst vertreiben und tödten. Denn wir haben keinen schädlicheren Feind, denn unser eigen Herz; wie der Prophet Jeremias sagt C. 17., V. 9.: Das menschliche Herz ist krumm; oder, wie ichs deutschen soll, böse und ungerade, das immerdar zur Seiten, hinaus weichet. Lieber, was wollten wir wohl anrichten, wenn wir ihm also thäten? Nichts Gutes wollten wir anrichten, sondern Alles zu unterst und oberst umkehren. Es ist gewißlich der Teufel vorhanden; aber wir sehens nicht. Es muß Einer gar eine gute Kohle haben, wenn man den Teufel will schwarz machen: denn er will auch gerne schön sein, wenn er auf die Kirchmesse geladen wird.
Aber damit kann ich noch nicht allenthalben genugsam erstreiten, daß darum die Bilder nicht sein sollen, oder daß man sie müsse zerbrechen und umreißen. Derhalben müssen wir schließen, und es dabei bleiben lassen, daß die Bilder weder sonst noch so, weder gut noch böse sind; sondern man lasse es frei sein, sie zu haben oder nicht zu haben, allein daß der Glaube oder Wahn davon sei, daß wir mit unserm Bilderstiften Gotte keinen Dienst noch Wohlgefallen thun.
Der Teufel hat euch hie Etwas abgejagt, das er mir nicht hätte nehmen sollen, nämlich, daß wir die Bilder frei sein lassen müssen... Den Trotz hat er erlanget, und ich muß es zugeben; dahin sollt ers noch lange nicht gebracht haben, wäre ich hie gewesen. In dem Hochmuth und Trotz hat er uns ein groß Stück abgejagt; wiewohl es dem Worte Gottes keinen Nachtheil bringet.
Ihr habt den Teufel wollen schwarz machen, habt aber der Kohlen vergessen, und für die Kohlen Kreide ergriffen. Derwegen muß man gar wohl drauf sehen, wenn wir mit dem Teufel fechten wollen, daß wir der Schrift wohl wissen zu gebrauchen...“
Mit anderen Worten, der Mißbrauch einer Sache rechtfertigt nicht ihre Zerstörung. Das ist zwar noch keine Ästhetik, aber eine erste Klärung. Weit genauer, es ist eine Einsicht, nämlich, daß jede Erschaffung eines Gegenstandes von Schönheit Gottes Schöpfung heilt, weil sie sich an ihn erinnert, während deren Zerstörung vom Satan herrührt, wie immer er sich anmalt, der eigentlich nur ein Herr des Nichts ist. Wer ein Ding von Schönheit zerstört, verrät sich als Gefolgsmann Satans.
Palmyra, Theater
Das dazu. Wenn man den Schlaf sucht, findet man ihn nicht, aber wenn man ihn nicht sucht, findet er einen um so eher. Aber das wollen wir dennoch noch sagen, wo wir einiges von ihm gelesen und es uns uns jedesmal war, als würde die Seele ein Stück mehr zusammengeflickt, obwohl der Herr Luther eher harte Reden führt, und das gar nicht hierher gehört. Beim übernächsten Zitat geht es darum, ob man vor der Pest fliehen solle.
„Das ist der Trost, welchen der Herr in dem heutigen Evangelium uns vorhält, daß die Christen, ob sie gleich sterben, nicht tot sind, sondern sie schlafen, und schlafen so leise, daß Christus sie mit einem Finger, ja, mit einem einzigen Wort wecken kann.“
„Herr Gott, ich bin schwach und furchtsam, darum fliehe ich das Übel und tue so viel dazu, wie ich kann, daß ich mich davor hüte. Aber ich bin gleichwohl in deiner Hand, in diesem und allem Übel, die mir begegnen können, dein Wille geschehe. Denn meine Flucht wird’s nicht tun, sintemal allenthalben nichts als Übel und Gefahr ist; denn der Teufel feiert und schläft nicht, welcher ein Mörder von Anfang an ist und allenthalben nichts als Mord und Unglück anzurichten sucht.“
„Wo nun das Sterben hinkommt, da sollen wir, die da bleiben, uns rüsten und trösten, besonders die wir aneinander verbunden sind..., daß wir uns nicht verlassen noch voneinander fliehen können; erstens damit, daß wir gewiß sind, es sei Gottes Strafe, uns zugeschickt, nicht allein um die Sünde zu strafen, sondern auch um unsern Glauben und Liebe zu versuchen. Den Glauben, auf daß wir sehen und erfahren, wie wir uns gegen Gott stellen wollen, die Liebe aber, auf daß man sehe, wie wir uns gegen den Nächsten stellen wollen.“
wird fortgesetzt,
nachgetragen am 20 Februar