Dienstag, 10. November 2009

Literarische Streifzüge



Es war sehr anregend und angenehm heute abend, und ich bin offen gestanden zu müde, um hier noch Gedankenanstrengungen vorzutäuschen, nur soviel, zum einen sollte ich doch wenigstens den Text zitieren, von dem der Großteil des Ophelia-Mythos ausgeht, also:

"Hamlet IV, 7

Queen.
There is a willow grows aslant a brook,
That shows his hoar leaves in the glassy stream;
There with fantastic garlands did she come
Of crowflowers, nettles, daisies, and long purples,
That liberal shepherds give a grosser name,
But our cold maids do dead men’s fingers call them.
There, on the pendant boughs her coronet weeds
Clamb’ring to hang, an envious sliver broke;
When down her weedy trophies and herself
Fell in the weeping brook. Her clothes spread wide;
And, mermaid-like, awhile they bore her up;
Which time she chaunted snatches of old tunes;
As one incapable of her own distress,
Or like a creature native and indu’d
Unto that element: but long it could not be
Till that her garments, heavy with their drink,
Pull’d the poor wretch from her melodious lay
To muddy death.

KÖNIGIN
Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach
Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,
Mit welchem sie phantastisch Kränze wand
Von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen,
Die dreiste Schäfer derber wohl benennen,
Doch unsre Mädchen Toten-Mannes-Finger.
Dort, als sie aufklomm, um ihr Laubgewinde
An den gesenkten Ästen aufzuhängen,
Zerbrach ein falscher Zweig, und nieder fielen
Die rankenden Trophäen und sie selbst
Ins weinende Gewässer. Ihre Kleider
Verbreiteten sich weit und trugen sie
Sirenen gleich ein Weilchen noch empor,
Indes sie Stellen alter Weisen sang,
Als ob sie nicht die eigne Not begriffe,
Wie ein Geschöpf, geboren und begabt
Für dieses Element. Doch lange währt' es nicht,
Bis ihre Kleider, die sich schwer getrunken,
Das arme Kind von ihren Melodien
Hinunterzogen in den schlammigen Tod."

Dann: es gibt so unglaublich viele Referenzen zu Ophelia, wenigstens dieses Stück von Berlioz.


Hector Berlioz, La mort d'Ophélie, Ballade, Text: Ernest Legouvé
hier gefunden

Ich habe schon länger überlegt, wie es dazu kommt, daß literarische Gestalten eine derart eigenständige Kraft zu entwickeln vermögen, wie etwa König Artus oder König Lear oder Donquichotte oder eben Ophelia.

Bei Ophelia ist es, glaube ich, die genaue Beschreibung der Physiognomie eines Schicksals: Die verstrickte Unschuld, das schuldlose Zerbrechen an dem, welchem man nicht gerecht werden kann mit der Reinheit eines einfachen Charakters, der zudem liebt, was ihn zerstören muß. Dann das Zurückweichen in die Natur im Untergang, der Tod als eine gewissermaßen mythisch-natürliche Tröstung, im Tod wird ein Mensch zum Kind, das, mit seinem Schicksal einverstanden, zeitlos und unbeschwert spielen darf, so daß es sogar mit dieser Natur zu einer Stimme verschmilzt, wie ein Quellgeist. Eine perfekte Gestalt für zerbrochene Zeiten.


John William Waterhouse, "Ophelia" (1894)
hier gefunden

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