Mittwoch, 6. Januar 2016

Epiphanias

Sant'Apollinare Nuovo Ravenna, Magier

Herr Roloff hält in diesem Moment seinen 2. Gottesdienst zum Epiphaniasfest in der Altmark und hatte mir im Vorfeld seine Zeitungsankündigung für den Tag zuvor wie auch seine Predigt zugesandt. Beides folgt im Anschluß. Diese Vorbemerkung war nur notwendig, um den ersten Text einordnen zu können.

Sant'Apollinare Nuovo Ravenna, Maria zwischen Engeln

Gedanken zum Epiphaniasfest
von Thomas Roloff

Morgen begeht die Kirche das Epiphaniasfest, das volkstümlich auch Dreikönigsfest genannt wird. Es schließt den inneren Kreis des Weihnachtsgeschehens ab, der mit dem Geburtsfest am 25. Dezember begann, und stiftet so eine Verbindung zwischen der Weihnachtsgeschichte nach Lukas und der Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland, wie sie im Matthäusevangelium berichtet wird.

Anders als bei uns haben sich in der syrischen Kirche für die drei Könige die Namen Larvandad, Hormisdas und Gushnasaph eingeprägt. Sie sollen die Geschenke an die Krippe getragen haben, von denen jedes den messianischen Charakter des Kindes unterstreicht. Gold steht für den König der Welt, Myrrhe als Heilpflanze für den Heiler, Arzt und Heiland. Es kann aber auch in besonderer Weise die wahre Menschheit Jesu unterstreichen. Endlich ehrt der Weihrauch den Hohepriester und einzigen Mittler zwischen Himmel und Erde. Die drei Könige selbst stehen wiederum für die drei Alter des Menschen. In der Kunst findet man sie häufig als Jüngling, Mann und Greis dargestellt. Andere Deutungen wiederum sehen in ihnen die Herrscher der drei damals bekannten Erdteile Europa, Afrika und Asien. Darin sollte deutlich werden, dass die ganze Welt kommen und ihn, den Herrn, anbeten würde.

Eine besonders schöne Legende aus Syrien weiß sogar zu berichten, dass es ursprünglich zwölf weise Brüder gewesen sind, die sich auf den Weg gemacht hatten, den neugeborenen König der Welt zu verehren. Sie kamen bis zu dem heute im äußersten Südosten der Türkei gelegenen Ort Hah. Dort empfingen sie Weisung, dass nur drei von ihnen weiter nach Bethlehem ziehen sollten. Die anderen aber warteten. Als die drei Weisen von der Krippe nach Hah zurückkehrten, hatten sie eine Windel des Jesuskindes mitgebracht. Von dieser wollten nun aber alle Brüder einen Teil als Segensgabe haben. Um Streit zu vermeiden, beschloss man, die Windel zu verbrennen, um die Asche gerecht unter allen verteilen zu können. Als sie das taten, verwandelte sich die Asche in zwölf Goldstücke, die das Angesicht der Gottesmutter und des Kindes trugen. Zur Erinnerung an dieses Geschehen errichteten sie die Mutter-Gottes-Kirche von Hah, eine der ältesten Kirchen der Welt, ein bedeutendes Heiligtum der syrisch-orthodoxen Kirche, die in diesen Tagen möglicherweise vor ihrem Ende steht.

Auch hier kann uns vielleicht nur Hoffnung machen, dass Gott selbst aus der Asche Gold zu schaffen vermag, dass er aus den Gräbern die Lebendigen ruft und uns auf allen unseren Lebenswegen lehrt, dennoch auf ihn zu vertrauen.

Geburt und Anbetung durch die Magier

Predigt zum Epiphaniasfest

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott dem Vater und von dem Herrn Jesus Christus.
Amen

Die Epistel zum Drei-Königs-Fest ist unser Predigttext. Nach der Lutherübersetzung von 1912 lauten die drei Verse wie folgt:

„daß mir ist kund geworden dieses Geheimnis durch Offenbarung, wie ich droben aufs kürzeste geschrieben habe, 4 daran ihr, so ihr's leset, merken könnt mein Verständnis des Geheimnisses Christi, 5 welches nicht kundgetan ist in den vorigen Zeiten den Menschenkindern, wie es nun offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist,  6 nämlich, daß die Heiden Miterben seien und mit eingeleibt und Mitgenossen seiner Verheißung in Christo durch das Evangelium,“

Liebe Gemeinde,
es war nur ein Besuch. Irgendwann in den Tagen kurz nach der Geburt des Kindes von Bethlehem sind die drei weisen Männer an die Krippe gekommen, um den neuen König zu ehren. Wir wissen nicht, wie lange sie blieben. Wir kennen nur ihre Geschenke. Sie brachten das wertvollste Gut, das man damals besitzen konnte, Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Irgendwann gingen sie wieder. Ihr Auftrag war erfüllt. Sie hatten ihre Bestimmung gefunden. Hirten und Könige waren an der Krippe versammelt.

Ist das nicht oft so, auch in unserem eigenen Leben? Zunächst glauben wir, angekommen zu sein und unsere Bestimmung, auch unseren Bestimmungsort gefunden zu haben. Dann aber wollen es die Umstände des Lebens oder sollen wir es das Schicksal nennen, dass wir weiter ziehen müssen. Der Aufenthalt erscheint im Rückblick wie ein kurzer Besuch.

Wir wissen nichts darüber, wie die Weisen selbst über ihren Besuch dachten. Wir wissen kaum etwas darüber, wie ihr Leben weiterging. Der Legende nach soll der Apostel Thomas ihnen auf seinem Weg nach Indien noch einmal begegnet sein, schon nach Tod und Auferstehen des Herrn. Er soll die drei Könige getauft und damit zu Christen gemacht haben. Ihre Gebeine ruhen im Kölner Dom.

Nachgedacht über das, was Krippe und Kreuz bedeuten, haben dann erst die Apostel und die Evangelisten. Im Stall von Bethlehem deutete sich zwar vieles an, was dermaleinst weltgeschichtliche Bedeutung bekommen sollte. Es wurde aber wohl nur in der Erinnerung der Hirten, der Könige und im Herzen Mariens bewahrt.

Erst am Kreuz wurde der Zeitenumbruch vor den Augen der Welt sichtbar. Auf einen ganz besonderen Aspekt dieses gewaltigen Umbruchs macht Paulus in den wenigen Versen des Epheserbriefes aufmerksam. Ein Geheimnis wird offenbart, etwas Aufsehenerregendes wird kundgetan, etwas bislang Unvorstellbares wird zur Tatsache. Die Heiden sind Miterben!

Uns erscheint das zunächst gar nicht so spektakulär. Dahinter steht aber noch sehr klar die Vorstellung vom auserwählten Volk. Der Gott der Heerscharen war der Gott des jüdischen Volkes. Alle anderen Völker waren Heiden. Ihre Götter waren „Nichtse“ – waren nichts.

Diese Vorstellung stand natürlich immer in einem tiefen Konflikt mit der Einheit der Menschheit, so wie sie durch die Schöpfung begründet war. Alle Menschen stammen in gleicher und unmittelbarer Weise aus Gottes klarem Schöpfungswillen.

Diese Einheit war im Verlauf der Geschichte durch die Sündhaftigkeit der Menschen verloren gegangen. Menschen und Völker stellten sich gegeneinander und ließen sich gegeneinander stellen.

Darum kann man das Geschehen an Krippe und Kreuz auch wie folgt beschreiben: Die aus der Schöpfung hervorgetretene und verlorene Einheit aller Menschen soll und kann nun im Glauben an den Mensch gewordenen Gottessohn wiedergefunden werden. Der Glaube an den einen Herrn als reines Band um alle Völker geschlungen zum Frieden.

Das genau verkündet der Apostel und gebraucht in diesem Zusammenhang das uns ungewöhnliche Wort „eingeleibt“. Er gebraucht dieses Wort in einem ähnlichen Sinn wie „eingewohnt“, „eingehaust“. Es ist ein Vorgang gemeint, in dem wir Schutz suchen, Sicherheit und Geborgenheit finden. So wie wir vor Unwetter und Sturm in ein festes Steinhaus flüchten, so wie wir vor den Wirren der Welt Zuflucht im Vertrauten suchen, in dem wir eingewohnt sind. So sollen wir auch eingeleibt werden, indem wir am Leibe Christi Anteil nehmen und auch miteinander ein Leib werden.

Wir wissen alle, wie schwer es oft ist, das zu finden. Wir wissen, wie schwer es ist, heimisch zu werden. In einem Ort und bei Menschen anzukommen. Dann, selbst wenn es gelingt, steht wieder die Gefahr, dass alles entrissen wird, und am Ende fühlt man sich wie ein Blatt im Wind, das weht und vergeht, niemand findet es mehr.

Dennoch oder gerade deswegen hält die Kirche ihre Botschaft aufrecht, wie ein Banner im Sturm: Der Retter ist da! Der Erlöser der Welt ist geboren! Gott wurde Mensch!

Allein darin ist das Heil für alle Menschen gekommen. In dieser Gewissheit, die wir unseren Glauben nennen, finden sie Einheit und Frieden.

Darum sollen sich auch heute an die Krippe rufen lassen alle Hirten und Könige der Völker. Schaut das Kind an und erkennt, Gott ist Mensch geworden. Nicht wir sind es, die die Welt ändern und bessern, sondern Gott erhebt und heiligt seine Schöpfung, indem er sich ihr einleibt und uns eröffnet, mit dem Herrn der Welt ein Leib zu werden.

Das ist die überwältigende Botschaft der Weihnachtszeit. Das ist es auch, was uns ein neues und tiefes Verständnis der Welt aufschließt. In diesem Verständnis dürfen wir unsere Hoffnung aufrichten gegen alles Böse und Unvollkommene der Welt, das uns immer wieder begegnet, uns aus der Bahn wirft, uns das Zuhause und die Heimat nimmt. Wir dürfen gegen viele Wirklichkeiten den Glauben behaupten, bei Gott in seinem Sohn immer Heimat, Zuflucht und Zuhause zu haben.
Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.
Amen

Thomas Roloff

2 Kommentare:

MartininBroda hat gesagt…

Ich habe mich noch nie selbst zuerst kommentiert, hoffe ich zumindest. Aber diese Predigt war auch vor allem ein Abschied von einem Ort. Und seine Worte von Heimatlosigkeit und von der Heimat, derer niemand beraubt werden kann, so er Christ ist, zählen für mich, so ganz im mich beim Schreiben vor mich hin versunken, zu dem Profundesten, was er je geschrieben hat. Fiel mir eben auf.

MartininBroda hat gesagt…

Der letzte Satz sollte wohl heißen: "...selbst so ganz beim Schreiben vor mich hin versunken..." Das passiert halt, wenn man etwas abdriftet...