Donnerstag, 1. Dezember 2011

Christa Wolf nachgerufen


Bach, "Erbarme dich", Kathleen Ferrier
hier gefunden

„O Täler weit, o Höhen“ singen die Mitglieder des Hallenser Madrigalchores in der Abflughalle des Flughafens Tscheremedjewo im Herbst ’89, als sie erfahren, daß es in Leipzig nicht zum Blutbad gekommen war. Christa Wollf erzählt davon, während sie über die „Wende“ nachdenkt. Sie ist heute gestorben.

Wenn man bei den Nachrichten von ihrem Tod sofort von den „Verstrickungen“ liest oder der „Staatsschriftstellerin“ hört , erkennt man dieselbe Sekunde wieder, wie geistig ausgelaugt und verkommen dieses Land längst ist, besetzt von Leuten, die immer ihr kleines Geschäft suchen, gern ein vorgegeben moralisches (zu schweigen von den dazugehörigen Kommentaren). Selbst in ihrem Tod hält sie den Verhältnissen noch einen Spiegel vor, unglaublich.

Und doch noch ein Wort, die „Kritiker“, die sich über ihr mit angetäuschtem Interesse erleichtern, vergessen eben dies, sie sind nur der Spiegel all dessen. Dummheit kennt keine Scham. Aber lassen wir die parasitären Heuchler und Flachschädel da, wo sie hingehören und tun all dies beiseite. So und an dieser Stelle brach ich gestern ab. Inzwischen gibt es auch Stimmen, die man ertragen kann, diese zum Beispiel (ich hätte nie gedacht, daß ich mal zur Frankfurter Rundschau verlinken würde).

Es ist nicht so lange her, da konnte ich sie zum ersten und einzigen Mal leibhaftig erleben. Die Veranstaltung selbst war, nun ja, aber sie als Person, es hatte mich überraschend erschüttert. Aber ich habe sie natürlich nicht mit der Zudringlichkeit eines Gesprächssversuchs behelligt. Doch nun habe ich wenigstens dieses innere Bild.

Ihre Hoffnung war nie meine Hoffnung, aber sie hat große Literatur aus ihrer Illusion gemacht. „Einmal im Leben, zur rechten Zeit, sollte man an Unmögliches geglaubt haben“ („Christa T.“), diesen Satz zitiert eine der wenigen angemessenen Wortmeldungen (NZZ) mit der Anmerkung, letztlich sei das ganze sozialistische Projekt „ nicht viel mehr gewesen als ein Rausch, der in die permanente Ernüchterung mündete“.

Und jetzt bin ich so unfreundlich, diesen Beitrag nicht zu beenden, sondern einfach weiter zu lesen; wenn man durch gutes Deutsch wandert, wächst das Gefühl, man komme nach Hause.

„Wohin mit mir. Ist eine Welt zu denken, eine Zeit, in die ich passen würde. Niemand da, den ich fragen könnte.“ (Medea)
abgebrochen am 2. Dezember

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