Montag, 8. Juni 2009

Arnold Böcklin oder Über das Lebendige in der Malerei


Arnold Böcklin, "Heiliger Hain", 1886
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1897 wird aus Amerika ein Telegramm zum 70. Geburtstag eines Mannes abgesandt, das lediglich mit „Boecklin Europe“ adressiert ist, es erreicht den Maler problemlos.

Arnold Böcklin (1827-1901) war um 1900 eine Berühmtheit ersten Ranges. Und das obwohl er gewissermaßen quer zu seiner Zeit stand, Bewunderer jedenfalls sahen ihn oft als Anti-Impressionisten an, der deutsche Tiefe und Lebendigkeit gegen die aus Frankreich kommende Oberflächlichkeit der neuen Malweise behaupte. Dabei war er Schweizer, und ein Schweizer hatte mich kürzlich gebeten, etwas über ihn zu schreiben, was ich gern tue, daher geschieht dies einmal außerhalb üblicher Jahrestage.


Arnold Böcklin, "Die Toteninsel", 3. Fassung
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Daß er heute vielfach vergessen ist, kommt nicht von ungefähr, denn natürlich entspricht dem heutigen Zeitgeschmack viel eher ein Liebermann als ein Böcklin. Man unterschätzt leicht den mentalen Unterschied unserer Gegenwart zu dem, was vielen vor 100 Jahren auch in der Kontroverse verständlich war.

Vielleicht mag das ein Zitat andeuten, mit dem in der Zeitschrift „Der Kunstwart“ 1903 eine Berliner Impressionistenausstellung bedacht wurde: „Die Wände sind reihenweise mit grellen, gewaltsamen und leeren Bildern bedeckt.“ „Bloße Sinnenkunst“ sei es, technisch bereichernd, aber als Kunstprinzip töte sie den Geist und die Phantasie, denn die Form sei ihr alles und der Inhalt nichts.

Das sei angeführt, um zu zeigen, daß Böcklin, obwohl am Ende berühmt, schon zu Lebzeiten im Parteienstreit stand. Dabei war er jemand, der selbst keine Scheu vor Schroffheiten hatte. So etwa über Makart, der hier kürzlich einmal vorgestellt wurde:

„Eine Gedankenlosigkeit, eine Verwirrung herrscht da, die unglaublich ist. Man weiß nicht, was vorn und hinten ist, warum das da ist, - nur um sich gegenseitig zu stören, - man weiß nicht, mit was für einem Schädel man es zu tun hat … Makart ist übrigens durchaus kein Schwindler. Was er macht, ist sein, und wenn es auch nicht sehr hoch steht, so hat er es doch auch nie für mehr ausgegeben. Andere haben anderes für sich darin gefunden, haben es anders genannt, und - mein Gott - er hat es sich gefallen lassen".

Böcklin war ein sehr gebildeter Maler, durchaus auch mit kuriosen Neigungen (etwa im Technischen, er versuchte nebenbei Flugzeuge zu bauen), die seiner Begabung weniger entgegenkamen. Er war jemand, der etwas und nicht sich erzählen wollte, in diesem Sinne eher ein objektiver Maler, soweit das für einen Künstler möglich ist, aber er wollte keine Oberflächen abzeichnen.

„Ich sei intolerant, sagen die Leute, gegen andere Richtungen. Richtungen! Es gibt nur eine Kunst, aber so viele Individualitäten wie wirkliche Künstler oder solche, die es ehrlich werden wollen. Aber Affaristen und Leute, die sich vor ein gefälliges Stück Natur setzen, um es nachzuahmen und höchstens den Ausschnitt aus dem Ganzen, das Format, bestimmen, sind eben keine Künstler."

In Umkehrung eines anderen Wortes: Nicht alle Wege führen nach Rom!

Wenn in seiner Imagination der Antike (es findet sich darin eine Lebendigkeit, wie sonst vielleicht, wenn auch völlig anders, nur noch bei Alma-Tadema oder Waterhouse) mythologische Gestalten auftauchen, dann nicht als Staffage.

Denn er will nicht abzeichnen oder dekorieren, sondern Angeschautes und beim Sehen Empfundenes lebendig werden lassen. Er will einer Erinnerung, einer inneren Wahrheit zu knappem und klarem Ausdruck verhelfen. Um ein eher schlichtes Bild zu verwenden: Er will unsere Hand nehmen und sie auf das Wesen der Dinge legen.


Arnold Böcklin, "Spiel der Wellen", 1883
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„Ich sehe gar nicht ein, warum ich hübsche Weiber malen muß. Ich male ja nicht aus Höflichkeit, oder damit es jedem geilen Kerl gefällt."


Arnold Böcklin, "Pan im Schilf", 1859
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„Der andere soll aus meinen Bildern verstehen, was ich an Natur, Leben etc. genossen habe; also muß ich mir vor allem klar darüber sein und mich klar ausdrücken können."


Arnold Böcklin,"Vita somnium breve"

Dann noch ein wenig Literatur: Neben dem wohl unvermeidlichen Wikipedia-Artikel 2 Rezensionen aus der Neuen Zürcher Zeitung, hier und hier, und wie ich herausfand, kann man „Arnold Böcklin“ von Heinrich Alfred Schmid, das ich in der 2. Auflage von 1922 besitze, hier als E-Book herunterladen.

6 Kommentare:

MartininBroda hat gesagt…

Maybe I will make an English summary later today.

Mr. Urs hat gesagt…

Vielen herzlichen Dank für die prompte Erledigung des Auftrags. Dein Text hat mein Interesse geweckt. Ich habe mir die NZZ-Artikel für die Bettlektüre gedruckt. Wenn das nicht reicht, dann ist da ja immer noch das empfohlene Buch.

Pilgrim hat gesagt…

Thx Martin, for a great short bio on Boecklin. Btw, I asked you too. :-) Propz Pilgrim

MartininBroda hat gesagt…

I know and try not say: Good things come to those who wait. Because I’m not sure it will be a good thing, Rilke is elegant at the outside and somewhat like a jungle within, so you have to look not to get lost, but I won’t forget you. :-)

Pilgrim hat gesagt…

I hope and wait. Btw, just an idea, to put the Rilke post in to several parts as it will be hard to comprehend if you take examples of his oevre like "Der Tod" and the 3rd or was it the 4th of the "Duineser Elegien" in one post. :-)

MartininBroda hat gesagt…

My poor summary

In 1897 a telegram came from America to the 70th birthday of a man, addressed only „Boecklin Europe “, it reaches the painter without problems.

Arnold Böcklin (1827-1901) was 1900 around a celebrity of first rank, although he stood somehow in opposition to the modern tendencies of his time. His admirers often saw him as an Anti-Impressionist, who defends the German spirit, his depth and vividness, against the superficiality of the new type of painting coming from France.

Though he was Swiss, and a Swiss man has recently asked me to write something about him, what I do gladly, therefore this happen variant from my usual writing about anniversaries.

It’s not surprisingly he is often forgotten today, because a Liebermann much rather corresponds to the today's time taste than a Böcklin. We underestimate easily the mental difference of our present time from what was 100 years ago even in a controversy understandable for most people.

Perhaps a quote makes it easier to see the difference. A magazine called „art-watcher” wrote about an exhibition of impressionist art in 1903 in Berlin: „The walls are covered by the dozen by shrill, violent and empty pictures“. Art only for eyes without any meaning, technical enriching but as a principle of art it would kill spirit and fantasy, because form means all and contents nothing (and that’s a typical controversy about impressionist art in that time!).

So Böcklin although he was famous at the end had a controversial status too. He wasn’t afraid to say harsh things about others, so for instance about the painter Makart, who was introduced here recently (http://martininbroda.blogspot.com/2009/05/der-triumph-des-kitsches.html).

Böcklin was a very educated painter, also with quite strange inclinations (e.g. technical ones, he tried to build airplanes), that doesn’t fit much to his talent. He was someone, who wanted to tell something and not himself, in this meaning rather an objective painter, as far as is possible for an artist, he didn’t want to copy surfaces.

„I am intolerant, people say, against other directions. Directions! There is only one art, but so much different ways how people are real and honest artist or at least try to be. “

In other words: There are many ways to Rome, but not all ways lead to Rome!

If in his imagination of antiquity (with a vividness you may find, for completely different reasons, perhaps only at Alma Tadema or Waterhouse) mythological figures emerge, it’s no decoration.

Because he does not want to copy or decorate, but even in his imagination seen things and his feelings from this moment become alive in his pictures. He wants to express a memory, an internal truth sharply and clear.

In order to use a rather simple comparison: He wants to take our hand and lay it on the heart of things.

A link to a English Wikipedia article: http://en.wikipedia.org/wiki/Arnold_B%C3%B6cklin