Dienstag, 24. August 2010

Über Bach

Mosaikfragment aus den Überresten des Großen Palastes in Konstatinopel
hier gefunden

Sollte eines fernen Tages vielleicht die Menschheit ausgelöscht sein, oder vielmehr der Herr hätte sie zu sich genommen, und irgendein vernunftbegabtes unbekanntes Wesen würde Musik von diesem lange vergangenen Planeten hören, wäre es zweifelsohne etwas von Johann Sebastian Bach.

Es mag verwundern, an einem 24. August über Bach schreiben zu wollen, wo doch vor genau 1600 Jahren Rom, die Ewige Stadt, von den Westgoten geschändet wurde. Es ist erstaunlich, wie einem Ort, der so aus der Verkörperung von Macht heraus gelebt hat, auf einmal die Sympathien zufliegen, wenn er an die Vergänglichkeit geführt wird. Aber bei aller geschichtlichen Relativierung, die es immer wieder gegeben hat, mindestens zwei Dinge bleiben unverrückbar: Augustinus, ein römischer Patriot, war so ins Mark erschüttert, daß er „De civitate Dei“ schrieb, „Über den Gottesstaat“, und so einen inneren Ausweg wies aus dem absehbaren Untergang seines Vaterlandes, und eine Stadt, die zumindest zu Hunderttausenden bevölkert war, würde bald zu einer Kleinstadt absinken.

Wenn man sich aufrichtig von der späten Antike anrühren läßt, kann man nicht anders sein als erschüttert. Welch ein Absturz von einer einmal erreichten Reife und Verfeinerung des Geistes. Kultur oder selbst Zivilisation sind nicht unzerstörbar, es geradezu leicht in den Zustand der Barbarei zurückzufallen. Als ich dies zu schreiben begann, stieß ich auch auf das Bild von dem Mosaikfragment aus dem Kaiserpalast von Konstantinopel, ein einstiges Wunder der Welt, von dem eine Handvoll übriggeblieben ist. Sinnbildlich geradezu.

Plünderung Roms durch die Westgoten am 24. August 410
JN Sylvestre, 1890
hier gefunden
Musik hat gegenüber Malerei oder Bildhauerei oder gar der Architektur einen Vorteil, sie braucht wenig Raum zur Überlieferung - ich widerspreche mir kurz selbst, wir wissen von der antiken Musik fast nichts, gut, von der Malerei nicht viel mehr – aber ich brauche den Gedanken, um glauben zu dürfen, Bachs Musik wird überdauern. Es genügt ja nicht, daß etwas übrigbleibt, es muß auch jemand vom Weg ablesen, weil es ihm bedeutungsvoll erscheint.

Und mit dem Empfinden eines musikalischen Laien sage ich, Bach ist die Stimme der Ewigkeit, die in uns widerhallt und mit der Ewigkeit überdauert. Ich habe mich in diesen Tagen etwas mit seiner Biographie beschäftigt, und es ist wirklich kurios, wie wir auf der einen Seite die Zeitgebundenheit seiner Neider, Kritiker, was immer, haben und auf der andren Seite ihn. Ich habe ein paar dieser Zitate einfach einmal zusammengestellt und in einen alten Post verfrachtet, man mag sie dort nachlesen.

Zurück zu Bach. Ich bin mir nicht sicher, wie weit er sich dessen bewußt war, wie sehr er auf eine gewisse Weise seine Zeit hinter sich ließ. Klar ist, er hat aus einem großen Gottvertrauen gelebt, das so zu keinen Zeiten selbstverständlich ist. Das sagt schon ein Eintrag wie dieser in seiner Bibel „Bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnadengegenwart.“ Dieser Satz kann aber auch so gelesen werden, daß Musik über die Macht verfügt, ihn gegenwärtig zu machen. Wenn man so will ist seine Musik das Zwiegespräch zwischen Gott und der menschlichen Seele, so wie er sie am Ursprung erschuf, ein sehr ernstes Zwiegespräch mitunter.


Leitung: Karl Richter
Agnus Dei - Messe in h-Moll
hier gefunden



Peter Schreier, Knabenalt des Dresdner Kreuzchores
Agnus Dei - Messe in h-Moll BWV 232
hier gefunden

Ich fand es wirklich interessant, einmal diese beiden Interpretationen des Agnus Dei aus der Messe in h-Moll BWV 232, gegeneinander zu stellen. Ich wollte zuerst noch eine dritte, gesungen von einem Countertenor, dazutun, aber während ich sie hörte, muß ich mich an eine Diskussion erinnern, die ich gestern mit einem Freund hatte, ich fürchte, er hat nicht ganz unrecht.

Enden will ich mit einem Stück aus dem „Musikalischen Opfer“, bekanntlich wollte Friedrich II. mit diesem Bach aufgegebenen Thema diesen wohl etwas auf die Probe stellen. Daß das nicht respektlos und aus einer Laune geschah, mag man daran erkennen, daß Friedrich II. noch 1774 nach dem Zeugnis von Gottfried van Swieten das vorgebene Thema wiederzugeben vermochte, das war 24 Jahre nach Bachs Tod.


aus dem "Musikalischen Opfer"
hier gefunden

Keine Kommentare: