Dienstag, 4. Januar 2011

Nachdenkliche Würdigung


„Die eine Rose überwältigt alles, / Die aufgeblüht ist aus dem Traum. / Sie rettet uns vom Grund des Falles. / Schafft um uns einen reinen Raum…“, (wer das ganze Gedicht sucht, mag hier fündig werden). Als ich vom Tod Eva Strittmatters hörte, fielen mir merkwürdigerweise Zeilen wie diese wieder ein. Und auch, wie leicht man doch in der Jugend zum harschen Urteil neigt.

Zur Erklärung: Als ganz junger Mensch (ich habe noch einmal nachgesehen, bei ihrem zweiten Gedichtband war ich vermutlich kaum 12 Jahre alt) faszinierte mich ungeheuer die natur- und gefühlsverliebte Innerlichkeit ihrer Gedichte, ich habe sie zweifelsohne mit großer Anteilnahme gelesen, alles Erreichbare gesucht, später dann in Bausch und Bogen die Handvoll schmaler Gedichtbände als zu nahe am Kitsch aus meiner Büchersammlung verbannt. Es war bis auf die Briefe aus Schulzenhof I nichts mehr auffindbar, wahrscheinlich verschenkt, sie war schließlich sehr populär. Im Osten Deutschlands ist das wohl auch so geblieben, im Westen war es nie so. Vielleicht liegt es daran, daß sich mehr eine Bereitschaft erhalten hatte, sich einem bestimmten romantischen Tonfall, einer verinnerlichten Weltsicht zu öffnen, irgendwie hatte ich immer den Eindruck, daß gegen alle äußeren Veränderungen sich bestimmte ältere Gefühlslagen hier länger erhalten hatten (vom Religiösen abgesehen).

Wie gesagt, ich hatte Mühe, etwas von ihren Gedichten zu finden, daher die Verzögerung, und bin, mit diesem Abstand von 20 Jahren ihre Sachen wieder lesend, hin- und hergerissen.

„Ich mach ein Lied aus Stille.
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter;
Und so vergeh ich nicht.“

Das sind die letzten Zeilen aus dem Gedicht „Vor dem Winter“. Es gibt einiges an Seiten, die sich ihrer Dichtung annehmen, dieses etwa konnte ich an diesem Ort wiederfinden. Und ein anderes, sehr schönes über die Mark Brandenburg findet man hier, es beginnt:

„Mich rühren die sandigen Wege
Im alten sandigen Land.
Die Heckenrosengehege.
Die Holderbüsche am Rand
Der alten Felderraine.
Die Gräser reden mir da
Von Zeiten, die warn noch nicht meine,
Als ich das Früheste sah:…“

Und so wie man bei Annette von Droste-Hülshoff die Physiognomie des alten Westfalen zu erkennen glaubt, findet man in diesen Worten, auf ganz andere Weise, etwas von der Wahrheit, wie Charakter und Geschichte einer Landschaft die eigene Seele zu prägen vermögen.

Es gibt eine einfach daherkommende Sprache, die gleichzeitig von naturhafter Schönheit ist, bei Luther etwa findet man sie oft. Schlichte Gemüter mögen meinen, daß so etwas aus einer schlichten Denkungsart entstehen muß, nun brauchen uns derartige Leute nicht weiter zu interessieren, ich sage das nur, weil sie mitunter reichlich unbefangen mit den sprachlichen Mitteln umgeht und auch vor dem Einfachsten nicht zurückschreckt, das ist oft groß, mitunter irritiert es jedoch. Es steckt aber in allem soviel Herzenswärme, Lebensklugheit, Genauigkeit im Sehen und Weisheit aus Leidenserfahrung, daß auch das Schwächere davon getragen wird. Ein 14jähriger mag das ahnen, ein 19jähriger schon nicht mehr verstehen. Später kommt das dann irgendwie zurück, meistens. Ich wollte keinen Nachruf verfassen, dafür bin ich gänzlich ungeeignet, einen sehr angenehmen findet man hier, dieses und dieses erscheint zumindest interessant.

Lassen wir sie am Schluß selbst noch einmal zu Wort kommen, sie beklagt sich dort über Briefe von Lehrern und Schülern, und dabei wird umgekehrt deutlich, was ihr selbst am Herzen lag: „Nichts von Verbindlichkeit, keine Vorstellung davon, daß man einem Menschen schreibt,…Wohl kann man Wissen finden, aber wenig Kultur ist da (denn echte Freundlichkeit hat viel mit Kultur zu tun) und keine Eleganz.“ Sie hingegen war zweifelsohne ein aufmerksamer, das Verbindende suchender Mensch, und ein hilfreicher zudem, sie hat vielen geholfen, sich im Leben zurechtzufinden und sie hat mit ihren Versen vielen das Tor zur Schönheit und Tiefe der Poesie aufgemacht. Das ist nicht wenig.

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