Samstag, 31. März 2012

"Zivilcourage"


Franz von Lenbach, Fürst Otto von Bismarck, 1895

Bekanntlich erscheinen hier alle Dinge, wenn überhaupt, verspätet, und zwar deutlich. Heute sind wir um einen Tag zu früh! Otto Fürst Bismarck-Schönhausen wurde am 1. April 1815 geboren und neben manch anderem hat er auch das nachfolgende Wort erfunden, was manche überraschen wird. Herr Roloff hat ihm diesen Beitrag gewidmet:


Zivilcourage
Ursprung eines Wortes

Immer haben auch Worte ihre Geschichte. Bei dem gerade in unseren Tagen viel benutzten Wort „Zivilcourage“ ist das auch in ganz verblüffender Weise der Fall. Dabei ist bereits die Tatsache verräterisch, wie oft Zivilcourage eingefordert, verlangt und manchmal sogar beschworen wird. Das spricht nämlich fast immer dafür, dass es dieses Geforderte noch viel zu wenig gibt. Das jedenfalls scheint sich auch, seit der Erfindung des Begriffs, nicht geändert zu haben.

Robert von Keudell hat in seinen Erinnerungen festgehalten, dass Otto von Bismarck das Wort Zivilcourage bereits 1847 benutzt und darum unter Umständen sogar geprägt hat, denn einen früheren Nachweis gibt es nicht. Folgende Begebenheit hatte sich zugetragen: Ein Freund hatte Bismarck nach einer Landtagsdebatte, in der dieser schmählich ausgepfiffen worden war, angesprochen und zu ihm gesagt: „Eigentlich hattest du ja Recht. Nur sagt man so etwas nicht.“ Der nachmalige Kanzler und Reichsgründer antwortete ihm daraufhin: „Wenn du meiner Meinung warst, dann hättest du mir beistehen müssen. Nur dein Eisernes Kreuz hindert mich, dir einen verletzenden Vorwurf zu machen.“ Nach einem Augenblick des Schweigens setzte er nachdenklich hinzu: „Mut auf dem Schlachtfeld scheint bei uns Gemeingut. Aber man wird nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.“

In die Debatte, um die es sich hier handelte, hatte Bismarck am 17. Mai 1847 eingegriffen und die Legende bekämpft, dass die Preußen 1813 in den Krieg gegangen wären, um eine Verfassung zu erlangen. Der spätere Reichsgründer gab wohl recht naturwüchsig seiner Entrüstung darüber Ausdruck, dass die Fremdherrschaft an sich kein genügender Grund zum Kampfe gewesen sein solle. „Mir schien es unwürdig, dass die Nation dafür, dass sie sich selbst befreit habe, dem Könige eine in Verfassungsparagraphen zahlbare Rechnung überreichen wolle.“ So berichtet er in seinen Memoiren. Den Zorn der Zuhörer, unter denen ein Sturm ausgebrochen war, reizte Bismarck weiter, indem er ruhig auf der Tribüne stehen blieb und in einer Zeitung blätterte bis der Lärm sich ausgetobt hatte. Dann führte er seine Rede zu Ende.

Bis heute bildet bereits diese kleine Begebenheit ab, auf welchem Grund Bismarck stand, und aus welchem Selbstverständnis heraus er gehandelt hat. Er prägte darin nicht nur den Begriff der Zivilcourage, sondern hat gleich noch ein Beispiel mitgeliefert, wie sie gelebt werden muss.

Thomas Roloff

Donnerstag, 29. März 2012

Herr Voß nochmals


Homers Odüßee [Odyssee] übersetzt von Johann Heinrich Voß.
© Foto H.-P. Haack, hier gefunden

Hin und wieder erinnere ich an Johann Heinrich Voß (er starb am 29. März 1826), weil er ein verdienstvoller Mann war, vor allem als Übersetzer der Werke Homers und anderer antiker Autoren, und weil er dazu ein bedeutender Mecklenburger war. Das ist nun einmal die Landschaft, in der ich lebe, und wie bereits gelegentlich erwähnt, gibt es davon nicht so maßlos viele.

Es ist ein wenig schwierig, wenn man etwas von ihm bringen will. Die Stücke sind in der Regel sehr lang (selbst Auszüge, die in sich halbwegs abgeschlossen wären), und bei seinen eigenen Sachen, nun sagen wir es so: Bei einigen Autoren, die vor etwas mehr als 200 Jahren geschrieben haben, spürt man die trennende Zeit kaum, bei anderen schon. Leider gehört unser Mann meist zu den anderen.

Das nachfolgende Gedicht fand ich fast durchgehend ganz charmant, der Schluß ist ihm nach meinem Empfinden nicht recht gelungen, aber man sehe selbst.


Die Morgenheitre

Du kühle Morgenstunde,
Wie lächelst du so hold!
Du trägst im Rosenmunde
Der Weisheit lautres Gold.
Dein Wolkenkranz erblühet,
Von Purpurlicht durchglühet;
Der Nebel sinkt, wie Rauch gerollt.

Empor, o Wunder! tauchet
Die Sonn in rotem Strahl!
Schon glühn die Höhn; noch rauchet
Von Duft das krumme Tal.
Es taumeln froh und schweben
Die neuerwachten Leben
Durch Erd und Himmel allzumal.

Mein Geist auch strebt, gebadet
In dieser Strahlenflut,
Und schauert hochbegnadet
Mit Kraft und frischem Mut.
O reines Licht, durchläutre
Mich ganz mit deiner Heitre,
Zu schaun, was wahr ist, schön und gut!

Ich soll, wo Irrsal schattet,
Das Licht der Wahrheit streun;
Ich soll, was träg ermattet,
Zu Lebenskraft erneun;
Ich soll durch Red und Lieder
Zur Menschlichkeit die Brüder,
Zur freien Menschlichkeit sie weihn!

Mag Trug und Wahn auch häufen
Verfinsterung der Luft;
Bald fließt in Silberstreifen
Das Nachtgewölk wie Duft!
Nicht gab dir Gott vergebens
Den Geist des edlern Lebens!
Geh hin und leuchte, wo er ruft!

Wenn selbst der Freund verkennend
Sich weg vom Freunde neigt;
Bald straft, in Zorn entbrennend,
Bald dumpfen Groll verschweigt:
Doch gehe froh und trage
Die Fackel, bis es tage!
Der Nebel sinkt, die Sonne steigt!

Mittwoch, 28. März 2012

Dienstag, 27. März 2012

Mecklenburgica

Meine Gedanken sind einfach zu langsam gegenwärtig, aber daß Otto Vitenses Geschichte von Mecklenburg (erschienen 1919) noch immer als die letzte ernstzunehmende Darstellung der Geschichte dieses Landes gilt, wirft ein bezeichnendes Licht auf den ernstzunehmenden Kern dieses Landes Mecklenburg-Vorpommern, da ist nämlich keiner. Es ist ein wenig so, wie wenn Südseeinsulaner ihre Tänze vor Touristen aufführen. Doch genug davon.


Vitense beschloß 1948, das Einwirken der im Troß der russischen Siegermacht wirkmächtigen Kommunisten auf ihn durch seinen Tod zu beenden. Die Geschichte Mecklenburgs trägt oft tragische Züge, dafür hatte er einen Sinn, und das Ergebnis dürfte häufig zu dem differieren, was sich als gegenwärtig herrschende Erzählung darstellt, also bringen wir doch einfach einen Auszug.

Das Wirken Naploleons wird gern verharmlost, schließlich empfindet man sich lieber heimlich mit als irgendwie fortschrittlich (was immer das sein soll), aber wir wollten zitieren und nicht räsonieren:

Die Franzosenzeit in Mecklenburg

Franzosenzeit - das Wort erweckt noch heute nach über hundert Jahren bei vielen Leuten, denen in ihrer Jugend einst die Eltern und Großeltern davon erzählt haben, Grauen und Entsetzen. Ja, selbst den Kindern geht es nicht viel anders. So sehr hat sich die Erinnerung an jene Zeit, die mit all ihren Schrecken eine der schlimmsten in der Geschichte unseres engeren und weiteren Vaterlandes gewesen ist, von einer Generation an die andere übertragen. Gerade bei uns in Mecklenburg ist dieser Zeit ein bleibendes Denkmal durch unseren größten plattdeutschen Dichter Fritz Reuter gesetzt worden. Wenngleich seine „Franzosentid“ eine mit köstlichem Humor geschriebene lustige Geschichte sein will, so spielt sie sich doch auf dem Grunde der Franzosenherrschaft in Mecklenburg ab, und tief muß es jeden Leser berühren, wenn er von den Leiden und Qualen hört, unter denen damals unser Volk geseufzt hat. Es mag nur an den Müller Voß von der Gielower Mühle erinnert werden, der außer dem Verlust zweier Söhne eine völlige Ausplünderung seitens der Franzosen und den Wirtschaftlichen Zusammenbruch seines Gehöftes zu beklagen hat, so daß ihm nichts anderes übrig bleibt als „Pankerott spelen“.

Wir sind heute, in einer Zeit des Friedens und der gesetzlichen Ordnung, an die wir von Jugend auf gewöhnt sind, kaum imstande, uns jene Franzosenzeit in ihrer vollen Wirklichlichkeit vorzustellen. Ja, manchmal wollen selbst die noch erhaltenen Schilderungen von Augenzeugen uns wie eine Art phantastisch ausgeschmückter Gespenstergeschichten anmuten. So groß ist der Unterschied zwischen damals und jetzt. Und ich sagen sie die reine Wahrheit. Nur einige Worte mögen genügen, um uns ein Bild von dem Zustande unseres Landes in der Franzosenzeit 1806/12 zu verschaffen.

Die Zeit der französischen Revolution und der durch sie hervorgerufenen Koalitionskriege, in denen durch Napoleons maßlose Ruhm- und Herrschsucht schließlich das ganze bisherige Staatensystem Europas umgekehrt wurde, waren, abgesehen von einigen kleinen Unruhen, die aber schnell beseitigt wurden im übrigen fast spurlos an Mecklenburg vorübergegangen. Von der Teilnahme an den Koalitionskriegen insbesondere hatte sich unser Land durch eine an das Deutsche Reich gezahlte Geldsumme befreit. Mit dem Jahre 1806 aber wurde auch Mecklenburg in die Schrecken jener Zeit verwickelt und hat dann nicht weniger als sieben Jahre unter der französischen Fremdherrschaft so sehr leiden müssen, dass es scheint, als sollte es für die vorhergehenden Friedensjahre nun noch um so mehr von der Kriegsnot heimgesucht werden.

Am 14. Oktober 1806 war das preußische Heer von Napoleon bei Jena vollständig besiegt worden. Damit ging im deutschen Volk auch die Letzte Hoffnung auf Befreiung aus dem napoleonischen Joch verloren. Unaufhörlich wälzten sich jetzt die französischen Heere über die deutschen Gefilde. Jedes deutsche Land war der Willkür Napoleons preisgegeben. Überall fürchtete man für die eigene Heimat, für Haus und Hof, Familie, Stand und Beruf...

Nach der Schlacht bei Jena sucht ein Teil der geschlagenen preußischen Armee sich unter Führung des Generals, späteren Feldmarschalls Blücher nach Mecklenburg zu retten. Ihm folgen die drei französischen Generale Murat, Soult und Bernadotte, der spätere Krohprinz von Schweden, und trugen die Kriegsfackel in unser Land. Bei Feldberg betrat Blücher mecklenburgischen Boden und zog nun quer hindurch auf Lübeck zu. Bei Nossentin, zwischen Waren und Malchow, erkämpfte sich seine Nachhut unter dem Obersten, späteren General York am 1. November 1806 gegen Bernadotte den Rückzug. Am 7. mußte Blücher bei Ratkau b. Lübeck sich den Ihm folgenden Franzosen ergeben. Die drei Marschälle aber begannen nun von Mecklenburg völlig Besitz zu nehmen und das Land zwecks Einrichtung als französische Provinz, wie Napoleon befohlen hatte, zur Strafe für die 1805 den russischen Truppen gestatteten Durchzüge gleichsam unter sich zu verteilen. Überall wurden die mecklenburgischen Wappen entfernt und statt ihrer französische Adler angebracht, sodann Laval zum General-Gouverneur des Landes ernannt.

Im Januar 1807 wurde der Herzog Friedrich Franz aus seinem Schweriner Lande vertrieben; der Strelitzer Herzog Karl konnte sich durch Fürsprache des ihm verwandten Königs von Bayern bei Napoleon von dieser auch für ihn getroffenen Bestimmung noch im letzten Augenblick befreien. Einquartierungen, Truppendurchzüge, Kontributionen, Erpressungen, dazu Rauben und Plündern, Brennen und Morden seitens der das Land knechtenden Franzosen nahmen jetzt überhand. Kein Stand, kein Geschlecht, kein Alter wurde geschont. Die Städte wurden mit Einquartierungen und Forderungen an Geld und Naturalien schier überlastet.

Mitten in den Straßen wurden Wachtfeuer angezündet und alles Holz, wie Türen, Bretter, Gartenzaune, selbst Möbel als Brennmaterial verwandt. Vorräte an Lebensmitteln und Kochgerätschaften wurden den Bewohnern aus den Häusern entwendet. Vor den Bäckereien wurden mehrfach Posten aufgestellt, damit kein Brot an die Bewohner verkauft, sondern alles für die französischen Soldaten reserviert werde. Die Kirchen wurden als Vorratshäuser für Heu und Stroh gebraucht.

So wurde z. B. in der Johanneskirche in Neubrandenburg vom Sommer l807 an zwei Jahre überhaupt nicht gepredigt, die Marienkirche daselbst mehrfach als Pulvermagazin eingerichtet. In Schwerin wurden auf der dortigen Gemäldesammlung auf Napoleons Befehl über 200 Gemälde samt vielem Porzellan eingepackt und nach Paris geschickt. Auf dem Lande wurde den Bauern das Korn mit ihren eigenen Pferden aus den Scheunen fortgebracht. Männer und Frauen, Greise und Kinder wurden mißhandelt und von Haus und Hof vertrieben.

Im November 1806 hatte Napoleon von Berlin aus über England die Kontinentalsperre verhängt und so jeglichen Handel mit dem Inselreich verboten. Zwar konnte nach dem Frieden von Tilsit im Juli 1807 Friedrich Franz in sein Land zurückkehren, mußte aber mitsamt dem Strelitzer Herzog dem Rheinbunde beitreten, der unter Napoleons Protektorat stand.

Mecklenburg-Schwerin hatte 1700, Strelitz 400 Soldaten zu stellen. Die mecklenburgischen Truppen wurden nun ganz nach französischem Muster uniformiert und ausgerüstet. Zugleich kam eine große Anzahl französischer Zollbeamten, Douaniers, zur Überwachung der Kontinentalsperre ins Land. Bald stockte Handel und Wandel im Lande völlig. In Rostock lagen schließlich die Schiffe ohne Masten, Segel und Flaggen, ihr Holz begann im Schlamm zu verfaulen.

Allerdings waren die Douaniers der Bestechlichkeit seitens der Bevölkerung zugängig und vertrieben, wie die Geburtenregister mancher Kirchenbücher noch nachweisen, viele Zeit mit Liebeshändeln. Die Heiterkeit und der frohe Sinn der Seeleute aber war dahin. Kaperboote weilten auf der Reede und lauerten tagtäglich auf einen guten Fang. Überall wurde heimlicher Schleichhandel getrieben, der nur immer größeres Mißtrauen der Bürger untereinander erzeugte, denn niemand wagte ein offenes, freies Wort, geschweige denn seine eigene Meinung zu sagen aus Furcht vor der Rache der frauzösischen Beamten. Das Pascherhandwerk (Schmuggelei) nahm, wie im ganzen Lande, so besonders an der Küste immer mehr zu. Nicht selten aber befanden sich unter den eingeschmuggelten Gegenständen und Waren ungesunde, ja ekelhafte Fabrikate. Geld war überhaupt kaum noch im Lande vorhanden.

Im Jahre 1809 zwar ging in Österreich eine mächtige freiheitliche Bewegung durch das Volk. Man hoffte Preußen und ganz Norddeutschland mitzureißen zum Kampf gegen den Volksbedrücker Napoleon. Nicht fehlte es in verschiedenen Orten in Deutschland an Beifallskundgebungen...

Hand in Hand mit der österreichischen Bewegung lief der Kampf der Tiroler unter Andreas Hofer sowie der Versuch des tapferen preußischen Majors von Schill, der ohne Wissen seines Königs auf eigene Hand von Berlin aus sich mit seinen Husaren und Jägern gegen Napoleon wandte, um in Preußen und ganz Deutschland für eine allgemeine Erhebung zu wirken. Aber Preußen rührte sich nicht, sein König blieb neutral. Schill mußte vor den Franzosen fliehen, durcheilte Mecklenburg von Dömitz bis Ribnitz und fiel schließlich in heldenmütigem Straßenkampfe in Stralsund. Seine Offiziere wurden in Wesel erschossen. Ein ähnliches Schicksal hatte der unerschrockene Tiroler Volksführer, und die Österreicher selbst wurden in mehreren Schlachten von Napoleon völlig besiegt. Die ganze Bewegung war niedergedrückt, das fremde Joch wurde schwerer, als es zuvor gewesen.

Mitten in dieser Unglückszeit, die nächst dem Dreißig-Jährigen Kriege in der Geschichte kaum ihresgleichen findet, starb am 19. Juli 1810 im Schlosse zu Hohenzieritz bei Neustrelitz die Königin Luise von Preußen, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz. Sie war es gewesen, die ihren Gemahl, den König Friedrich Wilhelm III., in all der Not, besonders auf seiner Flucht nach Königsberg und Memel, in seiner Verzweiflung stets getröstet und wieder aufgerichtet hatte. Eine große Trauer um diese hehrste aller Frauen, die je auf einem Fürstenthron gesessen haben, durchzog die Herzen aller Deutschen und besonders der Mecklenburger, deren Ruhm und Stolz sie stets gewesen.

Das Jahr 1811. aber bildete gleichsam den Höhepunkt der Not. Die eigenen Landesprodukte mußten an die Franzosen für einen Spottpreis abgegeben werden, dagegen stiegen ausländische Waren im Preise so hoch, daß sie kaum mehr zu bezahlen waren. So galt ein Pfund Zucker ebensoviel als ein Scheffel Weizen, d. h. 2 bis 3 Taler. Im Jahre 1810 schon hatte Mecklenburg etwa 280.000 Taler außerordentliche Kontribution leisten müssen, im Jahre 1811 wurden es sogar 340.000 Taler. Unter dem Vieh trat die Rinderpest auf. Der Kredit war vollständig gesunken, und so mußten in diesem Jahre etwa 60 Landgüter den Konkurs anmelden.
Wie aber um diese Zeit die Franzosen unter den Bewohnern im Lande hausten, davon mag ein Augenzeuge selber Berichten:

,,Die Einwohner wurden barbarisch vom Feinde gemißhandelt, wenn kein Geständnis verborgener Schätze mehr zu erpressen war; Kisten und Schränke wurden zerschlagen, alles mutwillig zerstört und die unglücklichen Familien halb nackt verjagt; Väter, denen Rock und Stiefel ausgezogen waren, wurden mit Kindern unter den Armen und auf dem Rücken, Mütter mit wimmernden Säuglingen an der Brust in kalte Hölzungen und unzugängliches Röhricht getrieben. Hier im Dickicht standen auch zum Teil die Pferde und Kühe der armen Geflüchteten; Höhlen unter der Erde bargen vor Sturm und Kälte. Die Wohnungen in den Dörfern standen leer oder waren zum Teil ein Raub der Flammen geworden. Die Plünderung ward besonders auf dem Lande mit empörender Grausamkeit betrieben. Die Marketenderwagen fuhren vor die Haustüren und wurden hoch mit Betten, Leinenzeug, Kleidern, Silbergeschirr und kostbarem Hausgerät beladen. Murat’s Kürassiere schütteten nach vollbrachtem Tagewerk das Geld scheffelweise auf den Scheundielen aus, um es nach ungefährem Augenmaß unter sich zu teilen. Ihre gesattelten Pferde standen auf dem Dreschkorn und verdarben die hingebreiteten Lagen. Im Hause, wo die besten Sachen verborgen waren, ward geschmaust und gezecht; betrunken lagen die Räuber auf der Erde und drohten das Haus anzuzünden, wenn der nach Wein zur nächsten Stadt geschickte Bote nicht zur rechten Zeit einträfe. Herr und Frau lagen auf den Knieen, die Kinder winselnd in einem Winkel.“

Sonntag, 25. März 2012

Sonntag &

poorly translated

So arbeiten wir uns also langsam an die zurückliegende Woche heran. Aber zuvor wenigstens der kurze Bericht vom heutigen Sonntagsessen. Meine Frau Mutter mag inzwischen nichts Hartes mehr, selbst zu widerspenstige Tomaten werden bekrittelt. Das gäbe Kurz-Gebratenem eigentlich keine Chance, es sei denn man separiert.


Was geschah? Meine Frau Mutter kreierte ihr eigenes Gericht, ziemliches fettes Bauchfleisch, und sie hat sich über die Jahrzehnte eine Methode zurechtgelegt, wie derartiges trotz Bratens weich bleiben soll (sie hat mich am Ende immerhin gefragt, ob man es nicht in Kohl tun könne). Ich habe die Erinnerung daran abgeschüttelt. Wie auch immer, ich meinte nur, ihr seid irgendwie ein anderer Stamm, und darauf erzählte sie, wie sie die herunterhängenden Unterarme ihrer Großmutter immer bewundert hätte. Grusel.


Zum Rest: Kurzgebraten (und anschließend im Ofen in Aluminiumfolie nachgegart) wurden ein Rumpsteak und 2 Schweineschnitzel, wenn auch nicht aufgegessen natürlich. Dazu gab es Pellkartoffeln. Diese Frühkartoffeln haben wenig Eigengeschmack, aber so sind sie genießbar. Dazu eine Sauce Béarnaise (aus der Tüte), etwas verfeinert, fein gehackte Kapern, Petersilie und Senf mit Sahne. Dazu Bohnen mit zerlassener Butter. Ach so, zwei Arten Gurkensalat, aber davon habe ich nicht gegessen, die Gurken waren aus Griechenland und schmeckten irgendwie zu alt (beim Zubereiten entdeckt), ich wollte mir den netten Gesamteindruck nicht zerstören. Es wurde dann überraschend sonnig, so daß man erneut draußen essen konnte.


So maybe we’ll try to dedicate the past week some memory, we’ll see. But at least before, a brief report from today's Sunday dinner. My mother dislikes all hard stuff meanwhile, even tomatoes with a too hard shell, in her eyes. That would give short-fried food really no chance, unless we separate something.

What happened? Well my mother created her own dish, pork belly. Over the decades she invented a method it should remain soft with, even roasted (well later she asked me if we still could put it into cooked cabbage). I've shaken off the memory of it. Anyway, I told her I fear you are from another tribe, and afterwards she agreed somehow telling me how she as a little girl always admired the “hanging down forearms” of her grandmother. Scary.


To the rest: Short fried (and then cooked a bit in the oven wrapped with aluminum foil) were a rump steak and two pork chops, not eaten off at the moment, of course. In addition there were potatoes in the skin. These early potatoes have little flavor, but this way they are edible. A sauce béarnaise (canned), somewhat refined with finely chopped capers & parsley and mustard with cream. Beans with melted butter, oh and two types of cucumber salad, but I haven’t eaten them, the cucumbers were from Greece and tasted kind of old (discovered during preparation), and I didn’t want to destroy a nice impression. It was surprisingly sunny, so we could eat outdoors on the terrace again.


Mittwoch, 21. März 2012

God save this queen


HM the Queen and HRH the Duke of Edinburgh arrive at Westminster Hall
Parliamentary copyright/Chris Moyse

Eine sumerische Tontafel, die heute in Oxford aufbewahrt wird, erzählt, wie lange vor der "Großen Flut" bereits das Königtum vom Himmel zu den Städten der Menschen herabgestiegen war.

Die britische Königin Elisabeth II. hat am 20. März in Westminster Hall eine Rede anläßlich ihres Diamantenen Thronjubiläums gehalten. Die Worte mögen unauffällig oder unpolitisch erscheinen, zumindest sind sie so beurteilt worden, aber gleichzeitig wurde auch von der Wirkung berichtet, die sie dennoch hinterlassen hätten. Merkwürdig.

„Wir werden hier an unsere Vergangenheit erinnert, an die Kontinuität unserer nationalen Geschichte und die Tugenden der Belastbarkeit, Erfindungsgabe und Toleranz, die sie erschaffen haben. Ich hatte das Privileg, einen Teil dieser Geschichte zu erleben, und mit der Unterstützung meiner Familie werde ich mich weiter dem Dienst an unserem großen Land widmen und seiner Menschen, jetzt und in den Jahren, die kommen sollen.“



Die Präsenz war kaum zu leugnen, die so selbstverständliche Würde, die verinnerlichte Pflichterfüllung, ja selbst der feine, schwer greifbare, aber doch unüberhörbare Humor.

Wo doch, ich erinnere mich, es ging um Friedrich II. von Preußen, jemand einmal eigentlich zurecht einwand, Könige dürften nicht ironisch sein, aber das ist wohl noch eine andere Geschichte.

Wenn das Königtum, wie hier, in seinen letzten Ausläufern spürbar wird, ragt etwas lange Zurückliegendes in diese verworrene Zeit, ein Bote, ein Zeuge einer älteren Wirklichkeit (solange es noch nicht endgültig zur Staffage verkam).

Es ist sehr schwer, den Kern des Monarchischen zu beschreiben, weil eben dieser ins Dunkel des Geheimnisses gehüllt bleibt, aus dem es seine Magie bezieht.

Wie man dem sumerischen Mythos entnehmen kann, gab es ursprünglich den Glauben, daß es zwischen der ewigen und der geschaffenen Welt einen Mittler, eine Brücke geben müsse, jemanden, der an eine verborgene Ordnung hinter den Dingen mahnt, die sichtbar sind, wo etwas über das hinaus geschieht, was Priester leisten können.

Nun ist zwar Königin Elisabeth auch Oberhaupt der Kirche von England und, wie man erzählt bekommt, persönlich eine sehr fromme Frau. Aber wir leben doch in einer Art Zwischenzeit, im Nebel gewissermaßen, und es ist noch nicht recht sicher, ob in dieser Zwischenzeit, wo die Konturen verwischen, die Formen zerfließen, alles Feste und Bekannte zu verschwinden scheint, etwas im Unbestimmbaren endgültig verändert und entstellt wurde, oder wir, nachdem sich das Wetter gebessert hat, an einem klaren sonnigen Vormittag die vertraute Welt, vielleicht leicht lädiert, wiedererkennen dürfen.

Bis dahin aber, solange es auch andauern mag, können wir nur auf das schauen, was quer zu einer Zeit steht, die nichts für unverfügbar hält und jegliches für voraussetzungslos, wo jeder meint, alles seinen Wünschen und Launen unterwerfen zu dürfen, wenn er sich denn im allgemeinen Gedrängel und Gewimmel um Macht, Vorteil und Aufmerksamkeit nach vorn kämpfen kann, wo Respekt für Schwäche und Glaube für infantil gehalten wird.

Daher sind solche Ereignisse tröstlich, wo die jahrtausendealte Erzählung von Glauben, Geist, Würde und Anmut noch einmal Gestalt gewinnen konnte und der König das Land ist. Dabei waren es sicher auch früher rare Momente, an denen diese Erzählung auflebte; die menschliche Natur ist auf Erden nun einmal ein Kampfplatz, auf dem das Licht und das mörderische Dunkel ihre Kräfte gegeneinander richten...

Warum heute diese metaphorische Rede. Nun, man kann annehmen, daß die banale Ansammlung der Sachen um einen herum die Wirklichkeit beschreibt, oder daß dies eine Abirrung wäre und die Wirklichkeit ein weites Land.

Her Majesty the Queen replies to the addresses
Parliamentary copyright/Chris Moyse

beendet am 24. März

Dienstag, 20. März 2012

Über die Reinheit


Johann Sebastian Bach, MAGNIFICAT

… von Knabenstimmen zu sprechen, ist schwierig, man begibt sich dabei leicht in die Gefahr einer unangebrachten Sprache. Also lassen wir besser die Videos reden. Am 20. März 1212 bestätigte Kaiser Otto IV. die Gründung des Kloster St. Thomas zu Leipzig. Ihm war eine Klosterschule angeschlossen, und die dort aufgenommenen Knaben wurden verpflichtet, sich mit Gesang u.a. am Gottesdienst zu beteiligen. Daher zählt man von diesem Datum her auch den Anfang des Thomanerchores, der demnach nunmehr seit 800 Jahren besteht. Es hat etwas zutiefst Tröstliches, wenn Institutionen solcher Art im Wandel der Zeiten über so viele Jahrhunderte hinweg bestehen.


"Denn alles Fleisch, es ist wie Gras"
aus Ein Deutsches Requiem von Johannes Brahms
Eigentlichen Ruhm gewann er, wie hinreichend bekannt, erst durch und nach Johann Sebastian Bach. Ich hatte bei den Nachrichten vom Festakt aus diesem Anlaß ein paar Schnipsel der Rede des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung aufgefangen, die mich neugierig gemacht hatten. Aber leider hielt die Stadt Leipzig es offenkundig nicht für erforderlich, sie im Ganzen zugänglich zu machen. Also bleiben nur die Musikvideos.


So interessant übrigens dieser britische Beitrag von 1938 ist, da hat sich jemand entweder schlicht verzählt oder war des Deutschen nicht recht mächtig, nun ja die Briten; es war wohl eher das 725. Jubiläum.

Ach, und auf diesen netten Artikel aus der FAZ wollte ich noch verweisen, im Grunde nur des fast schon anspruchsvollen letzten Satzes wegen, der auch sprachlich so schön zu dieser Zeit paßt:
„Aber seltsamerweise reagiert man in der Kulturnation Deutschland immer dann, wenn es um Kunst und speziell um die Musik geht, auf alles, was nach Arbeit, Disziplin und Ehrgeiz riecht, höchst allergisch. Nur im Sport legt man ganz andere Maßstäbe an.“


''Ich steh' an deiner Krippen hier''
''Auf Tochter Zion, schmücke dich''

Sonntag, 18. März 2012

Sonntag &

poorly translated

Es gibt Gründen dafür, daß ich es vorziehe, selbst an den Sonntagen zu kochen, aus anderen tut dies hin und wieder meine Frau Mutter. Heute war wieder so ein Tag, übrigens der erste diesen Jahres, an dem wir wieder draußen auf der Terrasse aßen.

Folglich enthalte ich mich jeden Kommentars und beschreibe nur kurz den Vorgang: Es war eines ihrer wenigen heißgeliebten Rezepte: Rouladen, neuerdings mag sie keine Rinderrouladen mehr (zu zäh) und auch keine Gurken als Füllung (zu labbrig). Also gab es als Kompromiß je 2 Schweine- und Rinderrouladen mit (fast) identischer Füllung (Speck, Zwiebeln, Gurken), dazu Blumenkohl.

Damit es nicht so ausschließlich häuslich bleibt. Jemand, den ich leider nur oberflächlich kenne, verwies mich auf dieses Bild. Eine perfekte optische Täuschung, die uns wieder einmal daran erinnert, wie wenig wir dem vertrauen sollten, was uns als Realität entgegentritt. Ich antwortete, ich hätte genauer auf die Details geschaut und dann wäre die Täuschung aufgeflogen, und so sei es wohl auch mir der Wirklichkeit, aber das ist natürlich zu simpel, aber man sehe selbst.

There are reasons I prefer to cook on Sundays, for others my mother does it here and then. Today was one of those days, incidentally, the first of this year, when we ate outside on the terrace again.

Consequently, I abstain from comments and briefly describe the process: It was one of her few beloved recipes: roulades, and since she doesn’t like beef rolls anymore (too tough) and cucumbers as a stuffing as well (too wishy-washy). So there was a compromise with 2 pork and 2 beef roulades, each with (almost) identical filling (bacon, onions, cucumbers), and cauliflower.

Thus, just to not let it end so exclusively domestic: Someone I unfortunately know only superficially directed me to this picture. A perfect optical illusion, reminding us once again of how much we shouldn’t trust what confronts us as reality. I replied that I had looked closer at the details and then the illusion busted, and so it would be probably with reality; but of course that’s too simple, but you see yourself.

Samstag, 17. März 2012

Mark Aurel und François de La Rochefoucauld

Nachfolgend nichts Ernstes, nur ein fiktives Gespräch zwischen einem Kaiser und einem Herzog, die zufällig beide am gleichen Tage gestorben sind (nur eben ein und ein halbes Jahrtausend exakt getrennt).

Mark Aurel: „Es steht dir ja frei, zu jeglicher Stunde dich in dich selbst zurückzuziehn, und nirgends finden wir eine so friedliche und ungestörte Zuflucht als in der eignen Seele, sobald wir nur etwas von dem in uns tragen, was wir nur anzuschauen brauchen, um uns in eine vollkommen ruhige und glückliche Stimmung versetzt zu sehn.“

„Einfach und klar und bestimmt aber seien jene Ideen, die aus deiner Seele so manches hinweg spülen, wenn du sie dir vergegenwärtigst, und dir eine Zuflucht schaffen sollen, aus der du nicht übel launisch zurückkehrst.“

„In der Tat also gilt es sich zurückzuziehen auf eben diesen kleinen Raum, der unser ist, und hier sich weder zerstreuen, noch einspannen zu lassen, sondern sich frei zu bewegen und die Dinge anzusehen wie ein Mensch, wie ein Glied der Gesellschaft, wie ein sterbliches Wesen. Unter allen Wahrheiten aber, die dir am geläufigsten sind, müssen jedenfalls die beiden sein: die eine: daß Außendinge die Seele nicht berühren dürfen, sondern wirklich Außendinge sein und bleiben müssen. Denn Widerwärtigkeiten gibt es nur für den, der sie dafür hält. Die andere: daß alles, was du siehst, sich bald verwandeln und nicht mehr sein werde, wie du selbst schon eine Menge Wandlungen durchgemacht hast. Mit einem Wort: die Welt ist ein ewiger Wechsel, das Leben ein Wahn!“

de La Rochefoucauld: „Der Mensch glaubt oft, sich selbst zu führen, wenn er geführt wird, und während er mit seinem Verstand nach dem einen Ziel strebt, zieht ihn sein Herz unbemerkt zu einem anderen.“

„Das Glück liegt in der eigenen Bewertung, nicht in der Sache selbst, und der Besitz dessen, was man selbst liebt, nicht dessen, was andere lieben, macht glücklich.“

„Man ist nie so glücklich oder unglücklich, wie man sich einbildet.“

Mark Aurel: "Was für ein lächerlicher Fremdling auf Erden ist der, der über irgendein Ereignis in seinem Leben erstaunt."

de La Rochefoucauld: „Eine der Ursachen, weshalb man so wenig Leute findet, die im Gespräch vernünftig und angenehm sind, ist, daß fast jeder lieber an das denkt, was er sagen will, als auf das genau zu antworten, was man ihm sagt.“

„Sie sollten bedenken, daß es ein schlechtes Mittel ist, anderen zu gefallen oder sie zu gewinnen, wenn man sich selbst so eifrig zu gefallen sucht, und daß die Kunst, gut zuzuhören und gut zu antworten, die allerhöchste ist, die man im Gespräch zeigen kann.“

„Es ist eine große Narrheit, allein weise sein zu wollen.“

Mark Aurel: „Die Vernunft und die Lebenskunst sind Kräfte, die sich selbst genügen und die keinen andern Richter über ihre Äußerungen haben als sich selbst. Sie haben ihr Prinzip und ihre Ziele in sich und richtig heißen ihre Handlungen, weil durch sie der rechte Weg offenbar wird.“

„Blicke in dein Inneres! Dort ist eine Quelle des Guten, die nie aufhört zu sprudeln, wenn du nur nicht aufhörst nachzugraben.“

"Übe dich auch in den Dingen, an denen du verzweifelst."

de La Rochefoucauld: „Wir haben nicht Kraft genug, um unserer Vernunft ganz zu folgen.“

„Das Glück korrigiert mehr Fehler an uns, als die Vernunft korrigieren kann.“

„Die Torheit verfolgt uns in allen Perioden des Lebens. Wenn jemand weise scheint, liegt es daran, daß seine Torheiten seinem Alter und seiner Lebenslage angemessen sind.“

„Alte Leute geben gern gute Lehren, um sich darüber zu trösten, daß sie nicht mehr imstande sind, böse Beispiele zu geben.“

Mark Aurel: „Du darfst nicht unwillig werden, den Mut nicht sinken lassen oder gar verzweifeln, wenn es dir nicht vollständig gelingt, immer nach richtigen Grundsätzen zu handeln. Bis du von deiner Höhe heruntergefallen, erhebe dich wieder, sei zufrieden, wenn nur wenigstens das meiste an dir nach wahrer Menschennatur ist, und und behalte das lieb, was dir von neuem gelang.“

„Das Wesen und die Bedeutung der Verhältnisse dieses Lebens sind üblicherweise in ein solches Dunkel gehüllt, daß sie nicht wenig Philosophen und nicht bloß den gewöhnlichen als völlig unbegreiflich erscheinen.“

„Und dann sind auch unsere Ansichten so höchst veränderlich. Denn wo ist ein Mensch, der sich niemals in seinen Urteilen geändert hat?“

„Was nun bei solchem Dunkel und solcher Widerlichkeit der Zustände und dem so raschen Verlauf der Dinge und der Zeit, der Bewegung und des Bewegten wohl der Hochschätzung oder des Strebens überhaupt noch wert sein könnte, vermag ich nicht zu begreifen. Im Gegenteil ist es ja der einzige Trost, die natürliche Auflösung geduldig zu erwarten und über ihren Verzug sich nicht zu beklagen, sondern mit folgendem allein sich zu beruhigen: Dir kann nichts begegnen, was nicht der Natur des Ganzen gemäß wäre, und dann, von dir selbst hängt es ab, alles zu unterlassen, was der Stimme deines Genius in dir zuwider ist; denn niemand kann dich zwingen, ihm zuwider zu handeln.“

de La Rochefoucauld: „Das Schicksal läßt unsere Tugenden und Laster in Erscheinung treten, wie das Licht die Gegenstände erhellt.“

„Vollendete Tapferkeit besteht darin, ohne Zeugen zu tun, was man vor aller Welt tun möchte.“

„Wer sich zuviel mit Kleinem abgibt, wird gewöhnlich unfähig zu Großem.“

Mark Aurel: „Oft habe ich mich darüber gewundert, wie derselbe Mensch, der sich doch mehr liebt als alle anderen, dennoch seinem eigenen Urteile über sich geringeren Wert beilegt als dem Urteile anderer.“

de La Rochefoucauld: „Daß wir so gern neue Bekanntschaften schließen, liegt nicht so sehr am Überdruß an den alten oder an der Freude am Wechsel, sondern es mißfällt uns, von denen, die uns zu gut kennen, nicht genügend bewundert zu werden, und wir hoffen, von denen, die uns nicht so gut kennen, mehr bewundert zu werden.“

Mark Aurel: „Wie ihr Inneres beschaffen ist, welche Interessen sie verfolgen, und die Beweggründe ihrer Zuneigung und Wertschätzung, das suche zu erforschen, mit einem Wort, suche ihre Seele ohne alle Hülle zu erkennen. Wer glaubt, durch Tadel zu schaden oder durch Lob zu nützen, welch ein Wahn!“
beendet am 18. März

Mittwoch, 14. März 2012

Samuel Rogers

"Oh could my Mind, unfolded in my page,
Enlighten climes and mould a future age;
There as it glow'd, with noblest frenzy fraught,
Dispense the treasures of exalted thought;
To Virtue wake the pulses of the heart,
And bid the tear of emulation start!
Oh could it still, thro' each succeeding year,
My life, my manners, and my name endear;
And, when the poet sleeps in silent dust,
Still hold communion with the wise and just!--
Yet should this Verse, my leisure's best resource,
When thro' the world it steals its secret course,
Revive but once a generous wish supprest,
Chase but a sigh, or charm a care to rest;
In one good deed a fleeting hour employ,
Or flush one faded cheek with honest joy;
Blest were my lines, tho' limited their sphere,
Tho' short their date, as his who trac'd them here."

"O könnte meine Seele, die in meinen Versen entfaltet ist, ganze Länder aufklären, und ein künftiges Jahrhundert bilden; könnte sie, wie sie erglüht, von den edelsten Leidenschaften begeistert, die Schätze erhabener Gedanken vertheilen; die Pulse des Herzens zur Tugend erwecken, und der Thräne des Wetteiferns befehlen hervorzubrechen! O könnte sie immer, jedes folgende Jahr hindurch, mein Leben, meine Sitten, und meinen Namen theurer machen; und wenn der Dichter im schweigenden Staube schläft, immer noch verkehren mit den Weisen und Guten! - Doch sollten diese Verse, meiner Muße beste Erholung, wenn sie durch die Welt ihren einsamen Weg schleichen, auch nur einmal einen unterdrückten edlen Wunsch wieder erwecken, nur einen Seufzer vebannen, oder eine Sorge beschwichtigen; zu einer guten That eine fliehende Stunde anwenden, oder mit ehrenvoller Freude eine blasse Wange befeuern; so würden meine Zeilen gesegnet seyn, wenn gleich beschränkt ihre Sphäre, wenn gleich kurz ihre Dauer wäre, wie die Dauer dessen, der sie hier sie hier entwarf.“

Obige Rohübersetzung ist gestohlen, allerdings sind die Leidtragenden auch seit deutlich mehr als hundert Jahren dahingeschieden. Es ist der Anfang eines längeren Gedichtes von Samuel Rogers (ein dichtender Banker, ja das gab es einmal, aber es waren auch andere, kultiviertere Zeiten).

Samuel Rogers ist im Deutschen so bekannt, daß es dort nicht einmal einen Wikipedia-Artikel über ihn gibt, dabei war er vor Zeiten sehr berühmt, nun, vor 200 Jahre und in Großbritannien. Ich hatte bis letzter Nacht keinen Schimmer, wer das wäre, aber ein junger Freund aus Cambridge, der eben ein Exemplar dieses Werkes von 1812 (glaube ich) zu reparieren versuchte, schickte mir da den Anfang (auf Englisch natürlich, als ob ich davon irgend einen Schimmer hätte; ich weiß, wie abwegig das klingt, aber er ist mir über die Zeit sehr ans Herz gewachsen, zum Glück verfolgt er das hier nicht.)

Übrigens lese ich ihn immer noch, aber die Zeit pressiert gerade, aus lebenspraktischen Gründen. Und da ich unbedingt wieder ein kleiner tapferer Blogger werden will, hoffe, ich kann die Sache morgen vervollständigen...

Dienstag, 13. März 2012

Brideshead Revisited

Lawrence Alma-Tadema,
Sappho and Alcaeus, 1881

Dies hat ein wenig von einem Insider Joke, aber tatsächlich habe ich mich zu einem neuen Beitrag zu "Brideshead" aufraffen können. Es geht um Charles und inwieweit Schönheit eine oberflächliche Sache sei u.a.

Sonntag, 11. März 2012

Sonntag &

poorly translated
Die Gedanken sind gegenwärtig etwas widerspenstig und wollen sich nicht recht in zusammenhängende Texte fügen lassen, nun gut, wir werden sie etwas sedieren, dann werden sie ihren Widerstand schon noch aufgeben. "Varietas delectat", wußte schon ein mir unbekannter alter Römer. Lachs anders also, und was da auf dem ersten Bild sich nur verschwommen aus den Umrissen herausschält, ist in der Tat ein Lachs im Blätterteigmantel.
Folglich wurde das Stück Lachs eingepackt, nachdem es mit Pfeffer und Salz behandelt worden war, mit dem Saft einer ganzen Zitrone beträufelt, und ein Dach aus Dill erhalten hatte. Das Paket wurde mir Eigelb bestrichen und kam eine knappe Stunde in den Ofen (das war zu lang, das Rezept irrt hier, wie man unter anderem an der etwas dunklen Oberfläche sehen kann).
Dazu eine Remoulade aus zu gleichen Teilen Mayonnaise, Joghurt, saurer Sahne, ebenfalls Dill, klein gehackten Schalotten (und etwas Knoblauch), Salz, Zucker, Zitronensaft. Dazu Bohnen, das war's. Durchaus angenehm.
Thoughts are currently a little stubborn and don’t want to quite fit into a coherent text; well, we will sedate them a bit, then all will appear fine. "Varietas delectat" an ancient Roman once said I hadn’t the pleasure to meet. So a different salmon today, and what we only can guess from the first blurry picture, it is in fact a salmon in puff pastry.

Therefore the piece of salmon was wrapped after it had been treated with salt and pepper, drizzled with the juice of one whole lemon, and had received a roof of dill. On the surface of the package some egg yolk was spreaded and it came in the oven for nearly an hour (that was too long, the recipe is wrong here, as you can see, at least from the little too dark surface).

Added a remoulade made from equal parts mayonnaise, yogurt, sour cream, dill also, finely chopped shallots (and garlic), salt, sugar, lemon juice. And beans. That's it. Quite pleasant.

Dienstag, 6. März 2012

Peter von Cornelius

Peter von Cornelius, etwa 1850

Soweit man Thomas Mann glauben darf, hätte Goethe auf Bilder dieses Malers am liebsten mit der Pistole geschossen. Dabei hat er selbst dessen Faust zu illustrieren versucht, und nicht einmal übel. Im letzten Jahr habe ich das ein wenig näher ausgeführt.

Peter von Cornelius, Faust bietet Gretchen den Arm, 1811

Es ist schwierig, etwas anzumerken, wenn man die Motive von jemandem ungemein schätzt, aber das Ergebnis, nun ja, wenn die Exaltationen nur nicht gelegentlich so pedantisch daherkämen. Peter von Cornelius ist am 6. März 1867 gestorben, und nachdem ich hin und her überlegt habe, schiebe ich meine eigenen Gedanken einfach beiseite und zitiere aus der ADB von 1876 (den ganzen, ziemlich langen Artikel findet man hier, eine neuere, und kürzere Biographie hier).

„Die Nothwendigkeit, sich so früh sein Brod zu verdienen, machte ihn, wie man sieht, bald gewandt sich mit einer gewissen Sicherheit auszusprechen, ein Ganzes hervorzubringen. Sie fügte ihm aber auch den nie mehr gutzumachenden Nachtheil zu, daß er keine ordentliche Schule durchmachen, die Natur, die Gesetze ihrer Erscheinung durch ein gründliches Studium kennen lernen, oder vollends sich bei geübten Lehrern eine gesunde Technik, jene herrliche Erbschaft, welche Mengs hinterlassen, aneignen konnte. Er ward vielmehr daran gewöhnt, alles aus seiner reichen, aber fast nur durch andere Kunstwerke genährten Phantasie zu holen, und die Natur nur im Fluge zu beobachten, zu belauschen, selten aber direct nachzuahmen. Die Armuth drängte ihm die conventionelle Form in der Kunst eben so mit Gewalt auf, als die Abneigung vor einer Gegenwart, deren Druck beständig so hart auf ihm lastete. War doch der Anblick der Fremdherrschaft in den Rheinlanden, des unaufhörlichen Schicksalswechsels, die sie herbeiführte, der grenzenlose Uebermuth der Franzosen ganz dazu angethan jenen Ernst, die großartige Betrachtung des menschlichen Lebens bei dem jungen Manne wachzurufen, die wir überall wahrnehmen, vor allem aber auch jene tiefe Abneigung gegen alles Fremde und besonders Fränkische, die Tendenz zum Zurückgreifen auf das specifisch Deutsche in der Kunst hervorzubringen. Voll Schwärmerei und Ueberschwänglichkeit treten uns doch die starke Vaterlandsliebe, der glühende Franzosenhaß und das feste Bewußtsein des eigenen hohen Berufes, das große Wollen sofort aus seinen Briefen ... entgegen.“

Peter von Cornelius, Joseph gibt sich seinen Brüdern zu erkennen

Seine oft trockene Herbheit ist noch am ehesten erträglich bei einem Bild wie diesem Fresko, gemalt 1816/17 für den preußischen Generalkonsul in Rom. Harmonische Farbgebung, interessante Gruppierung der fast schon überspannt agierenden Personen, die von einem Architekturrahmen umfaßt werden, der die gedrängte Handlung ins Weite öffnet.

Die ADB sieht dies euphorischer und hier „... die classische Form mit einer so durch und durch deutschen Art des Empfindens [erfüllt], daß sie ebenso wol als echt nationale Kunstwerke bezeichnet werden können, wie es Hermann und Dorothea oder Iphigenie sind. Tritt an ihnen vor allem jenes Bestreben nach scharfer Charakteristik der Gestalten, welches durch alle deutsche Kunst geht, hervor, so berührt um so angenehmer seine innige Vereinigung mit dem herrlichen rythmischen Fluß der Linie, dem reinen und großen Stilgefühl, die der Meister den Cinquecentisten verdankt. – Ferner der tiefe, männliche Ernst, die schöne Wärme besonders in dem das Wiedersehen gebenden Bilde bei Abwesenheit alles leeren Pathos in diesen noch die ganze keusche Gluth und Begeisterung der Jugend zeigenden Erfindungen. – Selbst das Colorit ist unter dem glücklichen Einfluß der classischen Umgebung weit entfernt jene Härte, Kälte und Buntheit zu zeigen, welche den späteren Fresken des Meisters oft so weh thun, es ist vielmehr so bescheiden, harmonisch und ernst, daß man das Ganze als eine Leistung bezeichnen darf, die selbst in der Nachbarschaft von Rafael und Michel Angelo bestehen bleibt. Nicht minder stark ist das Hervortreten einer künstlerischen Eigenschaft, die dem Meister überhaupt in ungewöhnlichem Grade innewohnt, der Deutlichkeit und Verständlichkeit dessen, was er uns zeigen oder erzählen will.“

Wie schon früher erwähnt, waren es seine Prophetengestalten in der Kuppel von St. Nikolai zu Potsdam, die mich auf diesen Maler aufmerksam gemacht hatten. Und diese sind nicht nur fest in meinem inneren Bildersaal verankert, das ist in meinen Augen einfach gültige Kunst (anstelle eines nicht auffindbaren frei verfügbaren Bildes, nur dieser Link zu diesem beeindruckenden Photo).
nachgetragen am 9. 3.

Sonntag, 4. März 2012

Sonntag &

poorly translated

*Harrumph! Da gab es offenkundig eine kleine Schreibblockade, die hoffentlich soeben dahinschmilzt, und ich mag gar nicht hinschauen, was alles unerledigt geblieben ist (wenigstens ein kleiner Nachtrag zu Sparta). Aber um zumindest einen Eckpfeiler dieses Blogs zu behaupten. Das Sonntagsessen: Gut, die Kalbsschnitzel waren sichtlich eher angebrannt, aber das Fleisch war sowieso zäh (klassischer Fehlkauf). Ansonsten: Brokkoli und Blumenkohl zeigten sich erfreulich, und die Putenschnitzel auch (auf einem Bett von Zwiebeln, Boskoop-Äpfeln, Thymian und Oregano geschmort). Auf der Terrasse frieren gerade die frisch geplanzten Stiefmütterchen, vielleicht morgen ein paar Bilder davon.


* Harrumph! Since there was obviously a bit of a writer's block, which will hopefully melt away right now, and I’m not eager at all to look at what’s left undone (at least I wrote a little piece about this terrible Sparta), but to defend a cornerstone of this poor little blog: The Sunday Dinner: Well, it’s clear to see the veal cutlets were more or less burnt, but the meat was “tough” anyway (classic bad buy). Otherwise: broccoli and cauliflower came out great, and even the turkey cutlets (braised on a bed of onions, Boskoop apples, thyme and oregano). On the terrace the fresh planted pansies are freezing tonight, maybe some pictures tomorrow.