Samstag, 21. November 2015

"Wie seltsam kurz ist dieser Tag gewesen"


Von mir aus hätte es jetzt weiter 3 Monate Herbst geben können, und dafür keinen Winter. Es beginnen in Wahrheit Nachträge, Und wir werden sehen, wie weit wir damit kommen.

Ich dachte, hier schon einmal Gedichte von Maria Wandelt vorgestellt zu haben. Nein, hatte ich nicht. Es verharrt dort schier endlos lang auf dem Wort „ich“. Und dieses „Ich“ konnte es dann selbst kaum wiederlesen.

Diesmal bringen wir Bilder von vor dem Schnee, und eine unkommentierte Auswahl.

„Die Nebelfrauen hocken in den Zweigen / und schlürfen von der Blätter grünem Saum / das Leben und der Winde Sommerregen...“ Ein kurioser Verschreiber. Wie antwortet man auf die Zumutungen der Zeit und der Umstände und den nebensächlichen Rest? Mit Worten, am besten wohl.


Maria Wandelt

Oktobermorgen

Am Morgen steht der Wald im Tau und Traum.
Verstummt und fern die großen Wipfel schweigen.
Ein seltsam Bangen ist um jeden Baum.
Die Nebelfrauen hocken in den Zweigen
und schlürfen von der Blätter grünem Saum
das Leben und der Winde Sommerreigen
ganz leicht und leis. Das Laub es spürt es kaum;
jedoch ein Frösteln bleibt, ob Lichter steigen
und Strahlen auch, wenn Sommer füllt den Raum.


Regenfall

Der Himmel dicht bedrängt von Wolkentieren.
Sie wachsen riesig, fressen alles Blau,
gebuckelt und gebuchtet, weiß und grau;
Wind treibt sie, daß sie sich im Kampf verlieren,
sich jetzt zerstören, nun sich neu gebären;
nicht länger Tiergestalt, hier Burg und Wall,
die schon verdunkeln, kühler Tropfenfall,
herbstliche Zeiten, die im Sommer währen.

Die Pflanzen zittern, einsam, seltsam blaß,
kein Falter, keine Biene sucht die Blüten.
Sogar die Schwalben, diese nimmermüden
geliebten Schwätzer schweigen in dem Naß.


Aprilnächte

Ach, daß wir wieder auf die Stille lauschen,
wenn Bäume in den Sternennächten singen;
wortlos, sehr sanft der Hauch, die Winde klingen,
die Traum und Leben schenken selbst den Dingen,
fernferne Melodie wie Muschelrauschen;
die nahe auch in unsre Seele dringen
und letzte Ängste klar zum Leuchten bringen.

In diesen Nächten selbst der Vogel schweigt,
sein zarter Jubel wäre noch zu laut.
Nur Stille ziemt, da neues Leben baut
ER, dem ein jedes Leben ist vertraut
und dem sich SEIN Geschöpf in Demut neigt...
doch auch der Tod großäugig auf IHN schaut;
nichts, das in solcher Nacht sich vor ihm graut.


Was möchte ich sein?

Was möcht' ich sein? Nebel, der nächtlich deckt,
sehr sanft, doch voller Unerbittlichkeit?
Warm rotes Brombeerblatt, das Trauer weckt,
Gedenken fast vergessner Frühherbstzeit?

Die Puppe, die so grenzenlos vertraut,
darin Zitronenfalter - Lebenszeichen -
den zarten Leib, die feinen Flügel baut,
im Frühling sonnenselig zu entweichen?

Schlaf möcht ich sein, Schlaf, den der Tod vollendet;
mit vielen Pflanzen letzte Wege gehn;
so tief befriedet, wie ihr Leben endet -
und einst - verwandelt – so wie sie erstehn.


Spätherbstbilder

Weiß steigen Nebel auf aus See und Feld,
ein schwarzer Schwarm - zum Schlafbaum ziehen Raben,
ihr Krächzen fremd in diese Stille fällt.
Blau hängen Schlehenbeeren überm Graben.
Fast nur geahnt – dort auf der Wintersaat
sechs Rehe, die im lichten Dämmer äsen.
Im Dorn ein Vogelzwitschern einsam zart.
Wie seltsam kurz ist dieser Tag gewesen.


© Gerhard Busse, Rodenskrug 2014

nachgetragen am 24. November

3 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Schoene Gedichte! Ich hatte die Autorin nicht gekannt, aber ich bin sehr froh, sie kennengelernt zu haben. Danke!

MartininBroda hat gesagt…

Schön, daß Sie es mögen. Ich war über meine Geschwätzigkeit ernsthaft erschrocken und habe dann lange gelesen und ausgewählt. Aber ich bekomme gerade eine Idee.

MartininBroda hat gesagt…

Ich hatte gerade einen späten Besuch von dem Herausgeber der Sachen. Wenn Sie mir bitte Ihre Anschrift bestätigen würden (hatte es gerade über Skype versucht), dann schicke ich es.