Dienstag, 17. November 2009

Über schlechtes Latein

Gregor von Tours "Historia Francorum", Manuskript aus dem 7. Jahrhundert (Paris, Bibliothèque Nationale, MS lat. 17655), hier gefunden.

Am 17. November 594 starb Gregor von Tours. Er ließ über dem Grab des Martin von Tours eine Basilika errichten und tat auch sonst viel für die Mehrung des Ansehens dieses Heiligen, vielleicht weil er bei einer Wallfahrt nach Tours am Grab des hl. Martin Genesung von einer gefährlichen Krankheit fand.

Aber das ist nicht der Grund, warum wir seiner etwas gedenken wollen. Er schrieb u.a. eine „Historia Francorum”, eine „Geschichte der Franken“ in 10 Bänden, auch genannt „Zehn Bücher Geschichten“, „Decem libri historiarum“.

Und da fiel mir eine Bemerkung unseres Kirchengeschichtlers Prof. Händler über dieses Werk ein: „Mit dessen Latein wären sie bei mir durch’s Latinum gefallen“. Nun, es bedurfte auch so mehr als eines Anlaufs. Aber in der Tat, die Sprache, in der es geschrieben wurde, ist offenkundig schauerlich, doch nicht nur dieses, auch die Schilderungen haben es in sich.

Ich hatte gehofft, ein paar eindrückliche Beispiele zu finden, leider vergeblich, ich habe das Buch gerade nicht zur Hand, so muß der Leser selbst danach suchen. Eigentlich schrieb Gregor eine Art Welt- und Heilsgeschichte, aber eben bis an die Gegenwart, die in seinem Fall die Herrschaft der Merowinger im Frankenreich war. Es ist der allerletzte Ausklang der antiken Welt vor den „dunklen Zeitaltern“, der Verfall ist überall greifbar. Es gibt den Versuch von Ehrenrettungen für Gregor von Tours, er habe ein so bedenkliches Latein geschrieben, um verstanden werden zu können, wie auch immer.

Um den Beginn der Herrschaft der Merowinger kurz zu skizzieren: 482 wurde Chlodwig König der Franken, in einer Schlacht gegen die Alemannen schwer bedrängt, ruft er endlich den christlichen Gott an und gewinnt, der alemannische König wird durch eine Wurfaxt getötet, Chlodwig läßt sich von Bischof Remigius mit 3.000 Männern seines Gefolges in der Kathedrale von Reims taufen, sagt die Legende, das fränkische Großreich nimmt seinen Anfang.

Die Merowinger hatten sich also in den Resten des Römischen Reiches in Gallien eingerichtet, die sie an sich gerissen hatten, und obwohl sie die ersten germanischen Könige waren, die sich katholisch taufen ließen, haben sie einen wirklich verheerenden Ruf, vergleichbar vielleicht mit kolumbianischen Drogenbaronen.

".. Die meisten Historiker führten nämlich den Niedergang der Merowinger auf deren persönliche Verderbtheit, ihre ererbte Degeneration oder auf beides zurück. Auf die selbstherrliche Brutalität und treulose Grausamkeit Chlodwigs und seiner Nachfolger seien Impotenz, Passivität und Inkompetenz ihrer letzten Erben gefolgt."
Patrick J. Geary, "Die Merowinger, Europa vor Karl dem Großen"

Aber es war nicht nur dieses Herrschergeschlecht, das derart degenerierte, auch materiell und geistig verarmte Gallien, wie der Großteil des übrigen Europa in dieser Zeit, aufwärts ging es in Gallien erst wieder mit Karl Martell und dann natürlich mit Karl dem Großen. Und durch Zeugen wie Gregor von Tours wissen wir etwas von diesen Zeiten. Doch wie leicht gehen solche Zeugnisse verloren und sind es auch, so daß es Abenteurern leicht wird, von erfundenen Jahrhunderten zu fabulieren.


Taufe Chlodwigs durch Bischof Remigius von Reims
hier gefunden

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