„Heine hat, um es in einem Wort zu sagen, im Gros seiner Gedichte eigentlich nichts zu sagen, aber das macht er sehr schön. Und da er viel zu gewitzt ist, um nicht zu ahnen, dass viele Leser das Spiel durchschauen, durchbricht er es gern mit einer ironischen Pointe.“ So schreibt der „Morgenländer“ ein wenig böse über Christian Johann Heinrich Heine, der am 17. Februar 1856 starb. Ich habe in der Tat ebenso meine Schwierigkeiten mit Herrn Heine, da man häufig nicht weiß, ob seine ironischen Brechungen irgendwann einfach nur zur Masche wurden, oder man doch nach einer tieferen Bedeutung suchen sollte. Das scheint viele nicht gestört zu haben, so sie es denn bemerkten, ich höre immer noch meine verstorbene Stiefgroßmutter hingebungsvoll „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ singen. Wie auch immer, das Leben ist oft nicht leicht und hinterläßt dann nicht selten seine Spuren in der Lyrik, seine sind zumindest eindeutig originell.
Ich muß zugeben, seine Vorrede zum Buch der Lieder hat mich berührt als ich sie wieder las: „Erste Gedichte! Sie müssen auf nachlässigen, verblichenen Blättern geschrieben sein, dazwischen, hie und da, müssen welke Blumen liegen, oder eine blonde Locke, oder ein verfärbtes Stückchen Band, und an mancher Stelle muß noch die Spur einer Träne sichtbar sein... Erste Gedichte aber, die gedruckt sind, grell schwarz gedruckt auf entsetzlich schwarzem Papier, diese haben ihren süßesten, jungfräulichsten Reiz verloren und erregen bei dem Verfasser einen schauerlichen Mißmut…
‚Die Heimkehr‘, welche zuerst in den Reisebildern erschien, ist der seligen Friederike Varnhagen von Ense gewidmet, und ich darf mich rühmen, der erste gewesen zu sein, der diese große Frau mit öffentlicher Huldigung verehrte. Es war eine große Tat von August Varnhagen, daß er, alles kleinliche Bedenken abweisend, jene Briefe veröffentlichte, worin sich Rahel mit ihrer ganzen Persönlichkeit offenbart. Dieses Buch kam zur rechten Zeit, wo es eben am besten wirken, stärken und trösten konnte. Das Buch kam trostbedürftig zur rechten Zeit. Es ist als ob die Rahel wußte, welche posthume Sendung ihr beschieden war. Sie glaubte freilich, es würde besser werden, und wartete; doch als des Wartens kein Ende nahm, schüttelte sie ungeduldig den Kopf, sah Varnhagen an, und starb schnell - um desto schneller auferstehen zu können…
Diese Zeit ist vorbei! Ich bin jetzt mehr erleuchtet als erhitzt. Solche kühle Erleuchtung kommt aber immer zu spät bei den Menschen. Ich sehe jetzt im klarsten Lichte die Steine, über welche ich gestolpert. Ich hätte ihnen so leicht ausweichen können, ohne darum einen unrechten Weg zu wandeln. Jetzt weiß ich auch, daß man in der Welt sich mit Allem befassen kann, wenn man nur die dazu nötigen Handschuhe anzieht. Und dann sollten wir nur das tun, was tunlich ist und wozu wir am meisten Geschick haben, im Leben wie in der Kunst. Ach! zu den unseligsten Mißgriffen des Menschen gehört, daß er den Wert der Geschenke, die ihm die Natur am bequemsten entgegen trägt, kindisch verkennt, und dagegen die Güter, die ihm am schwersten zugänglich sind, für die kostbarsten ansieht. Den Edelstein, der im Schoße der Erde festgewachsen, die Perle, die in den Untiefen des Meeres verborgen, hält der Mensch für die besten Schätze; er würde sie gering achten, wenn die Natur sie gleich Kieseln und Muscheln zu seinen Füßen legte. Gegen unsere Vorzüge sind wir gleichgültig; über unsere Gebrechen suchen wir uns so lange zu täuschen, bis wir sie endlich für Vortrefflichkeiten halten. Als ich einst, nach einem Konzerte von Paganini, diesem Meister mit leidenschaftlichen Lobsprüchen über sein Violinspiel entgegentrat, unterbrach er mich mit den Worten: Aber wie gefielen Ihnen heut meine Komplimente, meine Verbeugungen?
…
In einem Stücke von Raimund, dem wackeren Komiker, der sich unlängst aus Melancholie totgeschossen, erscheinen Jugend und Alter als allegorische Personen, und das Lied welches die Jugend singt, wenn sie von dem Helden Abschied nimmt, beginnt mit den erwähnten Versen…
O, Ihr Götter! ich bitte Euch nicht mir die Jugend zu lassen, aber laßt mir die Tugenden der Jugend, den uneigennützigen Groll, die uneigennützige Träne! Laßt mich nicht ein alter Polterer werden, der aus Neid die jüngeren Geister ankläfft, oder ein matter Jammermensch, der über die gute alte Zeit beständig flennt... Laßt mich ein Greis werden, der die Jugend liebt, und trotz der Alterschwäche noch immer Teil nimmt an ihren Spielen und Gefahren! Mag immerhin meine Stimme zittern und beben, wenn nur der Sinn meiner Worte unerschrocken und frisch bleibt!“
Geschrieben zu Paris im Frühjahr 1837.
Heinrich Heine
Ich wandelte unter den Bäumen
Mit meinem Gram allein;
Da kam das alte Träumen,
Und schlich mir in’s Herz hinein.
Wer hat Euch dies Wörtlein gelehret,
Ihr Vöglein in luftiger Höh?
Schweigt still, wenn mein Herz es höret,
Dann thut es noch einmal so weh.
„Es kam ein Jungfräulein gegangen,
Die sang es immerfort,
Da haben wir Vöglein gefangen
Das hübsche, goldne Wort.“
Das sollt Ihr mir nicht mehr erzählen,
Ihr Vöglein wunderschlau;
Ihr wollt meinen Kummer mir stehlen,
Ich aber niemanden trau’.
2 Kommentare:
Eine wirklcih wunderschöne Vorrede, die (wie ich finde) einmal mehr zeigt, was Heines wirkliche Stärke war: die Prosa nämlich, vor allem der Essay und das Feuilleton.
Ich kenne im 19. Jahrhundert keinen zweiten deutschen Essayisten, den zu lesen ähnliches Vergnügen bereitet.
Nun, ich mag den Prosastil von Fontane auch sehr, wenngleich seine "Wanderungen" wohl keine Essays sind. Und über Heine, ja ich fand das wirklich anrührend, er ist wirklich ein ganz merkwürdiger Lyriker, früher habe ich in diesen ironischen Brechungen eine Art innerer Gebrochenheit gesehen, aber ich weiß nicht recht. Vielen Dank für den Besuch hier.
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