dem Symmachus gewidmeteter Flügel eines Elfenbeindiptychons
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„Repetimus igitur religionum statum, qui rei publicae diu profuit.“ „Wir bitten also um die Wiederherstellung der Kultverfassung, wie sie dem Staate lange förderlich gewesen ist.“ So schreibt Quintus Aurelius Symmachus im Jahre 384 n. Chr. namens der heidnischen Senatsmehrheit an den christlichen Kaiser Valentinian II. Wir befinden uns in den Jahrzehnten, in denen das antike Heidentum seinem Untergang entgegengeht. Bald würden die Tempel geschlossen und, soweit nicht zu Kirchen umgewandelt, zerstört werden und überhaupt jede heidnische Religionsausübung verboten. Soweit sind wir aber noch nicht.
Kaiser Gratian hatte 382 n. Chr. angeordnet, den heidnischen Kulten in Rom jede Unterstützung des Staates zu entziehen, ebenso ihnen die Fähigkeit genommen, private Vermächtnisse anzunehmen. Symbolik gewann eine andere Anordnung: Der Altar der Victoria in der Curia Iulia, dem Sitz des Senates, war endgültig zu beseitigen. Der Altar war zusammen mit einem Standbild der Victoria Romana von Augustus 29 v. Chr. nach der Schlacht von Actium geweiht worden, vor den Sitzungen des Senats opferte man dort der Göttin Weihrauch und Wein. Dies erregte christlichen Unmut, und so hatte Constantius II. die Statue der Victoria schon einmal - im Jahre 357 n. Chr. – entfernen lassen, diesmal durfte diese stehen bleiben, der Altar allerdings wurde entfernt.
Gratian war ermordet worden, und nun wendet sich also der Stadtpräfekt Symmachus in seiner berühmten 3. Relatio 384 n. Chr. an den jungen Kaiser Valentinian II., um zu erreichen, daß das gratianische Edikt von 382 aufgehoben würde:
Symmachus betont, der Glaube an die alten Götter und deren Wohlwollen hätten die Größe Roms begründet. Das Wohl des Staates beruhe auf der Beachtung der religiösen Pflichten, deren Mißachtung habe 384 etwa zu einer Mißernte geführt. Auch die Gewohnheit fordere ein Festhalten am Überkommenen. Man könne nicht nur auf einem einzigen Weg zum erhabenen Geheimnis der Wahrheit gelangen. Die verschiedenen Weisen der Verehrung würden alle auf dasselbe Eine hinführen.
Symmachus bittet um gleiches Recht für seine heidnischen Götter:
„Suus enim cuique mos, suus cuique ritus est. Varios custodes urbibus cultus mens divina distribuit. Ut animae nascentibus, ita populis fatales genii dividuntur. Accedit utilitas, quae maxime homini deos adserit. Nam cum ratio omnis in operto sit, unde rectius quam de memoria atque documentis rerum secundarum cognitio venit numinum? Iam si longa aetas auctoritatem religionibus faciat, servanda est tot saeculis fides et sequendi sunt nobis parentes, qui secuti sunt feliciter suos.“
„Denn jeder befolgt seinen eigenen Brauch, jeder seinen eigenen Kult. Die göttliche Vorsehung hat verschiedene Formen der Götterverehrung zu Wächtern der Städte bestellt. Wie die Seele den Neugeborenen, so werden den Völkern schicksalsführende Schutzgeister zugeteilt. Dazu tritt der Nutzen, der am meisten den Menschen an die Götter bindet. Denn da das Wesen gänzlich verhüllt ist, woran besser kann man das Göttliche erkennen als an der Geschichte und den Beweisen der Ereignisse? Wenn ferner langes Dasein die Religionen ehrwürdig macht, dann müssen wir all diesen Jahrhunderten die Treue bewahren und unseren Vorfahren folgen, die selbst den ihren zu ihrem Segen gefolgt sind.“
Und dann läßt Symmachus die Schutzgöttin Roma persönlich auftreten:
„Ehrlauchte Kaiser, Väter des Vaterlandes, habt Ehrfurcht vor meinem Jahren, zu denen mich fromme Verehrung geführt hat! Laßt mich die Zeremonien der Ahnen begehen, denn ich habe nichts zu bereuen. Laßt mich nach meiner Sitte leben, da ich frei bin! Diese Gottesverehrung hat den Erdkreis meinen Gesetzen unterworfen, diese heiligen Bräuche haben Hannibal von den Mauern, die Gallier vom Kapitol vertrieben. Bin ich also bewahrt worden, um in meinen alten Tagen getadelt zu werden? Ich werde bald gesehen haben, wie das beschaffen ist, was man einführen zu sollen glaubt; gleichwohl ist die Nachbesserung des Alters spät und schmachvoll. Daher bitten wir um Frieden für die Götter der Väter und die Götter der Einheimischen. Gerecht ist es, als Eines anzusehen, was alle verehren. Wir sehen empor zu denselben Sterne; der Himmel ist uns gemeinsam; dieselbe Welt umgibt uns. Was macht es aus, mit welcher Einsicht ein jeder die Wahrheit sucht? Auf einem Weg allein kann man nicht zu einem solch großen Geheimnis gelangen. Doch wäre dies eine Erörterung für Müßige. Jetzt tragen wir Bitten vor, nicht Streitfragen."
„Schwanengesang einer sterbenden Religion“ ist dieser Appell an den Kaiser genannt worden. Und er beeindruckt noch heute, er hat auch damals beeindruckt und hatte vor allem nahezu Erfolg. Nur nahezu, denn der Mailänder Bischof Ambrosius, der berühmte Kirchenvater, trat dem energisch entgegen, und das Ansinnen des Symmachus wurde zurückgewiesen.
wohl zeitgenössisches Porträt des Ambrosius
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Um jetzt zu erklären, warum ich all dies erwähne, nun heute, wo ich dies fertigschreibe, ist nicht der 7. Dezember, der Gedenktag des Heiligen, sondern der 13. des Monats. Ich wollte etwas Freundliches über Ambrosius schreiben, seine Hymnen etwa, und dann fiel mir diese Kontroverse mit Symmachus ein. Und überrascht stellte ich fest, ich mochte diesen heidnischen Senator Symmachus mehr als den heiligen Ambrosius, zumindest teilweise. Wie das? Eine verquere christliche Sympathie für die Schwächeren, Unterlegenen? Vertrackt, Nietzsche konnte über dieses Thema fuchsteufelswild werden, aber er kam ja auch aus einem christlichen Elternhaus, bei allem Respekt, das Siegel der Unbefangenheit wird man ihm wohl eher vorenthalten müssen - eine spannende Frage nebenbei und gar nicht vordergründig auf ihn gemünzt: Wie weit vermag sich jemand von seinem Ursprung zu emanzipieren? Ich meine nicht einfach durch Umkehrung der Vorzeichen, das ist für die geistig Armen, derer sich unser Herr ja gern annimmt, dann ist jedenfalls für sie gesorgt. Und fast fürchte man dann, die Denkmoden der letzten 250 Jahre hätten einen stärker affiziert, als man zugeben wollte. Aber zurück zu Ambrosius:
„Aliter enim salus tuta esse non poterit, nisi unusquisque Deum verum, hoc est, Deum christianorum, a quo cuncta reguntur, veraciter colat; ipse enim solus verus est Deus, qui intima mente veneretur: Dii enim gentium daemonia, sicut Scriptura dicit.“
„Anders nämlich kann das Heil nicht bestehen, wenn nicht ein jeder wahrhaft den wahren Gott verehrt, das ist: der Gott der Christen, von dem alles beherrscht wird; denn er selbst allein ist der wahre Gott, der in der Tiefe des Verstandes zu verehren ist; denn die Götter der Heiden sind Dämonen, wie die Schrift sagt.“
Dies schreibt er dem Kaiser Valentinian mit der Exkommunikation drohend. Und als Entgegnung an Symmachus:
„Quod vos ignoratis, id nos Dei voce cognovimus. Et quod vos suspicionibus quaeritis, nos ex ipsa sapientia Dei et veritate compertum habemus.“
“Was ihr nicht wißt, das haben wir durch Gottes Stimme erkannt. Und was ihr durch Mutmaßungen zu erraten sucht, davon haben wir aus Gottes eigener Weisheit und Wahrheit zuverlässig erfahren.“
Nicht Tieropfer und der Lohn der Götter hätten Rom groß gemacht, sonder die Tüchtigkeit, die „virtus“ der Römer selbst. Und so sei es keine Schande für Rom, sich mit dem gesamten Erdkreis zu bekehren und zum Besseren überzugehen.
„Wir bitten also um die Wiederherstellung der Kultverfassung, wie sie dem Staate lange förderlich gewesen ist“, hatte Symmachus geschrieben, es ging ihm schon um etwas mehr als nur die bloße Duldung des heidnischen Glaubens. Er sollte ebenso vom Staate gefördert werden wie der christliche. Seine Auffassung würde ziemlich gut in die jetzigen Zeiten passen. Damit aber war für den glaubensstarken Bischof die Grenze überschritten, das Gewissen des Heiden zum Glauben zu nötigen, das nein, aber ihn noch in seinem Irrtum zu fördern, das wäre verdammungswürdig, schon gar für einen christlichen Kaiser.
Wir stehen etwas ratlos vor dieser Glaubensstärke, was nicht unbedingt für unsere Ratlosigkeit spricht. Christliche Toleranz, die meint, alles sei irgendwie gleich wahr oder falsch und es komme nicht so genau darauf an, hat sich als religiöse Haltung eigentlich aufgegeben. Allenfalls gehört sie ins Lager des Symmachus, der ja meint, da sowieso alles im Vagen liege, solle sich einfach jeder an das halten, was ihm überkommen sei.
Wenn aber jemand seines Glaubens gewiß ist, wie soll er dann dem Irrtum begegnen. Ich habe kürzlich jemanden sagen gehört, wenn ich eine Meinung toleriere, müsse ich sie erst einmal für falsch halten, denn sonst könne ich ihr ja beitreten. Nun, Ambrosius war sich seines Glaubens gewiß, er gehört zu denen, die sich um den Glaubenskern des Christentums, so wie an ihm seit Jahrhunderten festgehalten wurde, verdient gemacht hat. Sein Kampf gegen die Arianer etwa war bitter nötig, denn diese Strömung entstellte die christliche Botschaft, so wie sie in den Evangelien überliefert wird.
Für ihn waren die Statuen in den Tempeln Abbildungen von Dämonen, und zwar ganz wörtlich, und darum hatte er natürlich nichts gegen deren Zerstörung einzuwenden. Für uns sind es unersetzliche Kunstwerke, deren Verlust uns in Trauer versetzt, und seine Dämonen zur Mythologie verblaßte Namen kunstreicher Erzählungen.
2 Kommentare:
I just finished reading this, and maybe I should think about it for a while before commenting. But if I procrastinate, I may never get back to it — as all too often happens with me and things I'll deal with "later."
I think you're right that St. Ambrose's position is one that challenges our contemporary view of tolerance. Can we somehow avoid rejecting Ambrose in the light of our respect for the beliefs of others?
It seems to me that we can. Part of the solution lies in the distinction between respect and indifferentism. Part of it lies in the fact that, in an age where the concept of an official state religion was unquestioned, Christians were being asked to restore paganism as a state religion (perhaps side by side with Christianity), not merely to allow its devotees to practice their beliefs on their own. Part of it lies in acknowledging that since the time of St. Ambrose we have come to a clearer understanding of the wrongfulness of using state power to compel religious belief.
I was really struggling with this post & I admit my confusion to a certain point, confused from understanding Ambrose from the point of faith und see myself feeling sympathy for Symmachus. The post has a bit an open end. Maybe the sympathy comes from my passion for culture and the knowledge of the following loss. I don’t know. Plus if you read Symmachus it could be from today, well you have to exchange some phrases. That’s it. Of course you’re right his intention was to restore paganism as a state religion, but the arguments are pretty “modern”. The distinction between respect and indifferentism, to respect the errant person and its honorable intentions but not the error. On one hand it was not necessary to destroy temple, but on the other we are in danger to destroy our own faith because of our weakness to confess or to quote the motto of the University of Rostock where I studied theology once: “Doctrina multiplex, veritas una”.
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