Sonntag, 30. November 2008

Sonntag








„Die Leute sagen manchmal, Schönheit sei oberflächlich. Das mag sein. Aber zumindest ist sie nicht so oberflächlich wie das Denken.“

Oscar Wilde, der dieses schrieb, starb heute vor 108 Jahren.

Und Andrea Palladio wurde exakt vor 500 Jahren geboren, das wäre natürlich jederzeit für sich bemerkenswürdig, noch ums so mehr, als er hier in den letzten Tagen mehrfach als Gewährsmann herhalten mußte.

Samstag, 29. November 2008

Über noch weitere Erinnerungen







In der Nähe der Anfänge der Oper, diesem Juwel unseres Abendlandes sein zu dürfen, ist das nicht genau das: Nach Hause zu kommen. Monteverdi starb am 29. November 1643 in Venedig.

Ich habe noch einmal über meine Bemerkungen von gestern nachgedacht und hoffe, dieser Mensch weiß, wovon er spricht, wenn er sich leichthin in die Nachfolge Palladios stellt. Es dürfte in der Tat wenige Berufszweige geben, denen es so umwerfend gelungen ist, das Angesicht dieser Erde zu beschädigen, wie den zeitgenössischen Architekten.

Freitag, 28. November 2008

Erinnerung und Restauration


Haus Doorn, gefunden hier

Wie bereits früher vermerkt, hat Kaiser Wilhelm II. exakt an diesem Tag vor 90 Jahren offiziell abgedankt. Um sich heute einmal die gewünschten Abmilderungen zu ersparen, seitdem ging es eigentlich nur noch kontinuierlich bergab.

Nicolaus Sombart hat ein sehr luzides Buch über Wilhelm II. verfaßt und über die Eintrübung des Urteils von einem dessen Kritiker bemerkt, warum sein Urteil so verzerrt wäre: „Der Grund dafür? Er liebt den Kaiser nicht.“ Und über einen anderen, gewöhnlich für bedeutend gehaltenen Publizisten schreibt er: „Ein solches Urteil, dessen Gehässigkeit erschreckt, hat sich Augstein nicht aus der Nase gezogen. Er hat es aus den Geschichtsbüchern.“

Wir müssen gestehen, all diese Bemerkungen stammen aus der Einleitung des erwähnten Buches, wie auch diese: „In der unbeschreiblichen Dramatik ihrer Geschichtswebung hat es Klio gefallen – in einem großen Menschenschicksal den Deutschen ihr zeitliches Wesen, ihre Selbstentfremdung, ihren Abgott und ihren Sturz zu verknüpfen.“ Nur daß er seinerseits damit Walther Rathenau zitiert hat.

Ob nun kurios das passende Attribut ist, vermutlich nicht, aber am selben heutigen Tag wurde der Siegerentwurf für den Nachbau des Berliner Schlosses bekannt gemacht. So sehr man dem Verlorenen nachhängt, manchmal wird dieses gerade durch mißgeleitete Belebungsversuche endgültig ruiniert. Wir schwanken. Als wir eine Abbildung des Siegerentwurfs sahen, meinten wir, genau das wäre der Fall. Dann aber lasen wir, das alles wäre aus dem Geist Palladios geschehen. Wollen wir noch einmal hoffen, daß eine kühn gewählte Begründung von der Wirklichkeit gerechtfertigt wird.

Donnerstag, 27. November 2008

Radetzkymarsch



Es ist eigentümlich, wie ich in den letzten Tagen an gänzlich unterschiedlichen Orten von Joseph Roth und seinem „Radetzkymarsch“ verfolgt wurde, und ich mag jetzt nicht nach irgendwelchen biographischen Anlässen o. ä. weiter suchen, gerade eben wurde dieses noch abgewechselt vom „Herrn der Ringe“, dieser im Innersten verzweifelten Sehnsucht nach dem „guten König“, aber zurück zu Joseph Roth.

Es gibt wenige Romane, die das Potential haben, einem das Herz zu brechen, wie der soeben genannte Roman, man muß das nicht zulassen, aber sie könnten es. Es gibt ein anderes Buch namens „Die Kapuzinergruft“ von ihm:

„Die Kapuzinergruft, wo meine Kaiser liegen, begraben in steinernen Särgen, war geschlossen. Der Bruder Kapuziner kam mir entgegen und fragte: ‚Was wünschen Sie?‘
„Ich will den Sarg meines Kaisers Franz Joseph besuchen‘ – erwiderte ich.
‚Gott segne Sie!‘ sagte der Bruder, und er schlug das Kreuz über mich.
‚Gott erhalte!‘ rief ich.
‚Pst!‘ sagte der Bruder.
Wohin soll ich, ich jetzt, ein Trotta? …‘“.

zitiert aus:
Joseph Roth, Die Kapuzinergruft, Berlin 1984, Verlag der Nation

Mittwoch, 26. November 2008

Jeglicher Hahn vermeint, er lege die besten Eier.

Ich kann mich zwar nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern („Schwulst“ und in den Augen des Autors Verächtlicheres kamen mit Sicherheit vor), aber umso deutlicher an die Wirkung.

Ich war vermutlich ein Kind von 14 – 15 Jahren und fand in einem Lexikon eine mit sehr spitzen Fingern geschriebene Bewertung der barocken Dichtung (vermutlich liegt das „Buch“ noch irgendwo auf dem Dachboden, aber ich bin zu faul um nachzusehen), exakt ging es um Hofmannswaldau, und meine Reaktion war: Das werde ich lieben. Ich kannte kein Stück:


VERGÄNGLICHKEIT DER SCHÖNHEIT

Christian Hofmann von Hofmannswaldau



Es wird der bleiche Tod mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit um deine Brüste streichen,
Der liebliche Korall der Lippen wird verbleichen;
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand,

Der Augen süßer Blitz, die Kräfte deiner Hand,
Für welchen solches fällt, die werden zeitlich weichen.
Das Haar, das itzund kann des Goldes Glanz erreichen,
Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.

Der wohlgesetzte Fuß, die lieblichen Gebärden,
Die werden teils zu Staub, teils nichts und nichtig werden,
Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht.

Dies und noch mehr als dies muß endlich untergehen.
Dein Herze kann allein zu aller Zeit bestehen,
Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht.


TRANSITORY BEAUTY

trans. Michael Haldane



Pale Death, with his cold scythe-like swaying hand
will stroke your breasts with bony-knuckled time;
your coral-red delicious lips will rime,
your shoulders' clement snow shall run cool sand.

Your eyes' sweet lightning-flashes, your hands' strength -
these conquerors shall yield to Time's taut grip;
the years and days shall finally unslip
your hair from its bright gold attaining length.

Your well-appointed foot, your charming ways,
Will part be dust, and nil and nought in part:
No more prostration at your splendour's shrine.

All this, and more, must end in dead decays;
Nothing can last forever, but your heart -
Created in the deepest diamond mine.


Warum gerade jetzt Hofmannswaldau, nun Dr. Haldane war so freundlich, mir heute zu erlauben, seine Übersetzungen plündern zu dürfen, wovon ich in diesem Fall nur zu gern Gebrauch mache.

Und zu der Überschrift: Arno Holz hat ein wunderbares Büchlein namens „Des berühhmbten Schäffers Dafnis …“ geschrieben, in dem dieser Dafnis sich selbst beschreibt mit den Worten: „Dafnis / der Verfärtiger gegenwärtiger Boesie. Ich habe sie mit so großer Lust gesezzt / daß ich nicht förchte / sie werde mit meinen Hahren verschimmeln. Da ich weder ein gebohrner Schlesier / noch auß Meißßen bün / habe ich in ihrer Orthographia nichts substituirt / alß meinen natürlichen Verstand. Suum cuique Pulchrum; zu Teutsch / jeglicher Hahn vermeynt / er lege die bäste Eyer.“

Dienstag, 25. November 2008

militaria



Schlacht von Montgisard gefunden hier

Wo ich gerade lese, daß Gerhard Tersteegen am 25. November 1697 geboren wurde, heute überwiegend wohl nur noch bekannt als Verfasser geistlicher Lieder, stieß ich darauf, daß auch „Ich bete an die Macht der Liebe“ von ihm herstammt - der Text findet sich hier - ob dieser zu den bedeutenderen religiösen Dichtungen gehört, darin mag man geteilter Meinung sein (es gibt aber auch Liedtexte von unbestreitbarer Qualität von ihm), aber bemerkenswert wird er schon allein dadurch, dass er Bestandteil des „Große Zapfenstreichs“ ist, eines der wenigen Rituale, zu denen dieses Land sich noch durchzuringen vermag.

Und dann gab es am 25. November 1177 auch den glorreichen Sieg der Christen in der Schlacht von Montgisard, auf den sich das obige Bild bezieht.

Sonntag, 23. November 2008

Schnee im November II







Otto der Große



gefunden unter Wikimedia Commons vom Autor Chris 73 hier

Wenn man die Medien dieses Landes flüchtig zur Kenntnis nimmt, was völlig ausreichend sein dürfte, (das soll nicht heißen, daß ich wie etwa Frau Palin alle Zeitungen lese) und dabei die Nebenrubriken außer acht läßt, könnte man den Eindruck gewinnen, man lebe in einer ehemaligen Kolonie, die vor etwas mehr als 60 Jahren unter furchtbaren Umständen langsam ihre Staatlichkeit gewann.

Daß dieses Land den Kern des deutlich mehr als tausendjährigen „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ bildete, dürfte den meisten heutigen Bewohnern so absurd erscheinen, daß jeder Versuch einer Illustrierung dieses Tatbestandes nicht der Mühe wert ist, ihn zu unternehmen.

Otto I. aus dem Geschlecht der Liudolfinger wurde am 23. November 912 geboren, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wurde er 962, begraben ist er in Magdeburg, daher das Bild.

Ich dachte, warum soll ich am Totensonntag mit banalen Familiengeschichten langweilen, wenn der erste „deutsche“ Kaiser just an diesem Tage geboren wurde, ist das nicht die wahrere Familiengeschichte, selbstredend nicht in einem anmaßenden Sinn.

Von der Grablege konnte ich mittlerweile erfahren, daß die obige Abbildung lediglich eine Grabtumba zeigt, das Grab selbst dürfte sich irgendwo in den Resten des Vorgängerbaus, sprich in den Fundamenten dieser Kirche, des Doms St. Mauritius und Katharinen finden. Aber die auf ihr befindliche Inschrift (in der deutschen Übersetzung des in Latein gehaltenen Textes) sollte doch noch mitgeteilt werden:

„Drei Gründe der Trauer liegen unter diesem Marmor beschlossen, er war der König des Reiches, das Haupt der Kirche, die Ehre des Vaterlands.“

Totensonntag

Wie bereits gesagt, war Herr Roloff so freundlich, mir seine heutige Predigt zum Totensonntag zu überlassen, verbunden mit der Erlaubnis, sie hier zu dokumentieren:

"Predigt Totensonntag 2008

Hebräer 4, 9-11

Gnade sei mit euch Friede von dem der da war, und der da ist, und der da kommt.
Amen

Liebe Gemeinde,

der Totensonntag des Jahres 2008 fällt auf den 23. November, dem Gedenktag des Hl. Clemens von Rom, des dritten Nachfolgers Petri im Bischofsamt der Reichsmetropole. Er ist wohl ein Sklave im Hause des zur flavischen Kaiserfamilie gehörenden Konsuls Titus Flavius Clemens gewesen. Über dessen Haus wurde später eine Kirche erbaut, die man noch heute in der ewigen Stadt besichtigen kann, und die der zum Papst gewordene ehemalige Sklave geweiht hatte. Er hatte, so wie es damals wohl durchaus üblich war, nach seiner Freilassung den Namen des Herren angenommen, der ihm die Freiheit geschenkt hatte.

Das ist im Übrigen auch eine schöne Begründung dafür, warum wir Christen heißen, denn auch wir haben darin den Namen desjenigen angenommen, der uns unsere Freiheit geschenkt hat.

Zum Gedenktag für Clemens wurde nun der 23. November nicht etwa als der Todestag des Heiligen, wie sonst meistens üblich, sondern der Tag seines Begräbnisses.

Clemens soll als Märtyrer auf der Krim gestorben sein und wurde an einem Anker im Meer versenkt. Darum nennt man diesen Novembertag gelegentlich auch „Ankertag“. Am Grund des Meeres entstand ein Tempel in dem nun seine Gebeine ruhten. Einmal im Jahr, so heißt es weiter in der Legende, teilte sich das Meer auf wundersame Weise und gab einen Weg zum Tempel des Clemens frei, so dass die Pilger zum Grab des Heiligen gelangen konnten. Es wird sogar behauptet, dass ein Kind in diesem Tempel von der Mutter vergessen worden war und nach einem Jahr, als sich das Meer wieder teilte, unversehrt herausgekommen sei.

Diese schönen Anklänge aus der Wanderung durch das Rote Meer und an die Geschichte vom im Tempel vergessenen Jesuskind lassen deutlich werden, wie tief in die Seelen der Menschen diese Bilder eingesunken waren.

Jesus trat seinen Eltern entgegen und war sogar verwundert, dass sie ihn gesucht hatten und fragte sie: „Wisset ihr nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist?“

Bei der genaueren Bestimmung dessen, worin wir sein sollten, wohinein wir gehören, damit wir ganz wir selbst werden, scheinen nun die Toten eine große Bedeutung zu haben. Warum ist dem so?
Was ist der Tod?

Zunächst macht uns die Erinnerung an die Toten deutlich, woher wir kommen. In manchen Völkern ist es bis zum heutigen Tag üblich, dass die Kinder die Namen von sieben Vätern kennen müssen, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, wer sie selber sind. Unsere Traditionen der Grabpflege und regelmäßiger Friedhofsbesuche erfüllen zweifellos einen ganz ähnlichen Zweck. Nicht zuletzt das Schreiben von Stammbäumen und die nach meinem Eindruck wieder sehr populär werdende Ahnenforschung gehören in diesen Zusammenhang. Den Menschen sind ihre Ahnen sehr wichtig und auch von Christus kennen wir sogar zwei Stammbäume, einen königlichen und einen priesterlichen.

Das Erinnern an die Toten lässt aber auch bewusst werden, wohin wir gehen, sagt uns täglich, dass auch wir sterben müssen.

Diese Tage im November sind eine gute Zeit, um diesen Gedanken ganz zur Wirkung kommen zu lassen.

Drängt ihn nicht weg, denkt nicht, es ist noch viel Zeit, sondern stellt die Frage: Warum?

Und dann horcht! Horcht in euer Leben und in die Welt hinein!

Drei Verse des Hebräerbriefes können ein Teil der Antwort sein:

So ist also noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes.
Denn wer zu Gottes Ruhe gekommen ist, der ruht auch von seinen Werken gleichwie Gott von den seinen.
So lasset uns nun Fleiß tun, hineinzukommen zu dieser Ruhe, auf das nicht jemand zu Fall komme in gleichem Ungehorsam.

Zwei Dinge kommen hier nochmals zum Ausdruck, die bereits in der Epistel und auch im Evangelium eine Rolle gespielt haben:

Das „Warum?“ beantwortet sich dann, wenn wir in Gottes Ruhe kommen!

Was ist damit gemeint, wo erfahren wir etwas von Gottes Ruhe?

Das hat mit der Schöpfungsgeschichte zu tun, die natürlich heranzuziehen ist, wenn nach der Ursache der Dinge, also nach dem WARUM gefragt wird!

Nachdem Gott alles geschaffen und es für gut befunden hatte, ruhte er. Gott hat mit seiner Ruhe einen Zustand gefunden, eine Ordnung begründet, die zum siebenten Tag gehört, ihn aber auch schon überwindet, weil sich diese Ruhe natürlich vom SCHAFFEN der vorherigen Tage unterscheidet. In der Ruhe Gottes wird die Schöpfung vollendet, also ein Schlusspunkt gesetzt. Es wird aber auch schon etwas ganz Neues begründet, das über die Schöpfung hinausweist. Die Ruhe Gottes am siebenten Tag ist der erste Hinweis auf die Erlösung. Der Erlösung wegen sollen wir in die Ruhe Gottes finden!

Augustin hat unvergleichlich schön gedichtet: Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te!

Plötzlich wird auch ganz deutlich, warum Christus am siebenten Tag der Woche im Grabe ruhte und damit die Ruhe Gottes in die Wirklichkeit unseres menschlichen Todes hineintrug.

Das Zweite, was uns der Hebräerbrief verdeutlichen will, kommt in seinem Reden vom Ungehorsam zum Ausdruck. Gott hat alles durch sein Wort geschaffen, womit viel mehr gemeint ist als bloßes Reden. Gottes Worte sind tatsächliche Äußerungen, er gibt von sich, aus dem Nichts werden Dinge, die keine Ursache haben als sein Wort. Das ist es, was wir hören sollen, und darin liegt die Ursache dafür, dass wir ungehorsam sind, wenn wir ihm nicht glauben. In diesem Zusammenhang liegt die gewaltige, nicht zu verstehende, sondern nur anzubetende Größe des Satzes: Das Wort ward Fleisch. Das Schöpfungswort Gottes wurde ein Mensch, der unseren Tod teilt und ihn, den Tod, hineinträgt in die Ruhe Gottes.
Nur so ist zu verstehen, was Johannes schreibt: Wer mein Wort hört, der hat das ewige Leben und ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.

Weil Christus das Wort Gottes ist, nehmen wir im Sakrament unverlierbar an ihm Anteil und üben auch darin Gehorsam. Der Leib Christi wird uns zum Sarg, in dem geborgen wir, wie Noah in der Arche durch die Sintflut fuhr, durch die Abgründe des Todes reisen werden.

Darin liegt der Sinn des Todes, den wir uns nur gleichnishaft verdeutlichen können. Wir müssen verwandelt werden. Die bloße Verlängerung unseres unruhigen Lebens würde gar nichts bewirken. Es geht auch in der Ewigkeit nicht um die Fortführung oder um die Wiederaufnahme dieses Lebens. Tamara Danz, die legendäre und früh unter schwerem Leiden verstorbene Sängerin von Silly, hat in einem ihrer späten Liedern trotzig bekannt: „Das einzige was mir noch droht ist ein Leben, noch so ein Leben nach dem Tod!“

Die Gemeinschaft mit Gott durchbricht und übersteigt alles was wir kennen und was wir uns vorstellen können, aber sie ist nichts, was wir fürchten müssten.
Dies sei euch ein wirklicher Anker des Lebens und so wird uns dieser Tag ein wahrer Ankertag!
Diese Gewissheit, nämlich in der Gemeinschaft mit dem Göttlichen zu stehen hat Goethe dichten lassen:

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vöglein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

Amen

Und der Frieden Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen"

Das Augustinuszitat läßt sich so übersetzen:
Du hast uns geschaffen auf Dich hin und "unruhig ist unser Herz als bis es Ruhe findet in Dir".

Samstag, 22. November 2008

Über das Auffinden von Freude

Da in diesem Jahr der Winter reichlich früh zu uns kam und morgen Totensonntag ist und ich Herrn Roloff versprochen habe, seine wirklich bemerkenswerte Predigt an diesem Ort zu dokumentieren, will ich doch wenigstens einen Versuch wagen, die Stimmung ein wenig zu heben, mit Diana Ross nämlich, einfach so, weil es wirklich wunderbare Musik ist, vielleicht gäbe es auch eine Geschichte dazu, aber die muß hier nicht stattfinden.

Schnee im November




Freitag, 21. November 2008

Über aufgedrängte Wahrheiten

Jemand, dessen (amerikanischen) Blog ich seit einiger Zeit durchaus schätze und deshalb regelmäßig besucht hatte, der Bilder, der Geschmackssicherheit und der Detailkenntnisse wegen, der als Person aber immer in einer deutlichen Distanz blieb, was ich irgendwann akzeptiert hatte, begann vor kurzem auf meine äußerst sporadischen Kommentare zu reagieren, so heute (als Folgekommentar eines Kommentars) mit der Anmerkung, daß meine Enttäuschung wohl daher rühren würde, daß ich kein Englisch könne. (Bevor jemand sinnlos beleidigt ist, von Greg & Arnold wird selbstredend gerade nicht gesprochen).

Hm, abgesehen davon, daß diese Enttäuschung als Teil eines Gemischs von Eindrücken gemeint war, als Entgegnung nach der ersten irritierenden ernsthaften Reaktion und auch sehr zurückblickend, war mein erster Impuls natürlich, was für ein A…, aber vielleicht hat er irgendwie recht.

Mein Englisch ist schauderhaft und wenn ich irgendwann begonnen hatte, freundlichen und geistvollen Menschen dieses zuzumuten, hatte ich wirklich bedacht, was ich da anrichten würde, die selbstverschuldeten Mißverständnisse, das Unvermögen, angemessen, sinnvoll oder weiterhelfend antworten zu können. Manchmal sind die scheinbar unerfreulichen Antworten diejenigen, die uns weiterhelfen.

Übrigens liegt draußen in diesem Moment gerade Schnee, ich hasse es, wenn etwas oder jemand sich unpassend verhält, und sei es Schnee im November.

Donnerstag, 20. November 2008

Gefunden

Wenn man der trübsinnigen oder tiefsinnigen (was oft auf dasselbe herauskommt) Bemerkungen überdrüssig ist, freut man sich immer wieder, daß man ein paar Menschen ein wenig kennenlernen durfte, die einem etwas reizend Erfreuliches zur Ablenkung zeigen. Ich muß hinzufügen, ich bin so ziemlich das Gegenteil eines Hundeliebhabers, komischerweise mußte ich allerdings bisher oft den Eindruck gewinnen, daß den Hunden das irgendwie verborgen geblieben ist. Wie auch immer, folgender Empfehlung folgend, habe ich also das gefunden.

Mittwoch, 19. November 2008

Lebensspuren

Ich habe gerade einen, ich wollte schon aus Verlegenheit sagen gruseligen Anruf getätigt, er war nicht gruselig, eher merkwürdig, in den Landtag von Brandenburg, weil ich zuvor von einem mir seit vielen Jahren Bekannten gehört hatte, daß jemand, der mir vermutlich zu gewissen Zeiten sehr geholfen hat, inzwischen unter schweren Umständen gestorben ist. Der Kontakt war schon länger abgerissen, also mußte ich nach alten Anknüpfungspunkten suchen, die sich auch fanden.

Es ist schon etwas sehr Schwieriges um das Vergangene, unsere Meinungen und Urteile flirren im Zug der Zeit, ihre Unbeständigkeit scheint auf unsere eigene Ziellosigkeit hinzudeuten, der Wechsel der Orte mit seinem Auf und Ab von Vertraut werden und sich wieder Entfremden auf die Unbehaustheit unserer Seele...

Und dann gibt es diese Momente verwirrender Vertrautheit, wenn eben dieser eingangs erwähnte Freund, der einem sein Pilgertagebuch übersandt hat, darin so grandios menschlich aufscheint.

Sonntag, 16. November 2008

November



Als ich gerade in Sturm, Kälte und nahender Dunkelheit zwei Christrosen mitten zwischen die letzten Strohblumen pflanzte, dachte ich bei mir, du hättest früher niemals geglaubt, daß dir so etwas derart tiefe Befriedigung bringen könnte.

Volkstrauertag


(c) Ralf von Samson

Das Eigentümliche am Volkstrauertag ist nicht zuletzt, daß er ursprünglich aus dem Gedenken an die Gefallenen des (1.) Weltkrieges entstanden ist, und wie wir wissen, hängt das Wesen einer Sache untrennbar mit ihrem Anfang zusammen, aber wie auch immer, wir haben etwas anderes nachzutragen, und das Bild über diesen Zeilen deutet auch schon die Richtung an.

Pastor von Samson war so freundlich, mir die Verwendung dieses Bildes zu gestatten, wir hatten uns heute nach dem Gottesdienst kurz (für mich war es kurz, er war wahrscheinlich zu höflich, mir zu sagen, daß die Taufgesellschaft sehr auf ihn warten würde, es gab nämlich im „Gospelgottesdienst“ auch eine Taufe, der Gospelchor war übrigens durchaus ansprechend, nur das Klatschen der überraschend zahlreichen Besucher war etwas gewöhnungsbedürftig, aber immerhin gab es so selbst ein paar Klatscher für die Predigt, auch eher selten), wir hatten uns also kurz über seinen Besuch vom Freitagabend unterhalten…

Ich will konzedieren, ihm geht es nicht darum, das Leid der Vertriebenen herabzusetzen, wer das wollte, begibt sich nicht auf einen der Friedhöfe dieser Stadt und nimmt dieses Photo auf, und ich kann auch nachvollziehen, daß eine Kirchgemeinde, die gar nicht so viel passende Plätze für ein Denkmal hat, sagt, wenn wir ein solches Denkmal aufstellen, dann wollen wir zugleich auch der anderen unschuldigen deutschen Opfer gedenken. All dieses sehe ich, und ich bin immer dankbar, wenn ich im Nachhinein guten Willen erkennen kann, wo ich ihn zunächst nicht bemerken konnte (das klingt jetzt allerdings fast, als hätte ich bösen Willen festgestellt, nein, Großer Gott, ich wußte eigentlich überhaupt nicht, was ich davon halten sollte), zugleich mit dem Bedauern darüber, wohl an der falschen Stelle zu hart im Urteil gewesen zu sein.

Aber (ich glaube es gibt niemanden, der nicht wenigstens ein bißchen Recht behalten will), die öffentlich vorgetragene Argumentation hat diese Mißverständnisse, sagen wir, nicht gerade behindert. Jetzt war ich nicht ganz so freundlich, wie ich eigentlich sein wollte, also muß die gute Absicht für das Ergebnis herhalten.

Nachtrag:

Als ich gerade kurz den Fernseher einschaltete, sah ich den Rest eines Staatsaktes, merkwürdig „Reichstag“sgebäude, ‚ihr Opfer hat eine Erfüllung gefunden‘ oder etwa so ähnlich, für eine Sekunde überkam mich die Ahnung eines anderen Staates; so wie ich einmal nach meinem Herzug im Zug etwas wegdämmerte und beim Aufwachen dachte, 'Was für einen Mist man doch manchmal zusammenträumt, jetzt hast du eben tatsächlich geträumt, du wohnst gar nicht mehr in Potsdam'.

Samstag, 15. November 2008

See am Abend



Es ist auch etwas sehr Gnädiges um die Dunkelheit, etwas Erholsames angesichts der Realität, in Träumen, in der Imagination. Vor wenigen Augenblicken, als ich dies schrieb, stand ich am Ufer des nahen Sees und rund um das dunkle Wasser schienen die Lichter, ich wußte zwar, welche Scheußlichkeiten am anderen Ufer auch auf das Morgen warteten, aber die Imagination sah Strandpaläste, sah all das, was angemessen und wahr wäre.

Freitag, 14. November 2008

Über Hausbesuche

Da ich habe erkennen müssen, daß ich an diesem Ort auf aufmerksame Leser zu achten habe, sei zunächst nur angezeigt, daß es heute einen „Hausbesuch“ hier in Broda gab. Es gibt zwei Gruppen von Menschen, die Hausbesuche machen, Ärzte und Geistliche. Nun, es war kein Arzt, sondern Pastor von Samson und es ging natürlich auch um die kürzlich erwähnte Kontroverse um den Gedenkstein für die, die aus dem Osten vertrieben oder dort umgebracht worden sind.

Ich bin deshalb etwas zögerlich, weil ich zunächst aus öffentlichen Meinungsbekundungen bzw. meinen eigenen Worten zitieren konnte und dabei auf der sicheren Seite war, das ist mit einem Gespräch etwas schwieriger, insofern wird es wohl bald einen Nachtrag geben müssen.

Donnerstag, 13. November 2008

Innehaltend



Bild übersandt, siehe auch "Anmerkungen" weiter unten

Mittwoch, 12. November 2008

Nächtlich


Ein Link zu Prof. W. Aue findet sich auf diesen Seiten

Mein Versäumnis, diesen stromfressenden Kasten auszuschalten, hat mir zum einen die Kenntnis einer erfreulichen Mail verschafft und zum anderen die Lebensgeister kurz geweckt, die ich jetzt und mich irgendwie wieder schlafen schicken muß, mit 1 + 3 Zitaten nämlich, zum Übersetzen bin ich zu träge.

“…those steps, all the forward and back… That’s just dancing.”
Greg

“It is possible to be wrong for a long time.”
Birdie

“Holding on to resentment is like you’re eating rat poison and then waiting for the rat to die.”
Torn

Dienstag, 11. November 2008

Martini



El Greco, Hl. Martin mit Bettler,
gefunden hier

„Es geschah an einem Wintertag, daß er ritt durch das Tor von Amiens, da begegnete ihm ein Bettler, der war nackt und hatte noch von niemandem ein Almosen empfangen. Da verstund Martinus, daß von ihm dem Armen sollte Hilfe kommen; und zog sein Schwert und schnitt den Mantel, der ihm allein noch übrig war, in zwei Teile, und gab die eine Hälfte dem Armen, und tat selber das andere Teil wieder um. Des Nachts danach sah er Christum für ihn kommen, der war gekleidet mit dem Stücke seines Mantels, das er dem Armen hatte gegeben. Und der Herr sprach zu den Engeln, die um ihn stunden, "Martinus, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Kleide gekleidet". Davon ward aber der Heilige nicht hoffärtig, sondern er erkannte Gottes Güte; und ließ sich taufen, da er seines Alters war achtzehn Jahre.“

aus der "Legenda aurea" des Jacobus de Voragine

Da ich heute das habe, was vielerorts, ob nun zeitlich oder räumlich, Namenstag heißt, komme ich nicht umhin, Martin von Tours, der am 11. November 397 begraben worden ist, zu gedenken.

Er war ein ausgesprochen volkstümlicher Heiliger bzw. sein Gedenktag, der über viele Jahrhunderte eine große Rolle im Leben der abendländischen Menschheit spielte, bis er dann im 18./19. Jahrhundert sehr in Vergessenheit geriet, aber das ist in diesem beeindruckenden Zeitraum mit vielen Dingen geschehen.

Übrigens ein skurriler nicht immer ganz bewußter Zug des 20. Jahrhunderts, es steckt voller Versuche an länger Vergangenes wieder anzuknüpfen, es wieder zum Leben zu erwecken, nicht immer erfolglos, wie etwa beim Pilgerweg nach Santiago de Compostela, den, wie vielleicht erinnerlich, ein guter Freund kürzlich gegangen ist.

Was mir allerdings, wie ich zugeben muß, ein wenig säuerlich aufstieß, als ich eben etwas in der „Legenda aurea“ herumlas, war, daß ihm besonders nachgerühmt wurde, wie viele alte heidnische Tempel er hätte zerstören können. Denn ich empfinde doch gut fundierte Feindschaft gegen jeglichen talibanesisch-asketischen Irrsinn. Aber das ist halt die verlorene Unschuld gegenüber dem Mittelalter, diese einfachen und reinen und eindeutigen Bilder sind uns nicht mehr gegeben. Nach der Vertreibung aus dem Paradies des Einfachen wurden wir mit Vernunft getröstet, nun ja.

Montag, 10. November 2008

Gefangen im November

Vielleicht sind wir gegenüber einem Monat etwas sentimentaler geneigt, wenn man zufällig in ihm geboren wurde.

Das unerwartete Glück, wenn spät am Abend mitten im November die Luft weich wie ein Handtuch auf unsere Müdigkeit fällt und der Wind, der Wind…

Sein Rauschen im nahegelegenen Wald und am Himmel die Wolken unter dem Mond wie ein weißer flüchtiger Drachen.

Meine Erinnerungen an die Kindheit sind sehr geschwunden, aber ich erinnere mich an einen Moment meiner frühen Kindheit, wo ein unbegreifbarer mächtiger, warmer (ich glaube im Februar) Wind mich nicht in Verwirrung versetzte, sondern einfach nur glücklich mit einer Ahnung von etwas sehr mächtigem Anderen vertraut machte.

Am 10. November 1918 verließ Kaiser Wilhelm II. das Reich. Also vor 90 Jahren. Meine Stiefgroßmutter war eine leidenschaftliche Anhängerin dieses Kaisers und geriet jedesmal in Rührung, wenn sie über „Seine Majestät“ sprach. Sie konnte exakt die Kosten der kaiserlichen Hofhaltung benennen, wenn sie mir kleinem Kind zu erklären versuchte, mit wieviel mehr diese Nachgekommenen so viel weniger zustandebringen konnten.

Seine offizielle Abdankung datiert auf zwar auf den 28. November 1918, aber geben wir doch heute schon den Text hier wieder:

„Ich verzichte hierdurch für alle Zukunft auf die Rechte an der Krone Preußens und die damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone.

Zugleich entbinde ich alle Beamten des Deutschen Reiches und Preußens sowie alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Marine, des Preußischen Heeres und der Truppen der Bundeskontingente des Treueides, den sie Mir als ihrem Kaiser, König und Obersten Befehlshaber geleistet haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reichs den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das Deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, der Hungersnot und der Fremdherrschaft zu schützen.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Amerongen, den 28. November 1918

Wilhelm“.

Sonntag, 9. November 2008

später Garten











See im November





Sonntag


Bekanntlich ist das Land, in dem wir leben, in letzter Zeit etwas geschrumpft, früher habe ich gern gesagt, Deutschland hat atmende Grenzen und gerade wurde wieder einmal tief eingeatmet.

Unglücklicherweise hatte dies vor einiger Zeit für meine Frau Mutter zur Folge, daß sie damals nicht nur aus ihrer Heimat vertrieben wurde, sondern bei der Vertreibung ihre Großmutter, ihren Vater, ihre Mutter und ihre jüngere Schwester verloren hat. Da sie wieder emsig an ihren Memoiren arbeitet, werden wir vielleicht demnächst wieder einmal etwas davon hier präsentieren.

Die Kirchgemeinde, die ich hier eher zögerlich besuche, heißt St. Johannis, ich sage nicht Heimatgemeinde, weil ich immer noch fest hoffe, wenigstens eines Tages auf einem Friedhof vergraben zu werden, der zu meiner Heimatgemeinde St. Nikolai in Potsdam gehört, schön wäre auch Bornstedt in der Nähe meines lieben Freundes Michael Schumann und seiner liebenswürdigen Gattin.

An diese Gemeinde hier, also St. Johannis, wurde die Bitte herangetragen, auf ihrem Gelände einen Gedenkstein für die vertriebenen und getöteten Deutschen aufzurichten, die aus den verlorenen Gebieten stammen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung, damit würden die herabgesetzt, derer man nicht gedenken würde. Hm.

Das gab mir den Anlaß für eine Mail, zumal ich diese krude Bemerkung, eingebettet in viele Worte von Vergebung und Schuld, heute erneut ertragen mußte. Es ist zwar stillos, aber ich werde mich jetzt ein wenig selbst zitieren:

„Sehr geehrter Herr von Samson,

es ist seit den Tagen des neuen Testaments im religiösen Bereich verbreitet, seine Intentionen verhüllt und „positiv“ darzustellen, wenn man damit rechnen muß, auf beträchtlichen Widerspruch zu stoßen; unser Herr und Heiland hat damals dafür sehr deutliche Worte gefunden.

Und es ist im deutschen kirchlichen Milieu, nicht nur dort, aber dort sehr verbreitet, üblich, eine deutliche Empathie mit den Opfern des 3. Reichs und des Weltkriegs mit einer aggressiven Gefühlskälte gegenüber den Opfern zu verbinden, soweit sie Deutsche waren, das läßt über die Natur dieser Empathie beträchtlichen Zweifel zu…

Ich will Ihnen ausdrücklich beides nicht unterstellen, aber es beschreibt den Raum, in dem wir uns bei der hier zu erörternden Sache bewegen…

Jeder Grabstein hat einen Namen, jedes Denkmal gedenkt eines einzelnen oder doch zumindest einer näher bestimmbaren Gruppe. Ein Denkmal „Den Guten“ wäre augenscheinlich banal.

Natürlich kann man unterschiedlicher Auffassung sein, welche Gruppen gewürdigt werden sollten und in welcher Weise das geschehen könnte… Und ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, daß es verwerflich wäre, Leid zu bewerten, zu vergleichen oder gar aufzurechnen.

Nur daß das Benennen einer Gruppe, derer gedacht werden soll, schon diesen verwerflichen Umstand hervorrufen würde, ist für mich logisch nicht nachvollziehbar und in der Regel bemühe ich mich darum, Argumente, auch wenn ich ihre Aussage nicht teile, zumindest für mich nachvollziehbar zu machen. Mit anderen Worten, ich versuche dem anderen erst einmal intellektuelle Redlichkeit zu unterstellen. Wenn mir das Nachvollziehen beim besten Willen nicht gelingt, gewinne ich entweder den Eindruck, daß meine Informationen nicht ausreichen oder ich werde mißtrauisch…“.

Nachtrag:

Darauf gab es Antworten und Gegenantworten, die offenkundig eher die Mißverständnisse steigerten, und es gab einen "Hausbesuch" am 14. November, über den ich jetzt etwas verfassen müßte.


Ein Nachtrag, der durch eben dieses ausgelöst wurde

Fassungslos stelle ich fest, daß es bei wikipedia keinen Eintrag zu „Prof. Dr. Michael Schumann“ gibt, bei meinem Versuch, diesem Desiderat abzuhelfen, stoße ich in meinen Sachen u.a. auf den nachfolgenden Text, Herr Roloff wird mir sicherlich vergeben:

„Lieber Thomas Roloff,

alle guten Wünsche senden Ihnen meine Frau und ich zum 30. Geburtstag.
Da wir selbst zu persönlichen Anlässen mit Freund Wisser, dem Mitwisser, stets über Überpersönliches reden. Die Bindungskraft der Tradition wird uns davor schützen, in die Falle der postmodernen Beliebigkeit zu laufen. Was Sie betrifft, bin ich mir da ganz sicher, was diese Gesellschaftsform und ihre Staatlichkeit angeht, weit weniger. Nur gibt es halt verschiedene Arten der Tradition: die Tradition der toten Geschlechter, die wie ein Alp auf den Hirnen der Lebenden lastet, und die Tradition als das Gegenwärtige und Zukünftige im Vergangenen oder die Tradition als Vision.

Dialektischer Umschlag ins Persönliche. Ich wünsche Ihnen das Gespür für die lebendige Tradition und einen unvergeßlichen Geburtstag.

Ihr…“

Samstag, 8. November 2008

Über Wahres und Falsches



Der Eindruck liegt nahe, daß es vor allem den, sagen wir Architekten des 20. Jahrhunderts sehr darauf ankam, eine Wette einzulösen, wer schafft es am effektivsten, die Welt ein deutliches Stück scheußlicher zu machen.

Am 8. November 1508 wurde Andrea di Pietro della Gondola, genannt Palladio, geboren.Er war einer von denen, deren Absicht exakt entgegengesetzt stand, und einer der wenigen, deren Name mit Sicherheit auch in den folgenden Jahrhunderten bekannt bleiben wird.

Donnerstag, 6. November 2008

Sehr Verschiedenes

Was haben wir schon zu verlieren, und was sollte uns daran hindern zuzugeben, daß wir einiges in letzter Zeit wiederholt sehr ungnädig aufgenommen haben. Nur um eine Ahnung zu geben: „ … man muß nicht viel wissen, man kann Wahrheit nämlich auch fühlen, jeder will sich doch vervollkommnen und deshalb hat jeder irgendwie recht, weil er fühlt das doch so, alles ist irgendwie wahr und … ich weiß gar nicht warum, aber irgendwie fühle mich jetzt gerade irgendwie von dir angegriffen…“.

Großer Gott, natürlich nicht, jeder Angriff birgt doch zuviel Intimität, als daß wir ihn hier irgendwie erwägen wollten, dabei ist diese verhuschte Person nicht einmal „unnett“, wir wollen es darauf schieben, daß die Zeiten furchtbar sind und fast jeder geistigen Führung entbehren. (Aber es sollte zusätzliche Zeichen zu den runden und eckigen Klammern geben, etwas von der Art, daß wir es zwar respektieren, daß uns der liebe Gott auf diese merkwürdige Erde geworfen hat, aber daß er die Vorfreude niedrig halten sollte, wenn wir eines Tages vor ihm stehen werden.)

Wir gestehen des weiteren, durchaus auch an uns selbst viel Fragwürdiges zu finden, aber das Vorgenannte beraubt uns so sehr unserer Kräfte, daß eben nur die Arroganz in ihrem Glanz übrig zu bleiben scheint, die sich in diesem Moment vom Grauen der Unbildung anderem zuwendet:

Hans Hermann von Katte wurde am 6. November 1730 in Küstrin hingerichtet, und viele meinen, daß der Vater von Friedrich dem Großen instinktsicher mit dieser Tat das Menschliche in ihm sehr weit abtöten konnte, aber ich glaube, diese Wahrheit ist unvollständig.

Und daß Heinrich Schütz am 6. November 1672 in Dresden verstorben ist, als Anlaß sich seiner zu erinnern, gehört zu dem Wunderbaren des Lebens, das einem niemand nehmen kann.

Mittwoch, 5. November 2008

Über Treue



Eigentümlich ist es, wenn in dieser Art von Exil sich die Weggefährten des Zurückliegenden, denen man nahe zu stehen hoffte, sich selbstverständlich zum unausweichlichen Geburtstag einstellen, und mein Gott, es sind wirklich Personen von gründlich unterschiedlicher Wesensart, also dürfen wir am eigenen Geburtstag dankbar sein, wenn das nichts ist.

Dienstag, 4. November 2008

Über Nähe

Das Kuriose ist, irgendwie hat das Internet auch etwas von 19. Jahrhundert, warum, man schreibt sich wieder Briefe, sie mögen nun „Mails“ heißen oder wie auch immer, und wenn man einen Brief unverständlicherweise verloren hat, an dem man sehr hing, dann kann womöglich der Betreffende eine Kopie (Abschrift) schicken, wenn er ihm so wichtig war, wie er einem selbst wurde, und dann erkennt man eine Nähe, die sich einfach nur durch – Briefe hergestellt hat, nicht viel mehr sonst.

Montag, 3. November 2008

Differentiae variae

Unsere Gedanken mäandern gerade ein wenig, und da am Tyburn-Galgen, der in der englischen, sagen wir Geistes-Geschichte, wohl eine erhebliche Bedeutung spielte, am 3. November 1783 zum letzten Mal jemand gehängt wurde und wir außerdem Oliver Cromwell, aus welchen Gründen auch immer, aus tiefster Seele verachten, sei an das folgende erinnert, an das Martyrium des Hl. Oliver Plunkett und an das so erfreulich wie vergebliche Schauspiel, das 30. Januar 1661 ebendort stattgefunden hat.

Mir ist auch gerade aufgefallen, daß die Namen meiner Posts so einfallslos zu werden beginnen wie römische Vornamen. Aber egal, kurios ist, wie die englische Aristokratie, die doch verspätet zu einigen ihrer Möglichkeiten gelangte, zu einem gewissen Stilmuster geriet, sie, die doch über der Form die Inhalte ein wenig vernachlässigt haben könnte. So wollen wir sie doch wenigstens als Erfinderin des „Sandwichs“ zu würdigen wissen.

Und dann, Großer Gott, Georg Trakl starb am 3. November 1914. Das ist einer jener Momente, wo Sottisen jeglicher Art zurückzuweichen haben, eine Erkenntnis, die ich Franz Fühmann danke.

Georg Trakl

Grodek

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunklen Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.

Sonntag, 2. November 2008

Varia

Natürlich würde es naheliegen, diesen interessanten Spannungsbogen vom Reformationstag über Allerheiligen zu Allerseelen mit mehr oder weniger bemerkenswerten Kommentaren zu versehen, aber ob wir über die Fähigkeit zu derart Bemerkenswertem verfügen, bleibe einfach dahingestellt, meiner Begeisterung für die Allerheiligenlitanei habe ich bereits früher hier Ausdruck gegeben.

Darum weiter zu etwas Banalerem: Als ich zu dem in dieser Jahreszeit üblicherweise frühen Abend durch den nahegelegenen Wald in Richtung See fuhr, gab mir die Szenerie den einen oder anderen Gedankenanstoß.

Die mehr oder minder gespenstisch aus dem Nebel ragenden Baumstämme, unter denen dies Meer von abgestorbenem Laub ruht, es gab eine Zeit, wo daraus die lebhaftesten Poetisierungsbemühungen entstanden, ich erkenne diese kuriose Koinzidenz, denn inzwischen sind viele Gefühle genauso erstorben oder genauer gesagt, an die Stelle des Gefühls ist die Erinnerung an Gefühle getreten, die sich bei solchen Gelegenheiten üblicherweise einstellten, irgendwann wird auch diese Erinnerung dahingeschwunden sein, und übrig bleibt vielleicht eine Art abwesender Irritation. Wer weiß.

Und um diese zweifelhaften Poetisierungsbemühungen kurz zu illustrieren, 2 Proben aus sehr lang zurückliegender Zeit:


Herbstwappen

Im traurigen Königreich der Zeit
wandeln Herzoginnen ins Vergessen
herb und klar
erhebt sein Haupt das Wasser
zu herrschaftlicher Sprache.

Der Gang der Jahreszeiten lobt seinen Schöpfer
Körperlicht
verlöschend immer.


Huldigung des Herbstes

Gepriesen sei
das Insichgekehrt-Sein des Novembernebels,
der kalte Glanz des Reichs,

schwerhin gefaltet fällt der Mantel der Landschaft,
rauchig fließen die Gefilde.

Das Gras sagte seine Meinung dem Regen
von der Traurigkeit des Körpers,
ein Geheimnis, das keine Deutung finden mag.

Es schützen tausend Legionen Engel
die Herrschaft des Herbstes.

Über den kahlen Ästen ruht
der haltlose Thron des Schweigens rein.