Das mag erstaunen, aber ich verstehe den Wunsch, Geschichte hinter sich lassen zu wollen. Sie ist beim besten Willen nicht immer interessant, unterhaltsam oder zu sentimentalen oder was immer für Neigungen Anlaß gebend. Genau dieser Wunsch befiel mich gerade sehr heftig, aber wollen wir unsere bescheidenen historischen Erörterungen gewissermaßen nach touristischen Maßstäben gestalten?
Als ich eben beim Kalenderblättern darauf stieß, daß das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916 am heutigen Tage, also 92 Jahre rückgerechnet, zurückgewiesen wurde, stiegen vor meinem inneren Auge all diese Gespenster auf, ihre Hybris, ihre prunkende Hohlheit, das Grauen, das sie auslösten, auf allen Seiten, vor allem mit dem Ziel, den Gegner, soweit als irgend möglich, nicht nur physisch, sondern auch moralisch vernichten zu wollen, gut das letztere war mehr eine französisch-englische Spezialität.
Die Seele Europas ist von diesem 1. Weltkrieg her vergiftet worden, was im 2. materiell geschah, ist im ersten innerlich angelegt worden, und in den tieferen Schichten wirkt es immer noch fort.
Der darauf folgende Friedensvertrag hatte nicht nur das vorgenannte zum Ziel, er gab sich auch alle Mühe, die Bedingungen dafür zu schaffen, daß das Werk auch vollendet würde.
Großbritannien verlor über dieser Heldentat irgendwann sein Empire, Frankreich seine Bedeutung,… ein ganzer Kontinent ist in der Folge sozusagen geschrumpft. Sie handelten wie Kinder, die sich lieber gegenseitig ihre Spielsachen kaputt machten als dem anderen etwas zu gönnen, nur daß diese Spielsachen Dinge von tieferem Wert waren.
Ich will das obengenannte Friedensangebot dennoch auszugsweise (der genaue Wortlaut findet sich hier, der Artikel ist allerdings bezeichnend zeitgeist- und milieutypisch) zitieren:
„Der furchtbarste Krieg, den die Geschichte je gesehen hat, wütet seit bald zwei und einem halben Jahr in einem großen Teil der Welt. Diese Katastrophe, die das Band einer gemeinsamen tausendjährigen Zivilisation nicht hat aufhalten können, trifft die Menschheit in ihren wertvollsten Errungenschaften. Sie droht, den geistigen und materiellen Fortschritt, der den Stolz Europas zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts bildete, in Trümmer zu legen.
Deutschland und seine Verbündeten ... haben in diesem Kampf ihre unüberwindliche Kraft erwiesen... Die letzten Ereignisse beweisen, daß auch eine weitere Fortdauer des Krieges ihre Widerstandskraft nicht zu brechen vermag... Stets haben sie an der Überzeugung festgehalten, daß ihre eigenen Rechte und begründeten Ansprüche in keinem Widerspruch zu den Rechten der anderen Nationen stehen. Sie gehen nicht darauf aus, ihre Gegner zu zerschmettern oder zu vernichten.... von dem Wunsch beseelt, weiteres Blutvergießen zu verhüten und den Greueln des Krieges ein Ende zu machen, schlagen die vier verbündeten Mächte vor, alsbald in Friedensverhandlungen einzutreten.
Die Vorschläge, die sie zu diesen Verhandlungen mitbringen werden, und die darauf gerichtet sind, Dasein, Ehre und Entwicklungsfreiheit ihrer Völker zu sichern, bilden nach ihrer Überzeugung eine geeignete Grundlage für die Herstellung eines dauerhaften Friedens. Wenn trotz dieses Anerbietens zu Frieden und Versöhnung der Kampf fortdauern sollte, so sind die vier verbündeten Mächte entschlossen, ihn bis zum siegreichen Ende zu führen. Sie lehnen aber feierlich jede Verantwortung dafür vor der Menschheit und der Geschichte ab."
Es gab kein siegreiches Ende, für keinen.
Dienstag, 30. Dezember 2008
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