Dienstag, 13. Dezember 2011

Über den Kyffhäuser &

Franz von Lenbach, „Ein Hirtenknabe“, 1860
hier gefunden

Da träumt er also vor sich, der junge Hirte, und wer weiß, was er da so zusammenträumt. Herr von Lenbach träumt vermutlich auch gerade, da er zwar an einem 13. Dezember geboren wurde, aber schon länger tot ist (wieder einer der Fälle, wo man dachte, man hätte schon mal was geschrieben, hat es aber dann allenfalls zu Andeutungen gebracht).

Und noch einer schläft und träumt, erzählt uns jedenfalls Christian Johann Heinrich Heine (geboren am 13. Dezember 1797), wobei es eher er ist der träumt, sagt er:

Mit stockendem Atem horchte ich hin,
Wenn die Alte ernster und leiser
Zu sprechen begann und vom Rotbart sprach,
Von unserem heimlichen Kaiser.

Sie hat mir versichert, er sei nicht tot,
Wie da glauben die Gelehrten,
Er hause versteckt in einem Berg

Mit seinen Waffengefährten.


Kyffhäuser ist der Berg genannt,
Und drinnen ist eine Höhle;

Die Ampeln erhellen so geisterhaft
Die hochgewölbten Säle.


Der Kaiser bewohnt den vierten Saal.
Schon seit Jahrhunderten sitzt er
Auf steinernem Stuhl, am steinernen Tisch,
Das Haupt auf den Armen stützt er.


Sein Bart, der bis zur Erde wuchs,
Ist rot wie Feuerflammen,

Zuweilen zwinkert er mit dem Aug',

Zieht manchmal die Braunen zusammen.


Schläft er oder denkt er nach?
Man kann's nicht genau ermitteln;
Doch wenn die rechte Stunde kommt,
Wird er gewaltig sich rütteln…


Doch wie endet Herr Heine?

Das beste wäre, du bliebest zu Haus,
Hier in dem alten Kyffhäuser –

Bedenk ich die Sache ganz genau,

So brauchen wir gar keinen Kaiser.

Burg Kyffhausen - Burgkapelle der Unterburg
hier gefunden

Dazu gibt es etwas ganz Merkwürdiges, nicht gerade ein Kommentar, nein, aber man lese selbst (aus „Ludwig Börne. Eine Denkschrift“):

„In der That, die Juden sind aus jenem Teige, woraus man Götter knetet; tritt man sie heute mit Füßen, fällt man morgen vor ihnen auf die Kniee; während die Einen sich im schäbigsten Kothe des Schachers herumwühlen, ersteigen die anderen den höchsten Gipfel der Menschheit, und Golgatha ist nicht der einzige Berg wo ein jüdischer Gott für das Heil der Welt geblutet. Die Juden sind das Volk des Geistes, und jedesmal, wenn sie zu ihrem Prinzipe zurückkehren, sind sie groß und herrlich, und beschämen und überwinden ihre plumpen Dränger. Der tiefsinnige Rosenkranz vergleicht sie mit dem Riesen Anteus, nur daß dieser jedesmal erstarkte, wenn er die Erde berührte, jene aber, die Juden, neue Kräfte gewinnen, sobald sie wieder mit dem Himmel in Berührung kommen. Merkwürdige Erscheinung der grellsten Extreme! während unter diesen Menschen alle möglichen Fratzenbilder der Gemeinheit gefunden werden, findet man unter ihnen auch die Ideale des reinsten Menschenthums, und wie sie einst die Welt in neue Bahnen des Fortschrittes geleitet, so hat die Welt vielleicht noch weitere Iniziazionen von ihnen zu erwarten ...
Die Natur, sagte mir einst Hegel, ist sehr wunderlich; dieselben Werkzeuge die sie zu den erhabensten Zwecken gebraucht, benutzt sie auch zu den niedrigsten Verrichtungen, z. B. jenes Glied, welchem die höchste Mission, die Fortpflanzung der Menschheit, anvertraut ist, dient auch zum – – –
Diejenigen, welche über die Dunkelheit Hegels klagen, werden ihn hier verstehen, und wenn er auch obige Worte nicht eben in Beziehung auf Israel aussprach, so lassen sie sich doch darauf anwenden. Wie dem auch sey, es ist leicht möglich, daß die Sendung dieses Stammes noch nicht ganz erfüllt, und namentlich mag dieses in Beziehung auf Deutschland der Fall seyn. Auch letzteres erwartet einen Befreyer, einen irdischen Messias – mit einem himmlischen haben uns die Juden schon gesegnet – einen König der Erde, einen Retter
mit Zepter und Schwert, und dieser deutsche Befreyer ist vielleicht derselbe, dessen auch Israel harret ...
O theurer, sehnsüchtig erwarteter Messias!
Wo ist er jetzt, wo weilt er? Ist er noch ungeboren oder liegt er schon seit einem Jahrtausend irgendwo versteckt, erwartend die große, rechte Stunde der Erlösung? Ist es der alte Barbarossa, der im Kiffhäuser schlummernd sitzt auf dem steinernen Stuhle und schon so lange schläft, daß sein weißer Bart durch den steinernen Tisch durchgewachsen ... nur manchmal schlaftrunken schüttelt er das Haupt und blinzelt mit den halbgeschlossenen Augen, greift auch wohl träumend nach dem Schwert ... und nickt wieder ein, in den schweren Jahrtausendschlaf!
Nein, es ist nicht der Kaiser Rothbart, welcher Deutschland befreyen wird, wie das Volk glaubt, das deutsche Volk, das schlummersüchtige, träumende Volk, welches sich auch seinen Messias nur in der Gestalt eines alten Schläfers denken kann!
Da machen doch die Juden sich eine weit bessere Vorstellung von ihrem Messias, und vor vielen Jahren, als ich in Polen war und mit dem großen Rabbi Menasse ben Naphtali zu Krakau verkehrte, horchte ich immer mit freudig offenem Herzen, wenn er von dem Messias sprach ... Ich weiß nicht mehr in welchem Buche des Talmuds die Details zu lesen sind, die mir der große Rabbi ganz treu mittheilte, und überhaupt hnur in den Grundzügen schwebt mir seine Beschreibung des Messias noch im Gedächtnisse. Der Messias, sagte er mir, sey an dem Tage geboren wo Jerusalem durch den Bösewicht, Titus Vespasian, zerstört worden, und seitdem wohne er im schönsten Palaste des Himmels, umgeben von Glanz und Freude, auch eine Krone auf dem Haupte tragend, ganz wie ein König ... aber seine Hände seyen gefesselt mit goldenen Ketten!
Was, frug ich verwundert, was bedeuten diese goldenen Ketten?
»Die sind nothwendig,« – erwiederte der große Rabbi, mit einem schlauen Blick und einem tiefen Seufzer – »ohne diese Fessel würde der Messias, wenn er manchmal die Geduld verliert, plötzlich herabeilen und zu frühe, zur unrechten Stunde, das Erlösungswerk unternehmen. Er ist eben keine ruhige Schlafmütze. Er ist ein schöner, sehr schlanker aber doch ungeheur kräftiger Mann; blühend wie die Jugend. Das Leben, das er führt, ist übrigens sehr einförmig. Den größten Theil des Morgens verbringt er mit den üblichen Gebeten oder lacht und scherzt mit seinen Dienern, welche verkleidete Engel sind und hübsch singen und die Flöte blasen. Dann läßt er sein langes Haupthaar kämmen und man salbt ihn mit Narden, und bekleidet ihn mit seinem fürstlichen Purpurgewande. Den ganzen Nachmittag studirt er die Cabala. Gegen Abend läßt er seinen alten Kanzler kommen, der ein verkleideter Engel ist, eben so wie die vier starken Staatsräthe, die ihn begleiten, verkleidete Engel sind. Aus einem großen Buche muß alsdann der Kanzler seinem Herren vorlesen was jeden Tag passirte ... Da kommen allerley Geschichten vor, worüber der Messias vergnügt lächelt, oder auch mißmüthig den Kopf schüttelt ... Wenn er aber hört, wie man unten sein Volk mißhandelt, dann geräth er in den furchtbarsten Zorn und heult daß die Himmel erzittern ... Die vier starken Staatsräthe müssen dann den Ergrimmten zurückhalten, daß er nicht herabeile auf die Erde, und sie würden ihn wahrlich nicht bewältigen, wären seine Hände nicht gefesselt mit den goldnen Ketten ... Man beschwichtigt ihn auch mit sanften Reden, daß jetzt die Zeit noch nicht gekommen sey, die rechte Rettungsstunde, und er sinkt am Ende aufs Lager und verhüllt sein Antlitz und weint ...«
So ungefähr berichtete mir Menasse ben Naphtali zu Krakau, seine Glaubwürdigkeit mit Hinweisung auf den Talmud verbürgend. Ich habe oft an seine Erzählungen denken müssen, besonders in den jüngsten Zeiten, nach der Juliusrevoluzion. Ja, in schlimmen Tagen, glaubt ich manchmal mit eignen Ohren ein Gerassel zu hören, wie von goldenen Ketten, und dann ein verzweifelndes Schluchzen ...
O verzage nicht, schöner Messias, der du nicht bloß Israel erlösen willst, wie die abergläubischen Juden sich einbilden, sondern die ganze leidende Menschheit! O, zerreißt nicht, ihr goldenen Ketten! O, haltet ihn noch einige Zeit gefesselt, daß er nicht zu frühe komme, der rettende König der Welt!“

Büste Kaiser Friedrich II., Castello di Barletta
hier gefunden

Da kommt man hin, wenn man mit dem Lesen erst anfängt. Eigentlich sollte es nämlich um S.M. Kaiser Friedrich II. gehen, er starb am 13. Dezember 1250, ein schreckliches Datum. Wenn die Sympathie mit der Römischen Kirche überhandnimmt, lese man in seinen Briefen (habe das die letzten Tage wieder ausgiebig getan), denn so man auf seine päpstlichen Widersacher schaut, da spielen der Hölle entstiegene Dämonen mit dem Heiligen.

Die Kyffhäuser-Legende verband sich ursprünglich mit ihm und wanderte erst später zu seinem Großvater, allein daran mag man ersehen, wie stark sein Tod in die Volksseele drang. Aber genug davon für heute.
nachgetragen am 14. Dezember

2 Kommentare:

Morgenländer hat gesagt…

Ja, der Heine!

Einen großen Teil seiner Lyrik finde ich ja verzichtbar, aber seine Essays!

Ic lese gerade seine 'Geständnisse' wieder, in denen er seinen 'Pantheismus' getauften Atheismus widerruft - so gedanken-, so geistreich.

Heine lesend, sieht man, wo Nietzsche herkommt und was er hätte werden können, wenn er ein kleines bisschen weniger verbissen und ein kleines bisschen demütiger gewesen wäre.

Viele Grüße
Morgenländer

MartininBroda hat gesagt…

Ja, das rechte Maß zu finden ist eben mehr als bloße Konvention :)
Grüße zurück!