Freitag, 17. September 2010

Über verlorene Orte

Was für ein kalter Tag, jedenfalls solange, bis ich spät an diesem Abend eines der Gespräche führte, die einen von innen auftauen, ausgerechnet mit einem jungen Mann, der Gründe hätte, lange verbittert zu sein. Ein Freund schrieb mir gestern: „Heute werden wir aufbrechen, den Weg zurück, den meine Großmutter mit ihren sieben Kindern vor 65 Jahren geflohen ist.“. Er dürfte heute in Königsberg angekommen sein.



Ein anderer wohlwollender Mensch schickte mir kürzlich den Link zu dem obigen Video. Nun, der Tenor Fritz Wunderlich starb am 17. September 1966, und das Lied, das er vorträgt, wurde wohl ganz in der Nähe Königsbergs von Simon Dach verfaßt, der Text zumindest, der Dichter stammte von dort.

Was mir bemerkenswert erschien, war die Dauer des Weges, bis man in Königsberg ankommen würde. Vor ein paar Jahrzehnten hätte dieser ganze Weg durch Deutschland geführt. Und bei allem, was man sonst darüber sagen könnte, wenn man sieht, wie nicht einmal der Anflug eines Bedauerns über diese auch kulturelle Amputation die gegenwärtig Meinungsbeherrschenden berührt, weiß man, von welcher Herkunft sie sind.

3 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Von "verlorenen Orten" ahne ich herkunftsmaessig ein bisschen was, schlieszlich ist Oesterreich frueher einmal auch ein klein wenig groeszer gewesen.

Und was das Aufbluehen, Abgeschnittenwerden und Verwelken von Kulturen anlangt (um Spenglers Szenario zu missbrauchen), da rufe ich mir einen unangreifbaren deutschen Schriftsteller zu Hilfe, der das - fuer alle Zeiten und Gelegenheiten und nicht nur kulturelle - unuebertrefflich formuliert hat. (Meine Lieblingsanwendung sind "moderne" Auffuehrungen von Mozart Opern, aber der Zirkel umspannt auch Politik, Geldwirtschaft, Gesellschaftsnormen, Fundamentalreligionen, etc.)

"Nie sollt ihr so tief sinken,
aus dem Kakao,
durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken."

(Erich Kaestner, aus meinem Jugendgedaechtnis zitiert)

MartininBroda hat gesagt…

Das mag Sie vielleicht erstaunen, aber ich kann dieses Verlustgefühl durchaus mitempfinden, zumal der Österreichische Kulturraum mit seiner ganz besonderen Prägung ja fast zerschlagen wurde und es blieb etwas zurück in viel zu großen Kleidern, von anderem zu schweigen. Ein wirklich unseliges Jahrhundert. Die Fähigkeit zur Würde ist den gegenwärtigen Deutschen in der Tat unerträglich oft abhanden gekommen, sie werden es kaum bemerken und wenn, schleunigst umbewerten, so wie eine schmutzige Gestalt heutztage "anders gepflegt" genannt werden muß.

The Kid In The Front Row hat gesagt…

everything disappears. everything is temporary.