Samstag, 31. Januar 2009

Über das Verblassen der Statuen



„Editha“ und „Otto“ im Magdeburger Dom oder „Ecclesia“ und „König der Könige“
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Ein nach Selbstbeschreibung „eigensinniger“ Hawaiianer (der zu den wenigen Autoren zählt, die ich vor geraumer Zeit einmal in meine Linkliste aufgenommen habe), hat mich und seine übrigen Leser mit einem Wortspiel erfreut: „...for rust thou art, and unto rust shalt thou return...“. Es ging um Statuen, und da wir beim Wechseln von Mails kurz aneinander vorbei geredet hatten, gab er mir eine Erklärung für eine nicht gestellte Frage, er hätte darauf anspielen wollen, “how everything is ephemeral, even the statues”.

Das klingt banaler als es in Wahrheit ist. Denn, daß wir selbst sehr vergänglich sind, nehmen wir wohl noch geradeso hin, mit Statuen aber stemmen wir uns gegen die Zeit. Mit Statuen, Denkmälern, Überlieferungen und noch viel anderem mehr versuchen wir, etwas gegen ihr zerstörendes Wirken aufrecht zu erhalten. Was aber bleibt, wenn nicht nur wir so spurlos vergehen, sondern selbst das, dem wir angehört hatten.

Es gibt retardierende Momente. In einer Stadt, deren bedeutendste Zeit wohl so um die 1000 Jahre zurückliegt, wurden die sterblichen Überreste einer Königin zu wissenschaftlichen Zwecken „entführt“ und es herrscht dort hellste Aufregung. Es läßt sich nicht ganz vollständig nachvollziehen, worin der Grund dieser Aufregung nun genau besteht, die selbst hier ihr Echo fand.

Wenn ich es recht sehe, hat dieser Herr ein wenig zur Aufklärung beizutragen. Aber daß eine Königin, die vor 1063 Jahren starb, diesen Aufruhr zu erzeugen vermag, stimmt doch irgendwie tröstlich.

Freitag, 30. Januar 2009

Donnerstag, 29. Januar 2009

Mittwoch, 28. Januar 2009

Seit 1195 Jahren


Kaiserthron, Aachener Dom
Bildautor:Holger Weinandt,

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In diesen Tagen, scheint es, entgehen wie der Geschichte nicht.
Karl der Große ist am 28. Januar 814 in Aachen gestorben. Dieser wahren Herrschergestalt ist schon vieles nachgerühmt worden, 1195 Jahre konnten daran nichts mindern.

Vor kurzem habe ich zu ihm ohne äußeren Anlaß ein paar Bemerkungen gemacht, die man gern hier nachlesen kann, ansonsten empfehle ich dieses und dieses.



Karl der Große, Karlsbüste, Domschatz, Aachener Dom
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Dienstag, 27. Januar 2009

Über das Steinigen von Statuen



Bildautor: Raimond Spekking
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Zu den unerfreulichen Zügen christlicher Geschichte gehört, daß in deren Frühzeit „Abgötter“, also Statuen heidnischer Gottheiten, gelegentlich ritualisiert gesteinigt wurden. Die dieses taten, haben sie nicht als Kunstwerke wahrgenommen, es ist auch zweifelhaft, ob ihnen an Kunst überhaupt etwas gelegen hat - in der Neuzeit haben sich u.a. die Taliban und die „kulturrevolutionären“ Chinesen ähnlich betätigt, ohne daß sich die Welt im Übermaß daran gestört hätte.

Wie komme ich darauf: Von einem „Biographen“ und einer „Publizistin“ waren heute in größeren Zeitungen Bemerkungen zu einem bestimmten Ereignis zu lesen - am 27. Januar 1859 wurde Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm II. geboren. Und da drängte sich mir dieses Bild förmlich auf.

Es liegt noch nicht so gar lange zurück, daß wir an den Kaiser erinnert hätten, und wer will, mag auch noch dieses zur Kenntnis nehmen, das gerade beiläufig aufgefunden wurde, vor allem aber dieses, das wir soeben erst beeindruckt entdeckt haben.

Über das Zur-Hilfe-Nehmen von Fassaden oder: Warum wir nicht wissen, ob uns dieser Nachbau glücklicher macht


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Gestern war im Feuilleton einer „führenden“ Zeitung dieses Landes der Potsdamer „Alte Markt“ zweimal abgebildet. Einmal, wie er sich heute darstellt, und einmal, wie er vor den Zerstörungen von Kriegs- und Nachkriegszeit aussah. Anlaß war eine Entscheidung, es gab schon mehrere in dieser causa und es wird wohl noch einige geben, zugunsten eines, nun ja sagen wir, Nachbaus des Stadtschlosses (dessen beträchtliche Überreste demonstrativ nach dem Kriege abgeräumt worden sind), und das nicht nur in seiner Außen- , sondern jetzt sogar, teilweise, mit seiner Innenhoffassade.

Nun will ich Fassaden nicht herabsetzen, um mit Oscar Wilde zu sprechen: „Nur die oberflächlichsten Eigenschaften dauern; des Menschen tieferes Wesen ist bald entlarvt.“ Oder anders gesagt, unter der Haut des Körpers wohnt bald das Grauen. Aber im Gegensatz zu Organismen ist es mit Bauten doch ein wenig anders.

Mutmaßlich gehört ein Landtag zu den Institutionen, die so wichtig sind, daß ihr Verschwinden niemandem auffallen würde, nicht einmal dessen Mitgliedern, der erforderliche Neubau eines Landtagsgebäudes führte aber zur o.g. Entscheidung, Näheres mag man hier nachlesen. Das bedeutet, solch ein Bau muß natürlich zweckmäßig sein, funktional etc. (die Argumentationsmaschinerie ist bekannt), und das in der Fassade eines Schlosses?

Ich muß, um noch einmal die Eingangsbemerkung zu berühren, einen Einschub machen und gestehen, daß es mir schwerfällt zu verstehen, wie jemand neuzeitliche Architektur ganz überwiegend nicht hohl und gesichtslos, verstörend geradezu finden kann. Ich sehe diese monotonen, einförmigen, gestaltlosen Klötze und bin verstört, man gewöhnt sich ein wenig mit der Zeit, so wie man sich vielleicht an das Lieblingsvergnügen eines Nachbarn gewöhnen mag, nicht singen zu können und davon reichlich Gebrauch zu machen, aber man fängt deshalb doch nicht eines Tages an, die nicht getroffenen Töne für himmlische Harmonien zu halten.

Ich bin als Kind in keiner mittelalterlichen Bilderbuch-Stadt aufgewachsen oder gar einer barocken Residenz, aber daß das meiste, was man neu zu sehen bekam, häßlicher Schrott war, davon war mein kindliches Gemüt doch früh überzeugt, dabei war dies weniger eine Überzeugung als vielmehr unmittelbares Empfinden – daß all dies gemütsverarmend niederdrückend scheußlich ist, auch wenn mir die Worte wohl nicht ganz so geläufig waren. Mittlerweile habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, daß dies mir selbstverständliche Empfinden nicht ganz so verbreitet ist, aber belassen wir es dabei und kommen zum Zweckmäßigen.

Der Landtagsneubau soll also zweckmäßig gebaut werden, das soll es heutzutage immer, und da zu diesen Zwecken nie so etwas anachronistisches wie „Schönheit“ gehört, sieht es danach in der Regel auch aus. Jetzt soll aber um dieses zweckmäßige moderne Grauen eine alte Fassade gelegt werden. Und hier wird es in der Tat kurios, sollte es sein, daß man langsam seiner üblen Taten, nein, nicht überdrüssig wird, eher etwas unsicher, so daß man sich genötigt sieht, sie besser zu verstecken.

So sehr ich mich freuen würde, wenn ich die Potsdamer Mitte, die einmal wunderschön gewesen sein muß und heute überwiegend ausgelöscht ist, wiederhergestellt sehen könnte: Kann aus diesen Motiven etwas Bewahrenswürdiges entstehen, mehr als eine nett verpackte Leere.

Diese mäandernden Gedanken drängten sich mir bei obiger Nachricht auf und noch andere, die ich dem geneigten Leser ersparen will. Zumal noch ein anderes Thema wartet.


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Nachträge










Von MartininBroda

Sonntag, 25. Januar 2009

Über Hölderlin & anderes



zu diesem Bild darf ich auf eine Anmerkung weiter unten verweisen

Herr Prof. Aue war so freundlich, mir mit seiner Hölderlinübersetzung etwas den Tag durcheinanderzubringen, wenn auch in willkommener Weise. Ich will mir dadurch ein wenig Genugtuung verschaffen, daß ich sie heute an diesem Ort auch anbringe. Der Text findet sich, wie immer mit bedenkenswerten Kommentaren versehen, im Original hier.

Ich will nur diesen zitieren: „Dieses Gedicht Hölderlins stammt aus der Zeit seines "Irrsinns" (der sich über mehr als die Hälfte seines Lebens hinzog). Nur: Wenn ich mir den Irrsinn unserer Zeit betrachte, so scheint mir mehr Sinn in dem "Irrsinn" Hölderlins gelegen zu haben, als es unsere Zeit jemals im Sinne hätte zuzugeben. Wenn unsere Zeit, die sonst alles zugibt, überhaupt einen Sinn hat...“

An dieser Stelle widerspreche ich lediglich der Annahme „seines Irrsinns“. Im übrigen folgt der „Herbst“:

Friedrich Hölderlin

Der Herbst

Die Sagen, die der Erde sich entfernen,
Vom Geiste, der gewesen ist und wiederkehret,
Sie kehren zu der Menschheit sich, und vieles lernen
Wir aus der Zeit, die eilends sich verzehret.

Die Bilder der Vergangenheit sind nicht verlassen
Von der Natur, als wie die Tag' verblassen
Im hohen Sommer, kehrt der Herbst zur Erde nieder,
Der Geist der Schauer findet sich am Himmel wieder.

In kurzer Zeit hat vieles sich geendet,
Der Landmann, der am Pfluge sich gezeiget,
Er siehet, wie das Jahr sich frohem Ende neiget,
In solchen Bildern ist des Menschen Tag vollendet.

Der Erde Rund mit Felsen ausgezieret
Ist wie die Wolke nicht, die Abends sich verlieret;
Es zeiget sich mit einem goldnen Tage,
Und die Vollkommenheit ist ohne Klage.


Autumn

The fleeing legends, which the Earth narrated
(of essences that were and are returning),
are turning toward humanity, so increased learning
can grow from times that long since dissipated.

What images once were, they were not banished
by Mother Nature, like her days that paled and vanished
amid high summer: When descends the autumn's power
the sky will show it in the spirit's shower.

In not much time so much has terminated:
The peasants, having proudly shown themselves as plowers,
see now that yet another year has joyfully abated -
just as abates the time in which the human flowers.

The Earth whose round with rocky mountains pleases
(so unlike clouds dispersed by evening breezes)
reveals itself amid a day that's golden;
and of perfection; and to no complaint beholden.

Übersetzung / Translation
von / by Walter A. Aue

Samstag, 24. Januar 2009

3 Namen und eine Nachtwanderung



3 Namen sprechen heute gewissermaßen aus dem Gedenkkalender zu uns: Friedrich der Große wurde am 24. Januar 1712 geboren, und da wir uns an diesem Ort gern mit preußischen Erinnerungen schmücken, kommen wir nicht umhin, dieses auszusprechen.

Kaiser Otto III. starb wohl am 24. Januar 1002, und hier weicht die Pflicht schon beträchtlich der Neigung. Aber da wir kürzlich etwas dazu bemerkt haben, können wir über den Dritten reden, der, wie unsere Sympathien nun einmal liegen, unbedingt genannt werden muß:

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann wurde am 24. Januar 1776 geboren. Und bevor wir mit banalen Erörterungen langweilen, wollen wir ihn selbst zu Wort kommen lassen, mit einem Zitat aus "Des Vetters Eckfenster",einer Erzählung, die 2 Monate vor seinem Tod, als er bereits schwer krank war, entstanden ist, und in der der "Vetter" seinem Besucher das "Sehen" beizubringen sucht:

" 'Dieser Markt', sprach der Vetter, 'ist auch jetzt ein treues Abbild des ewig wechselnden Lebens. Rege Tätigkeit, das Bedürfnis des Augenblicks trieb die Menschenmasse zusammen; in wenigen Augenblicken ist alles verödet, die Stimmen, welche im wirren Getöse durcheinanderströmten, sind verklungen, und jede verlassene Stelle spricht das schauerliche: ›Es war!‹ nur zu lebhaft aus' ".

Freitag, 23. Januar 2009

Peter Joseph Lenné



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Zu den bedeutenden Geistern, die in Potsdam auf dem Bornstedter Friedhof begraben sind, zählt Peter Joseph Lenné († 23. Januar 1866). Und wenn auch nur ein kleiner Rest Potsdamer Anhänglichkeit übriggeblieben sein sollte, könnte ich nicht umhin, an ihn zu erinnern.

Es ist schwierig, den Zauber und die Sammlung ins Bild zu fassen, die von Gärten und geordneter Landschaft ausgehen können. Man vermag sie eigentlich nur erfassen, wenn man sich durch diese hindurchbewegt. Das wurde mir gerade wieder schmerzlich bewußt, als ich nach Bildzeugen dafür suchte, wie sehr er mit seinem Werk für das Schöne und gegen die scheinbar immer obsiegende Häßlichkeit gewirkt hat.



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Donnerstag, 22. Januar 2009

Varia



Das obige Bild entstand heute Mittag, als ich mich kurz an das Ufer des hiesigen Tollensesees weggestohlen hatte. Dieser See neigt dazu, eine recht bewegte Oberfläche zu haben, wofür es Gründe geben wird, die mir nicht näher bekannt sind. Das führt oft zu dem Effekt, daß das Ufer nicht fest zufriert, sondern unzählig zerbrochene kleine Eisschollen einen Saum bilden, an dem sich das Licht vielfach bricht, wenn die Wellen des Sees durch diesen hindurchgehen.



Ich wollte es eigentlich am liebsten bei diesem belassen, aber mein Blick in den Kalender verriet mir zum einen, John Donne starb am 22. Januar 1572. Und eines meiner handvoll Lieblingsgedichte ist nun einmal: „John Donne schlief ein…“, von Jossif Brodskij, und ihn selbst schätze ich dann auch noch sehr: „Go, and catch a falling star…“, nun ja.



Und dann ist da noch etwas, von dem ich nicht weiß, wie ich mich dazu verhalten soll. Daß Bezüge zur Gegenwart hier eher sporadisch auftauchen, dürfte nicht verborgen geblieben sein, und daß dies nicht ganz ohne Grund geschieht, sollte nahe liegen, darum ist es für mich ungewohnt, etwa an einen Heathcliff Andrew Ledger zu erinnern, der vor genau einem Jahr starb. Aber ich weiß noch deutlich, wie ich dachte, was für eine unglückselige Verschwendung, als ich von seinem Tod hörte, obwohl ich nicht einmal ungewöhnliche Sympathien für ihn entwickelt hatte.

Aber wenn hoffnungsvolle Menschen dieses Alters sterben, lösen sie etwas in uns aus, das sich schwer beschreiben läßt, eine Art Trauer, die nicht an der Oberfläche verharrt. (Was dabei nur gespenstisch bleibt - wie schnell sich die emotionale Hingabe von Menschen nahezu beliebig an bestimmten Personen auflädt, um dann umstandslos zur nächsten zu wechseln.)

Mittwoch, 21. Januar 2009

Barbarei & Erinnerung



Jekaterinburg, Kathedrale des Blutes
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Ich muß gestehen, als ich heute wahrnahm, daß vor 216 Jahren Ludwig XVI. „hingerichtet“ wurde, hatte ich wenig Neigung, etwas dazu zu bemerken, es beginnt schon mit der Wortwahl: „Hinrichtungen“ gehören wohl doch in den Deutungsbereich legitimer Tötung, einmal davon abgesehen, wie man zu der Todesstrafe als solcher steht, das setzt voraus, daß man die Tötenden für legitim hält: Wieso?

Aber ich will unseren französischen Nachbarn und dessen unaufgelöstes revolutionäres Erbe nicht weiter berühren. Denn wie ich, glaube ich, schon einmal bemerkt habe, sind Revolutionen in meinen Augen nur Vorwände, die ganz gewöhnliche Barbaren benutzen, um sich ungestört mit dem beschäftigen zu können, was Barbaren nun einmal am liebsten tun: Auslöschen, Töten und viel Befriedigung darin haben.

Zu den wenigen Vorzügen deutscher Geschichte zählt, daß hier nie ein Herrscher hingerichtet wurde, im Gegensatz etwa zur französischen, englischen oder russischen. Und jetzt kommt das tröstliche Moment ins Spiel, das mich zu diesen Zeilen veranlaßt:

Wie ich gerade zufällig mitbekam, hat man in Rußland in dem Wald, in dem die letzte Zarenfamilie verscharrt worden war, mehrere hölzerne Wallfahrtskirchen erbaut, für jedes Mitglied der Zarenfamilie eine. Über dieses „Kloster im Wald der vier Brüder“ fand ich bei meiner schnellen Suche einen Bericht in diesem Blog:
„In den Wäldern der Gräberfunde ist in den letzten Jahren das Sühnekloster „Ganina Jama“ entstanden. Etwa 20 Kilometer östlich von Jekaterinburg, tief in den Ural-Hügeln, liegen 7 Kirchen – eine für jedes Familienmitglied – über ein weites Areal verstreut. Alle sind aus hellem Holz in altrussischer Tradition, mit kunstvollen Schnitzereien und ohne einen einzigen Nagel, zusammengefügt. Ihre grüngoldenen Kuppeln und Türmchen glänzen zwischen den weißen Birken- und den schwarzen Föhrenstämmen hindurch…“

Ich fand das außerordentlich lesenswert, auch wenn natürlich Menschen dazu neigen, die Welt und die Geschichte auf sehr unterschiedliche Weise zu sehen, bin ich eigentlich schon begeistert, wenn mir Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit bei einem ernsthaften Anlaß begegnen.

Und da ich aus irgendeinem Grund in diesem Kloster einen tröstlichen Aspekt entdecke, diese vorigen Bemerkungen.

Dienstag, 20. Januar 2009

Über Charisma

Von MartininBroda
Tiergarten, Siegessäule
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Während wir der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten folgten - wir verstehen jeden, der enttäuscht ist, auch hier noch einen Bezug dazu zu finden, aber manchmal besteht das Leben eben darin, zu zeigen, wie elegant wir unsere eigenen Entäuschungen zu umrunden vermögen - überkam uns das Bedürfnis, ein wenig bei Max Weber nachzulesen:

„Charismatische Herrschaft, kraft affektueller Hingabe an die Person des Herrn und ihre Gnadengaben (Charisma), insbesondere: magische Fähigkeiten, Offenbarungen oder Heldentum, Macht des Geistes und der Rede. Das ewig Neue, Außerwerktägliche, Niedagewesene und die emotionale Hingenommenheit dadurch sind hier Quellen persönlicher Hingebung. Reinste Typen sind die Herrschaft des Propheten, des Kriegshelden, des großen Demagogen.

Der Herrschaftsverband ist die Vergemeinschaftung in der Gemeinde oder Gefolgschaft. Der Typus des Befehlenden ist der Führer. Der Typus des Gehorchenden ist der »Jünger«. Ganz ausschließlich dem Führer rein persönlich um seiner persönlichen, unwerktäglichen Qualitäten willen wird gehorcht, nicht wegen gesatzter Stellung oder traditionaler Würde. Daher auch nur, solange ihm diese Qualitäten zugeschrieben werden: sein Charisma sich durch deren Erweise bewährt. Wenn er von seinem Gotte »verlassen« oder seiner Heldenkraft oder des Glaubens der Massen an seine Führerqualität beraubt ist, fällt seine Herrschaft dahin…

Dafür ist »Bewährung« die Grundvoraussetzung: durch Wunder, Erfolge, Wohlergehen der Gefolgschaft oder der Untertanen muß sich der charismatische Herr als »von Gottes Gnaden« bewähren. Nur solange gilt er dafür, als er das kann. Ist ihm Erfolg versagt, so wankt seine Herrschaft. Dieser charismatische Begriff des »Gottesgnadentums« hatte da, wo er bestand, entscheidende Konsequenzen. Der chinesische Monarch war in seiner Stellung bedroht, sobald Dürre, Überschwemmung, Mißerfolg im Felde oder andere Unfälle es fraglich erscheinen ließen, ob er in der Gnade des Himmels stehe. Öffentliche Selbstanklage und Buße, bei hartnäckigem Unheil: Absetzung und eventuell Opferung, drohten ihm. Die Beglaubigung durch Wunder verlangte man von jedem Propheten…

Die charismatische Herrschaft ist eine spezifisch außeralltägliche und rein persönliche soziale Beziehung. Bei kontinuierlichem Bestand, spätestens aber mit dem Wegfall des persönlichen Charismaträgers, hat das Herrschaftsverhältnis – in letzterem Fall dann, wenn es nicht zugleich erlischt, sondern in irgendeiner Art fortbesteht, und also die Autorität des Herrn auf Nachfolger übergeht, – die Tendenz, sich zu veralltäglichen…“.

von Marianne Weber posthum veröffentlicht in den Preußischen Jahrbüchern, Bd. CLXXXVII, 1922, S. 1-12: „Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft. Eine soziologische Studie“.

Während wir noch in Rührung erstarren ob des Geistes, der einmal durch unser Land ging, auch wenn er immer noch ein totes Dasein in Lehrbüchern fristet, wollen wir einerseits den uns gut Bekannten in den ehemaligen britischen Kolonien alles Gute mit ihren Hoffnungen wünschen und zum anderen nur kurz erklären, daß Präsident Obama an eben dieser Säule seine Rede hielt, als er noch nicht Präsident war.

Montag, 19. Januar 2009

Auf Reisen

Dem aufmerksamen Leser werden die hiesigen Gastbeiträge eines Herrn Roloff nicht entgangen sein. Da ich also gern meiner Pflicht nachgekommen bin, ihn zu seinem Geburtstag an seinem Wohnort aufzusuchen, der zugleich der Geburtsort Bismarcks ist, mußte ich diesen Ort hier leider etwas vernachlässigen.

Vorher war es mir allerdings eine große Freude, auf dem Weg dorthin meinen lieben Herrn Wolff zu treffen, der auf diesem Bild vor dem neuen Hauptbahnhof posiert, den unsere ehemalige Reichshauptstadt sich zugelegt hat,



nachdem ich vorher ähnliches getan hatte:



Und dies ist also unser Herr Roloff:



Nicht auf dem Feldherrnhügel, wie man mutmaßen könnte, nein nur auf dem Elbdeich, da Schönhausen nun einmal an der Elbe liegt, und ich muß gestehen, unser stolzer deutscher Strom mutet, wenn er nicht gerade Hochwasser führt, etwas, nun ja, sagen wir, zurückhaltend an.



Und über all diesem, damit wir nicht zu persönlich werden, und da wir gerade von der ehem. Reichshauptstadt sprachen, ist es uns unterlaufen, nicht an den 18. Januar 1871 erinnert zu haben, in dem der Staat, in dem wir formalrechtlich wohl immer noch leben, auch wenn das inzwischen peinlich berührt beschwiegen wird, begründet wurde, mit der Proklamation Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser, genau 170 Jahre nach der Gründung des Königreichs Preußen.

Samstag, 17. Januar 2009

Edward Young oder über verspätete Bewunderung

Ich kann zwar im Moment nicht mehr rekonstruieren, warum, aber ich bin seit gestern ein Fan (dieses Wort ist insofern kurios als ich kurz nach 1745 damit ziemlich „Mainstream“ gewesen wäre) von Edward Young, ein Artikel zu ihm findet sich hier, seine Nachtgedanken lassen sich hier auffinden:

„Wie arm, wie reich, wie gering, wie herrlich, wie künstlich zusammengewebt, wie wunderbar ist der Mensch… Eine erstaunliche Vermischung verschiedener Naturen! Eine vortreffliche Verbindung entfernter Welten! Ein vorzügliches Glied in der unendlichen Kette der Dinge! Der halbe Weg vom Nichts zur Gottheit! …“

"Zur Nachtzeit glaubt ein Atheist halb an Gott."

Und sollte sich jemand ins original Englische verirren wollen, dann womöglich hilfsweise hier und hier. Und vor allem hier!

"Life is the desert, life the solitude;
Death joins us to the great majority."

"In youth, what disappointments of our own making: in age, what disappointments from the nature of things."

Freitag, 16. Januar 2009

Varia



Zu meinen merkwürdigeren jugendlichen Lektüreerinnerungen zählen die „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ Jawaharlal Nehrus, die er aus der Haft seiner Tochter, der späteren Premierministerin Indira Gandhi in Briefform sandte. Davon ist zwar keine besondere Anhänglichkeit an den Autor zurückgeblieben, aber ich wurde u.a. zum ersten Mal mit einem anderen Autor bekannt gemacht, nämlich Edward Gibbon und seiner „History of the Decline and Fall of the Roman Empire“, eines der folgenreicheren Geschichtswerke, ein Auszug befindet sich in meiner kleinen Hausbibliothek.

Daß ich nicht weiter verweile, hat seinen Grund darin, daß der Kalender uns heute nötigt, mindestens an 3 Namen zu erinnern. Gibbon starb übrigens am 16. Januar 1794.


"Betrachtung einer sonderbar schönen Winterlandschaft

Die ganze Landschaft sah daher verwunderlich,
Hell, prächtig, herrlich aus, zumal
Wie bei dem Untergang der niedre Sonnenstrahl
In, durch und an die klare Glätte fiel.

Es ist fast auf der Welt kein schöner Augenziel.
Der Glanz, den König’ oder Kaiser
An Kostbarkeiten zeigen können,
Sind nichts bei diesem Glanz zu rechnen, nicht zu nennen.
Ein Wald von Bergkristall voll diamantner Reiser
Sind überall zur Schau gestellt.
Ein dresdnisch grün Gewölb war jetzt die ganze Welt,
Weil nichts als spielende Brillanten,
Als schütternde, geschliffne Diamanten,
Soweit man sah, zu sehn.

Ich mußte hier jedoch der Menschen Meinung lachen,
Die so viel Prahlerei von Edelsteinen machen.
Wie leicht kann, dacht ich, die Natur
Juwelen überall bereiten!
Die Härte fehlet ja dem Eise nur,
So hat es alle Kostbarkeiten,
Pracht, Schimmer, Wasser, Feur und Schein
Und alle rare Seltenheiten,
Die im so hochgeschätzten Demant sein.
..."

Barthold Heinrich Brockes, gestorben am 16. Januar 1747 in Hamburg, Verfasser des „Irdischen Vergnügens in Gott“, aus dem das obige ein Stück darstellt, wäre ein anderer würdiger Erinnerungsgrund.


Aber wir eilen weiter und enden aus purer Sympathie bei Arnold Böcklin († 16. Januar 1901), eine der Fassungen seines wohl berühmtesten Gemäldes eröffnet den Eingang dieses Beitrags, den wir für heute dabei belassen wollen, da ich habe lernen müssen, daß ich übermüdet in der Regel anstrengenden Unsinn produziere.

Weihnachtsbaum-Verabschiedung

Donnerstag, 15. Januar 2009

Königskinder

Während ich gerade noch eine CD höre, die ein freundlicher Mensch mir ohne mein Wissen auf den „Arbeits-Schreibtisch“ gelegt hatte, die Musik ist überwiegend sehr angenehm, irgendwie bulgarisch, gelegentlich - ich weiß nicht – auch sehr zeitgenössisch, will ich, unmittelbar vor dem Zu-Bett-gehen überrascht, auf etwas anderes verweisen:

„Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb;
Sie konnten zusammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief..."

Der weitere Text mitsamt einer englischen Übersetzung findet sich hier.

Nun, unser Herr Prof. Aue brachte mich darauf, wofür ich außerordentlich dankbar bin, weil ich mich erinnert sah, welche Tiefe in unserer Volks-Seele wohnen kann. Er selbst, dessen wir wie immer freundlichst gedenken, gedachte bei dieser Gelegenheit F. Wedekind's.

Das Nähere hier.

Es ist nicht ganz leicht zu sagen, woher die Wirkung dieses Liedes rührt, vielleicht in meinem Fall, weil meine von mir als Kind außerordentlich geschätzte Stief-Großmutter es häufig mit großer Inbrunst gesungen hat, wobei sie, wie ich zugeben muß, charakterlich so veranlagt war, daß sie die Lichter wohl auch eher gelöscht hätte.

Und als Nachtrag: Inzwischen habe ich bemerkt, daß es recht unterschiedliche Fassungen gibt und darauf doch der von Prof. Aue zitierten den Vorzug gegeben.

Die Kollegin, die mir die CD hingelegt hatte, und der ich gestehen mußte, ich wäre bei der Musik eingeschlafen, meinte übrigens heute, genau das sei die Absicht gewesen, wo ich ihr doch von Einschlafschwierigkeiten bei Vollmondnächten erzählt hätte, das betraf zwar eher jemand anderen, aber die Intention war natürlich rührend.

Mittwoch, 14. Januar 2009

humorige Unterbrechung

Zwei Vorurteile haben sich heute ein wenig relativiert: Daß Wikipedia eine vollständig humorfreie Veranstaltung ist und daß aus Langeweile keine originellen Erfindungen entstehen können. Gut, letzteres hatte ich ein wenig gemutmaßt. Das Nähere darf man gern hier nachlesen.

1978 hat also ein gewisser Bruce Robertson, ein Buchhändler der Diagram Group, während der Frankfurter Buchmesse aus Langeweile die Idee, einen Preis zu stiften, den „Bookseller / Diagram Prize for Oddest Title of the Year (deutschsprachig auch „Diagram-Preis“).

Wir müssen gestehen, ausgesprochen amüsant. (Und nur so nebenbei, eine kleine Unterbrechung in Sachen verkrampft bemühter Ernsthaftigkeit dürfte auch diesem bescheidenen Blog nicht eben schaden.)

Nachfolgend ein paar Beispiele, den Rest kann man ja unter obigem Link nachlesen:

“Versailles: The View From Sweden” (Versailles: Der Blick von Schweden),

“Oral Sadism and the Vegetarian Personality” (Oraler Sadismus und die vegetarische Persönlichkeit),

“Reusing Old Graves: A Report on Popular British Attitudes” (Von der Wiederverwendung alter Gräber: Ein Bericht über weitverbreitete britische Einstellungen),

“People Who Don’t Know They’re Dead: How They Attach Themselves to Unsuspecting Bystanders and What to Do About It” (Menschen, die nicht wissen, daß sie tot sind: Wie sie eine Zuneigung zu ahnungslosen Beobachtern entwickeln und was man dagegen tun kann),

“Population and Other Problems: …“ (Bevölkerung und andere Probleme: …).

Meinen wenigen treuen Lesern eine gute Nacht.

Dienstag, 13. Januar 2009

Varia



Mit etwas mehr Sorgfalt hätte ich sicher ein angemesseneres Stück über „Sie“ gefunden, aber dann dachte ich, ist es nicht genau so, selbst in den mißlungensten Zitaten, selbst in ihren vielleicht zweifelhaften späten Auftritten, wird man schlagartig dessen inne, man wurde von einem Dämon der Schönheit besucht.

Warum dies, nun ich hatte versprochen, mich mehr auf Dinge von angenehmem Charakter zu konzentrieren. Auch wenn mir das nur zögerlich gelingen will, ein Beispiel: Der Kalender sagt mir, Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, Gemahlin des Friedrich II., starb heute vor ein paar Jahren (1797).

Auch wenn er seinen Vater tatsächlich immer noch zu recht gehaßt haben sollte, der ihm diese Heirat aufdrang, und großen Menschen zwangsläufig der Hang zur Menschenfreundlichkeit eher abgeht, wegen einer gewissen menschlichen Störung, die die Voraussetzung ihrer Größe ist, Friedrichs Verhalten gegenüber seiner Gattin bleibt unangemessen.

Nun diesem Urteil eignet keine besondere Bedeutung, aber es taugt vielleicht zur Anzeige des Umstandes, daß meine Preußensympathien nicht ganz so ungebrochen naiv sind, wie sie erscheinen mögen, auch wenn das zweifelsohne angenehmer wäre.

Montag, 12. Januar 2009

Zu viel 19. Jahrhundert



Germania, gefunden hier

Wie ich gestern hören mußte, habe ich einen neuen Leser. Als ob das als Schicksalsschlag nicht schwer genug wiegen würde, kam noch dazu, er war baß erstaunt, wir haben uns einmal ein wenig gekannt, was sich hier an 19. Jahrhundert zeigen würde. Wir sind uns da über uns selbst nichts weniger als sicher.

Natürlich ist das 19. Jahrhundert spannend, nachdem spätestens im 18. das meiste ganz unverfroren vorbereitet worden ist, was uns heute beschäftigt, war das 19. die Zeit des ersten Katzenjammers. Die Bedeutung floß aus den Dingen, was einst von Wert war, wurde in den Steinmühlen des Nützlichen sehr klein und handlich, viele waren aufrichtig erschrocken und suchten nach Hilfsmitteln. Die Zeiten wurden grausam nüchtern.

Wir erkennen das Vergangene erst in dem Moment, in dem wir es verlieren, darin ist Trauer aber auch der Moment, in dem Bewußtsein entsteht. Ich bin mir nicht einmal sicher, daß ich das 19. Jahrhundert so furchtbar mag, es liegt einfach am nächsten, es ist gewissermaßen die verpaßte Chance von gestern, etwas Distanz zwischen sich und das Umgebende zu bringen.

Im 19. Jahrhundert spürt man das erste Erschrecken über das, in dem wir heute leben, das ist alles keine Sentimentalität, eigentlich.

Nur beiläufig doch etwas Persönliches. Heute erst erging es mir in meinen banalen Tagesangelegenheiten einmal wieder so, daß ich mir viel Mühe geben mußte, den Eindruck von Ernsthaftigkeit jemandem gegenüber zu erwecken, der mir sehr erwachsen und wichtig gegenübertrat. Ich rede im Bild gleich von etwas, von dem ich keinerlei Ahnung habe, denn mein Gefühl in solchen Situationen ist immer: Das Bemühen, ernsthaft mit Kindern zu spielen.

Sonntag, 11. Januar 2009

Samstag, 10. Januar 2009

Über Geschichte


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Manchmal geschehen auch Wunder in der Geschichte, und das Größte daran ist, daß sie gar nicht selten von einer einzelnen Person ausgehen. Im 6. und 7. Jahrhundert stolperte das Abendland geradezu dem Abgrund der Barbarei entgegen, und das von welcher verlorengehenden Höhe antiken Geistes aus.

Natürlich ging das Leben in irgendeiner Form weiter, Völkerstämme bekriegten sich, einzelne suchten nach Macht, der fränkische Volksstamm war letztlich unter den Hausmeiern der bedeutungslos gewordenen Könige dabei ganz erfolgreich. Und dann geschieht dieses Wunder, aus den Hausmeiern werden Könige, und einer dieser Könige, Karl, hat den Willen, nicht nur ein erfolgreicher Kriegsmann und halbbarbarischer Herrscher zu sein, sondern er versucht, die fast schon untergegangene Spätantike wieder zu beleben. Und es gelingt ihm.

Er läßt an Literatur aufsammeln, was noch zu retten ist, er lädt an seinen Aachener Hof, was von geistigem Rang zeugt, er läßt eine Schrift entwickeln, die die Überlieferung erleichtert, er inspiriert eine Kunstschule, die das alte antike Erbe buchstäblich ins Leben zurückruft. Er erneuert und gestaltet einen geistigen Raum, denn von nichts anderem reden doch diese materiellen Zeugnisse.

Und dabei wissen wir im Grunde nichts darüber, was ihn dazu bewogen hat. In den Quellen sehen wir einen robusten germanischen Kriegsmann, beim besten Willen keinen Intellektuellen. Gut, auch solche Naturen schmücken sich immer wieder gern mit einer ihnen ungewohnten Beute. Geist als Dekoration, letztlich ungeachtet, das gibt es bis heute.

Aber all dies war es bei ihm eben nicht. Ohne irgendwelche Voraussetzungen erkennen zu lassen, tat er das Richtige, als ob in einer unverstellten Seele schlagartig das Bild dessen aufgeht, was gerade stirbt, und diese Seele erkennt dessen Schönheit und stemmt sich diesem Untergang entgegen und sie hat die Macht dazu.

Vermutlich irgendwie in dieser Weise wurde Europa vor etwas mehr als 1000 Jahren gerettet. Nun, es gab Rückschläge, dem grandiosen Anfang folgte viel Unerfreuliches, aber all dies konnte den Anfang nicht wieder zunichte machen.

Diese beiläufigen Bemerkungen sind keiner Jahreszahl geschuldet, nur meiner momentanen Lektüre und ein wenig auch meiner Unzufriedenheit darüber, daß diese Historiker nicht dieses Wunder sehen, über das sie doch vorgeben zu schreiben.

Die obigen Bilder gehören in die sog. karolingische Renaissance und beschreiben glaube ich besser, was ich meine, als ich es vermag. Am meisten rührt mich dieser wiederaufgenommene Topos des Autorenporträts, eines Komödienautors wird 1000 Jahre nach seinem Tode gedacht, als hätte man das die ganze Zeit über so gehalten und etwas anderes lohnte keines Gedankens.

Freitag, 9. Januar 2009

Merkwürdigkeiten

„Ich hatte nicht weniger Verstand, als mir zukam; ich war alt genug, zu wissen, daß ein Versuch gemacht worden war, mich zu bestechen, und jung genug, das Erlebnis angenehm zu finden.“

Evelyn Waugh, „Wiedersehen mit Brideshead“

Es gibt zweifelsohne Sätze von größerer Bedeutungsschwere in diesem Buch. Dieser fiel mir nur gerade als einer der ersten auf. Unglücklicherweise hatte ich heute einer Kinoleiterin versprochen, ihr diesen Roman auszuleihen, nachdem ich die Neuverfilmung von „Brideshead Revisited“ zu besuchen verschmäht hatte.

Als ich noch einmal in dem Buch zu lesen begann, die Faszination ist nach so vielen Jahren ungebrochen, eine schmerzende Vertrautheit, die, so merkwürdig sie ist, mit kaum etwas verglichen werden kann.

Wo wir eben bei Merkwürdigkeiten sind. Da das Terrassenfenster meines Arbeitszimmers direkt in den gerade leider sehr winterlichen Garten geht: Offensichtlich war ein junger Mann von seinem weiblichen Gegenpart zu der Heldentat ermuntert worden, an nächtlich erleuchtete Gartenfenster zu klopfen.

Da freut man sich doch, daß man auch noch nach 1 Uhr nachts halbwegs seine Contenance zu wahren weiß. Als ich jedenfalls darauf unverzüglich, wenn auch wortlos, nach draußen ging, um den Vorgang genauer in Augenschein zu nehmen, sah ich ihn durch den Schnee davonstapfen, aus der Ferne bejubelt von ebenderselbigen Person mit den Worten: „Du bist so niedlich“. Wir wollen hoffen, daß es allen Beteiligten etwas gebracht hat. Amüsant.

Mittwoch, 7. Januar 2009

Zwischendurch

Viele Gedanken, aber nichts von Bedeutung, das jedenfalls hier mitzuteilen wäre.

Dienstag, 6. Januar 2009

Epiphanias

Es gibt ein Bild, das ich leider vorenthalten muß, da es nur in meinem Kopf existiert. Urplötzlich tauchte diese gewaltige Nebelwolke auf, als ich heute morgen am See entlang in die Stadt fahren wollte, es ist wirklich kalt geworden seit gestern, und so kämpfte das vergleichsweise warme Wasser des Sees mit der eiskalten Luft, so daß der ganze See bis an die Ufer in dampfenden Nebel gehüllt lag, durch den manchmal die Sonne brach, die eben noch alles in glitzerndstes Licht getaucht hatte, die Kamera, die ich bei mir hatte, war leider nicht betriebsbereit, von daher also Satz 1.

Heute endet mit dem Fest der Heiligen Drei Könige Weihnachten, offen gesagt, bedaure ich das seit ich weiß nicht wie langer Zeit zum ersten Mal wieder, vielleicht weil ich mir überlegen muß, ob der veränderte Anfang meiner Playlist nicht gerade unzeitgemäß wird, dabei habe ich ihn geradezu liebgewonnen. Wie auch immer.

Aufgefunden



Bei meinen heutigen Besuchen bei fremden Seelen fand ich dieses, wenn es auch auch etwas merkwürdig wirkt und ich mit Sicherheit nichts davon verstehe, klang es doch mitteilenswert.

Montag, 5. Januar 2009

Über Fremdheit







Ich muß gestehen, daß ich diese Art von Gedanken diesem Ort gern vorenthalten hätte, keine Sorge, es folgt nichts Theatralisches, offen gesagt nicht einmal sehr Originelles, aber ich fürchte, im Innern bin ich doch zu sehr 19. Jahrhundert. Aber es ist auch einfach albern, sich eines Mediums zu bedienen und sich dann zu stellen, als kenne man es nicht.

Als ich heute so aus Neugier die Kommentarseite eines Bloggers in Augenschein nahm, mit dem ich mehr als eine Mail u.a. ausgetauscht habe, in der wir uns gegenseitig unserer Freundschaft versicherten…, der in letzter Zeit aber etwas schreibfaul wurde, aus Gründen, die ich ihm abkaufen kann oder es auch sein lasse, als ich nun also diese Kommentare der treuen Leser auf seiner Seite las, wurde mir schlagartig klar, wie sehr ich ins Reich der Illusionen vorgedrungen war und wie sehr jemand hier in Gefahr steht, sich auf eine Bühne zu begeben und sich dabei vollzusaugen mit fremden Erwartungen, Sehnsüchten, Enttäuschungen, Zerstörtheiten.

Nicht daß ich mich selbst allzusehr dieser Gefahr ausgesetzt sehe, aus verschiedensten Gründen, aber diese Erkenntnis, daß man sich häufig zweifelsohne um Kontakt zu Personen bemüht hat, die es auf eine Bühne drängte, aus mutmaßlich gar nicht unbedingt zweifelhaften Motiven, die sich nun aber so zu verhalten beginnen, wie fremde Erwartungen es fordern und die irgendwann erkennen, daß sie dem gar nicht gewachsen sind (als ob das erforderlich wäre, denn lindern die verlorenen Seelen sich gegenseitig etwa ihr Los?), nun ein unwillkommener Moment der Ernüchterung, der mich nur noch mehr darin bestärkt hat, hier ausschließlich Momente des Angenehmen oder doch wenigstens Lehrreichen anzuhäufen, und darüber hinaus nichts.

Übrigens, nachdem ich meinen Leser, wer immer es zufällig sein mag, kürzlich mit jahreszeitunpassenden Bildern traktiert habe, diese hier sind aktuell, nein wir befinden uns nicht in Neuseeland, und es war sehr anregend, in der letzten Nacht den Weg rund um dieses Haus freizuschaufeln.

Sonntag, 4. Januar 2009

Dieser Ort



Da der Ort, in dem wir leben, gewissermaßen am heutigen Tag ins Leben trat, insofern als am 4. Januar 1248 Markgraf Johann I. von Brandenburg in Spandau die Gründungsurkunde der Stadt Neubrandenburg unterzeichnete, wollen wir hier kurz daran erinnern.

Samstag, 3. Januar 2009

Ausblicke







Da mir ein gewisser befreundeter Gartenblogger aus Cape Cod gerade einen prosperierenden Garten für dieses Jahr wünschte, dachte ich bei mir, warum nicht aus dem Vergangenen heraus ein wenig antizipieren, die Tagesaktualität wird doch entschieden überschätzt.



Freitag, 2. Januar 2009

Wilhelm oder Friedrich Wilhelm



Begräbnisort Friedrich Wilhelm IV., Friedenkirche Potsdam
gefunden hier

Wem nicht gerade republikanische Mißgunst oder noch Schlimmeres das Urteil trüben, wird nicht leugnen können, daß unter den Hohenzollern einige Charaktere von Rang versammelt sind. Die beiden Söhne Luisens, die nacheinander zur Herrschaft gelangten, gehören zweifelsohne dazu.

Am 2. Januar 1861 starb in Potsdam Friedrich Wilhelm IV., so daß ihm unmittelbar sein Bruder Wilhelm in das Amt folgte, das er krankheitsbedingt stellvertretend bereits für ihn ausgeübt hatte.

Ich muß gestehen, so unwesentlich das sein mag, ich habe etwas gezögert, wem von beiden ich ein paar erinnernde Bemerkungen hinterherschicken sollte, der eine im Innersten charakterfest, tüchtig, wenn auch vermutlich gelegentlich von überschaubarem Horizont, der andere, geistvoll, träumerisch, ein grandioser „Dilettant“, der den „oft todten uninteressanten Gegenden“ Leben und Geschichte einhauchen wollte, was ihm nicht zu selten gelungen ist.

An beiden haben sich Generationen von Historikern abgearbeitet, dieses wollen wir heute auf sich beruhen lassen, was dabei gerade den neueren von ihnen fehlt, um nur wenigstens dieses zu sagen, die Souveränität eines Wilhelm I., der, obwohl er ahnte, daß ihm der Fürst Bismarck in gewissen Hinsichten überlegen war ("Es ist nicht leicht, unter diesem Kanzler Kaiser zu sein."), ihn an den richtigen Stellen gewähren ließ, es hätte genug schwächere Geister gegeben, die sich eingeschüchtert gefühlt und entsprechend niederrangig reagiert hätten (im Fall des Historikers etwa, wenn er haarklein erklärt, wie er selbst es besser gemacht hätte). Aber das ist mehr ein Gegenwartsphänomen und muß uns hier nicht interessieren.

Also versuchen wir, beider zu gedenken, das obige Bild zeigt den Begräbnisort Friedrich Wilhelm IV. in meiner lieben Stadt Potsdam, das andere das Sterbebild Wilhelm I. mit seiner letzten Unterschrift. Manche mögen diese Auswahl als morbide empfinden, ich muß bekennen, für mich ist sie das genaue Gegenteil.



Wilhelm I. auf seinem Sterbebett
gefunden hier

Donnerstag, 1. Januar 2009

Über das gerade vergangene Jahr

Ich schwanke, ob ich mich der verbreiteten Übung anschließen soll, dem vergangenen Jahr einige mehr oder weniger bedeutsame Gedanken hinterherzuschicken. Das Merkwürdige ist, sobald man nachzudenken begonnen hat, wird das Bild nicht klarer, sondern es verschwimmt eher.

Kurioserweise ist dann auf einmal ein Ort wie dieser auch wieder hilfreich, da er tatsächlich so etwas wie eine Struktur nachzeichnet, die vorher nicht zu erkennen war. Und neben genug Gruseligem entdeckt man zu seiner stillen Freude die eine oder andere eigene Bemerkung, die wohl nicht gänzlich banal ist, wie etwa, als ich mich mit den Gründen für meine Geschichtstraktiererei beschäftigte, um dann festzustellen: Wir stehen auf einem Geflecht von Bedeutungen, die uns davor bewahren, ins Nichts abzustürzen, das ist die lebenserhaltende Wirkung von Kultur. Die Beschäftigung mit Dingen von Wert verändert die eigene Seele.

An persönlicher und überpersönlicher Erinnerungsarbeit habe ich es wohl nicht fehlen lassen. Ich hätte etwas neugieriger sein können. Aber nach dieser grandiosen Seifenoper vom Anfang des Jahres rings um „Herrn“ Cooper war die Neigung zu Neuentdeckungen doch wieder sehr dem Mißtrauen unterlegen. Dennoch hat es diese Entdeckungen gegeben.

Wofür ich gestern sehr dankbar war - bei meiner ausgedehnten Entdeckungstour durch einen Teil der näheren Umgebung, den ich bisher kaum erkundet hatte - daß so etwas wie eine unbeschwerte Freude zurückgekehrt war, mit der ich mich einer eindrucksvollen Naturschönheit völlig losgelöst hinzugeben vermochte. Das hatte ich wirklich vermißt.

Seit einigen Jahren habe ich das Gefühl, daß wie mein Leben zugleich ich als Person mehr und mehr zerfalle, ich hatte angefangen, mich an dieses Gefühl zu gewöhnen. Vielleicht war das die Ahnung einer Neufindung, da oft auch im eigenen Leben Dinge erst vergehen müssen, damit etwas Neues erstehen kann. Selbst wenn dazu gehört, daß die eigene Familie ein weiteres Stück mehr zerbrochen ist. Erstaunlicherweise, bei allen Enttäuschungen und Müdigkeiten, die das vergangene Jahr stark geprägt haben, läßt sich ein Zug ausmachen, der sich deutlich davon abhebt und der eben schon angedeutet wurde, ein unbestimmtes Gefühl von Dankbarkeit.