Dienstag, 19. April 2011

Über Zeiten


Manchmal, bei einer zufällig gewohnheitsmäßigen Handlung etwa, überfällt uns die Erinnerung an Früheres, gefolgt von einer sich kurz einstellenden merkwürdigen Vertrautheit. Die Zeit ist kein sicherer Ort. Und wenn wir unser Dasein dekorieren, verschafft das nicht selten ein dem der Sicherheit verwandtes Gefühl. Doch wie schreibt Young so schön: „Was für ein kühnerer Gedanke kann wohl im Herzen des Menschen aufsteigen als seine sichere Hoffnung auf das künftige Morgenlicht? Wo ist der künftige Morgen? In einer andern Welt. Für sehr viele ist dieses gewiß; das Gegenteil für keinen; und dennoch bauen wir auf dieses Vielleicht, auf dieses Ungefähr, welches seiner Lügen wegen berüchtigt ist, als auf einen Felsen von Diamant, unsere Gebirge von Hoffnungen; spinnen ewige Entwürfe aus, als wenn wir über den Faden jener unerbittlichen Schwestern hinaus spinnen könnten; und sterben, schwanger von Künftigkeiten des Lebens.“


Was gibt uns die Gewißheit eines künftigen Morgen (ich habe übrigens tatsächlich mit Nachträgen begonnen, auch diese Bemerkungen wurden hier erst am Donnerstag beendet, den Nachtrag zu Edward Young kann man hier nachlesen)? Mit alltäglichen Ritualen und wiederkehrenden Übungen machen wir Menschen uns das Unberechenbare, sprich unser Leben, ein wenig vertraut, Im Religiösen hat dieses Sinn, denn etwa der Mitvollzug des Kirchenjahres, der im Alltäglichen mit dem Ewigen verbindet, übersteigt gerade dieses Unsichere. Ich habe mit großer Dankbarkeit etwas bei Papst Benedikt über das ewige Leben gelesen:

„‘Ewiges Leben‘ ist nicht – wie der moderne Leser wohl unmittelbar denkt – das Leben, das nach dem Tode kommt, während das Leben jetzt eben vergänglich ist und nicht ewiges Leben wäre. ‚Ewiges Leben‘ ist das Leben selbst, das eigentliche Leben, das auch in dieser Zeit gelebt werden kann und dann durch den physischen Tod nicht mehr angefochten wird. Darum geht es: Jetzt schon ‚das Leben‘, das wirkliche Leben zu ergreifen, das durch nichts und niemand mehr zerstört werden kann.“


Ich dachte, ich sollte ein paar der Gedanken festhalten, die mir bei den Bildern von den weggeräumten Resten der Weihnachtsdekoration kamen. Aber um mit einer leichteren Note zu enden. Über Zerstörtes und Zerstörendes haben wir hier schon gelegentlich geschrieben, wie angenehm dagegen, mitgeteilt zu bekommen, wo sich etwas auch wieder ein wenig herstellt. Herr Roloff hatte mir einen enthusiastischen Bericht von seinem Aufenthalt auf Schloß Hohenerxleben (bei Staßfurt, südlich von Magdeburg) gegeben. Natürlich muß jede Rekonstruktion unvollständig bleiben, aber im Bemühen etwas wiederzubringen drückt sich soviel aus an Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Kulturwillen, und wenn man auf Derartiges triff, stellt sich oft die Art einer Vertrautheit her, für die ich noch keinen Begriff gefunden habe, nur das sichere Gefühl auf sie gestoßen zu sein, wenn ich ihr begegne. Und so erging es ihm wohl auch. Hier ein Link zu dem Ort.

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