Caspar David Friedrich, "Mönch am Meer", unrestauriert
Verschafft der Firnis des Alterns einem Artefakt eine besondere Würde? Oder bewegen wir uns in einer Ursprünglichkeitsfalle, weil wir die Zeit besiegen zu können meinen.
"Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegrenzte Wasserwüste hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber mögte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Flut, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt. Dazu gehört ein Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den Einem die Natur tut.
Dies aber ist vor dem Bilde unmöglich, und das, was ich in dem Bilde selbst finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde, nämlich einen Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und einen Abbruch, den mir das Bild tat; und so ward ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz.
...und da es, in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit, nichts, als den Rahm, zum Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet, als ob Einem die Augenlider weggeschnitten wären."
So Heinrich von Kleist, u.a. Worte anderer adaptierend. Ich habe dazu hier auch einmal einigen Quark geschrieben. Jetzt ist das Bild restauriert. Ich sollte dringend in die Reichshauptstadt, wo sie doch sozusagen um die Ecke liegt. Denn, was ich von den dürftigen veröffentlichten Bildern im aufgeregten Feuilleton (das gibt es also doch noch, man sehe etwa dort und dort, und hier ist das Bildbeiwerk am überzeugendsten) sehen kann:
Das ist ja fast Biedermeier. Nun gut es war die Zeit. Aber dazu der obige Text? Sind wir 200 Jahre später schon so verroht, das nur noch irgendwie „nett“ finden zu können. Ich bin fasziniert und eigentlich sprachlos. Und das vor diesen Bildschnipseln.
Der Mönch stehe auf kargem Sand vor einer leeren anstürmenden Unermeßlichkeit ohne Orientierung, ein Mensch standhaltend der Unendlichkeit und dabei zugleich ein Teil dieser Unendlichkeit werdend. Das ungefähr hatte ich geschrieben.
Er steht da immer noch in einem kaum faßbaren Raum. Dennoch ist alles so klar geworden. Der Mönch am Strand, das Meer wie eine schmale Brücke zur Unendlichkeit, alle Dissonanzen, Variationen und Harmonien von Blau sind anwesend, die sich um so mehr klären, je mehr man nach oben blickt. Die Sichtbarmachung der Transzendenz.
Der spätere Friedrich Wilhelm IV. konnte als Halbwüchsiger seinen eher schlichten Vater dazu überreden, dieses und das Partnerbild zu erwerben. In der Jugend hat man halt noch manchmal Einsichten. Wie gesagt, ich muß da dringend hin.
nachgetragen am 22. Januar
Kleiner Nachtrag
Eben stolpere ich über einen Beitrag, der die Presse zu diesem Ereignis viel hingebungsvoller abbildet als mir dies jemals vergönnt sein wird; sollte man durchaus lesen, so das Sujet konveniert.
nachgetragen am 30. Januar
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