Montag, 13. September 2010

Überraschende Lektüre


Es gibt Autoren, die man mutmaßlich schätzt, und um die man trotzdem irgendwie immer einen Bogen gemacht hat. Ich muß gestehen, Ernst Jünger gehörte bisher dazu. Der Blogger „Jay“, auf den ich hier schon gelegentlich hingewiesen habe, hat sich heute eine sehr unterhaltsame Würdigung abgerungen. Ich meine das, vielleicht nicht ohne eine Spur von Ironie, aber gewiß nicht herabsetzend, ganz im Gegenteil. Es hat etwas Beeindruckendes, wie jemand über einen Autor schreibt, der ihm offenkundig wesentlich widerstrebt, und dann keine versuchte Hinrichtung daraus macht, die sind in der Regel sowieso peinlich. Das Fremde auszuhalten und es sich nicht leichter zu machen, indem man es herabsetzt, dazu gehört etwas. Der Anlaß war übrigens, daß heute vor neunzig Jahren Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ erschien.

Wie gesagt, seit Jahren schaut mich eine Werkauswahl Jüngers aus meinem Bücherregal vorwurfsvoll an. Und dies war nun endlich ein Anlaß, einmal gründlicher hineinzuschauen, nicht in die Stahlgewitter, die habe ich bald zurückgelegt. Aus welchen Gründen immer, vermutlich anderen. Aber im „Abenteuerlichen Herz“ fand ich Sätze wie:

„Wenn wir eine bestimmte Farbe einige Zeit betrachten, bringt unsere Netzhaut die Ergänzung hervor. Wie jede sinnliche Erscheinung, so hat auch diese ihren geistigen Bezug; wir dürfen aus ihr schließen, daß uns ein Verhältnis zur Welt als zu einem Ganzen gegeben ist. Wenn irgendeiner ihrer Teile unsere Aufmerksamkeit übermäßig in Anspruch nimmt, so ruft der Geist wie ein Heilmittel das Fehlende herbei.“

Oder kurz später:

„Es gibt Reichtümer, die als Geschenke in unser Leben eintreten. Eines Tages finden wir sie vor wie Bilder, die sich aus dem Unsichtbaren entfalten, und bald sind sie sie uns vertraut, sind unser Eigentum. So erging es mir auch mit der Zinnia, einer Blume, die vor wenigen Jahren in unsere Gärten einwanderte.“

Ich habe schon noch ein wenig weiter gelesen und bin beeindruckt von dieser geradezu beiläufig tiefgründigen und gleichzeitig klar - nüchternen Sprache. Man sollte ihn lesen, denke ich nun, ich mag nicht viel mehr sagen, das wäre mindestens anmaßend, aber welch unerwartete Entdeckung.

Ach übrigens, diese Pilze wachsen gerade in unserem Vorgarten, ich habe keine Ahnung, ob sie giftig oder schlicht ungenießbar sind oder geradezu das Gegenteil, mein Gott, fast wie das wirkliche Leben.

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