Sonntag, 31. Januar 2010

Samstag, 30. Januar 2010

Sonnabendmorgen-Vergnügen









Und das war der Anblick heute Nachmittag nach einem kleinen vormittäglichen Schneesturm ...







Aber wenigstens gab es, wo es schon den ganzen Tag eher düster aussah, noch einen erfreulichen Abendhimmel.



Freitag, 29. Januar 2010

Kaiserliche Nachträge



Ein Nachtrag gewissermaßen zu etwas, das noch gar nicht veröffentlicht ist, ich hatte mir kürzlich ein paar Gedanken zu Wilhelm II. gemacht und will noch einmal darüber schlafen, ich mag es nämlich nicht, wenn ich zu polemisch werde.

Donnerstag, 28. Januar 2010

Mittwoch, 27. Januar 2010

Kaisergeburtstag



An einem 27. Januar (1850) starb ein großer Bildhauer, nämlich Johann Gottfried Schadow, u.a. stammt die Quadriga auf dem Brandenburger Tor von ihm, und es verschied ein des Erwähnens wohl würdiger Architekt - Leo von Klenze, am 27. Januar 1864. Vielleicht war es seiner Bekanntheit etwas abträglich, daß er sich vor allem in Bayern ausgetobt hat, aber an diesem Beispiel mag man sehen, daß das zu Unrecht geschähe.


Walhalla bei Regensburg, Leo von Klenze
hier gefunden
Und dann ist heute der Geburtstag des letzten deutschen Kaisers.

Ich bin einer von diesen komischen Menschen, die, wo einer zu Unrecht drangsaliert wird, sofort heftige Sympathien entwickeln. So ergeht es mir mit Wilhelm II. Es ist teilweise geradezu obszön, was an so gehässigen wie falschen Urteilen über ihn ausgeschüttet wird. Und man muß nur eine dieser verzerrten Darstellungen lesen, um Wilhelm II. wieder zu mögen, denn es ist ja nun nicht so, daß das selbstverständlich und er eine reine Lichtgestalt wäre, schließlich hat er uns letztlich fahrlässig in die Niederlage von Versailles geführt.


Kaiser Wilhelm II. in russischer und Zar Nikolaus II. in preußischer Uniform
hier gefunden

wird fortgesetzt

Montag, 25. Januar 2010

Daniel Casper von Lohenstein


25. Januar 1635 - 28. April 1683
Abbildung aus dem Todesjahr, hier gefunden

Das Herz

Nicht zürne, daß mein Herz so heißen Brand ausübet,
Weil deine Schönheit selbst der Flammen Zunder hegt,
Schuld und Entschuldigung in ihren Augen trägt;
Das Meer kann nicht dafür, daß sich der Himmel trübet,
Sich mit den Wolken armt, der Erde Dünste liebet.
Die Sonn' ist's, die das Salz in allen Dingen regt,
Der Klüfte Glut beseelt, den Geist der Welt bewegt,
So Schnee als Eise Brand, den Steinen Leben giebet.
Soll meine Seele nun entseelter, als ein Stein,
Mein Herze frostiger, als Eiseszapfen sein?
Es brennt und ist von Lieb', als schmelzend Erz zerronnen.
Denn Lieb' ist ja die Glut der Seelen; sie erfüllt
Mit Feuer unser Herz, das aus den Augen quillt.
Die sind der Liebe Brunn, der Seelen lichte Sonnen.

Sonntag, 24. Januar 2010

Friedrich der Große


Porträt König Friedrich II. von Preußen,
von Johann Georg Ziesenis, 1763
hier gefunden
„Ich glaube, Mitleid und das Bestreben, einem beistandsbedürftigen Menschen zu helfen, sind Tugenden, die den meisten Menschen angeboren sind. Wir denken an unsere eigenen Gebrechen, an unser eigenes Elend, wenn wir das der anderen sehen, und wir sind ebenso hilfsbereit gegen sie, wie wir wünschten, daß sie es gegen uns wären, wenn wir in die gleiche Lage kämen.
Der Fehler der Tyrannen besteht zumeist darin, daß sie die Dinge nur unter einem begrenzten Gesichtswinkel sehen. Sie betrachten die Welt nur in bezug auf sich selbst, und da sie sich zu sehr über gewisse gewöhnliche Unglücksfälle erheben, stumpft sich die Gefühlskraft ihres Herzens dagegen ab. Wenn sie ihre Untertanen bedrücken, wenn sie hart, gewalttätig und grausam sind, so kennen sie die Natur des Leides nicht, das sie zufügen, und da sie es nicht am eigenen Leibe erlitten haben, halten sie es für allzu gering.“

So schreibt der Kronprinz Friedrich an Voltaire am 8. Januar 1739. Und ein Freiherr von Bielefeld, der auf einer Reise durch Rheinsberg kam, berichtet von dort unter dem Datum des 30. Oktober 1739:


Friedrich II., König von Preußen
Konzert Nr. 2 G-dur für Flöte, Streicher und Continuo, 2. Satz, Grave e cantabile

„Alle Beschäftigungen und Vergnügungen des Kronprinzen verraten den Mann von Geist. Er bemüht sich jetzt, die gefährlichen politischen Träume des Machiavelli zu widerlegen. Sein Gespräch bei Tafel ist unvergleichlich; er spricht viel und laut. Es scheint, als wäre ihm kein Gegenstand fremd oder zu
hoch; über jeden findet er eine Menge neuer und richtiger Bemerkungen.
Sein Witz gleicht dem nie verlöschenden Feuer der Vesta. Er duldet den Widerspruch und versteht die Kunst, die guten Einfälle anderer zutage zu fördern, indem er die Gelegenheit, ein sinniges Wort anzubringen, herbeiführt. Er scherzt und neckt zuweilen, doch ohne Bitterkeit und ohne eine witzige Erwiderung übel aufzunehmen. Glauben Sie nicht, gnädige Frau, daß mich der Nimbus blendet, der den Kronprinzen umgibt. Nein, ich schwöre es Ihnen, selbst wenn er ein schlichter Privatmann wäre, würde ich mit Vergnügen meilenweit zu Fuß gehen, wenn mir seine Gesellschaft dadurch zu teil würde ....
Die Abende sind der Musik gewidmet… Der Prinz spielt gewöhnlich die Flöte. Er behandelt das Instrument mit höchster Vollkommenheit; sein Ansatz sowie seine Fingergeläufigkeit und sein Vortrag sind einzig. Er hat mehrere Sonaten selbst gesetzt ....
Friedrich ist in allem ausgezeichnet. Er tanzt schön, mit Leichtigkeit und Grazie, und ist ein Freund jedes anständigen Vergnügens, mit Ausnahme der Jagd, die in seinen Augen geist- und zeittötend und, wie er sagt, nicht viel nützlicher ist als das Ausfegen eines Kamins.“

Friedrich der Große, auch Friedrich II. oder der Alte Fritz genannt wurde am 24. Januar 1712 geboren.


J. S. Bach - "Musikalisches Opfer" BWV 1079
hier gefunden

Am 22. Oktober 1776, am Abend seines Lebens, dichtete er das folgende:

Rückblick
Epistel an d'Alembert

Die Zeit, mein d'Alembert, befreit den Sinn
Von allem Trug, enthüllt den Menschenwahn.
Die schönen Tage sind für mich dahin,
Wo voller Freuden noch die Lebensbahn.
Das Alter kam; ich blicke kalt und klar;
Längst ließ ich schon den Dienst der Venus ruhn;
Umsonst ruft Epikur und seine Schar.
Von Vorurteilen war ich einst umsponnen –
Sie sind bei reifendem Verstand zerronnen,
Und insgeheim errötend, denk' ich nun
Des Selbstbetrugs, dem ich zum Opfer fiel.

Als ich den Thron bestieg, ward ich ein Raub
Der Ehrsucht: ew'ger Nachruhm war mein Ziel.
Ich dachte nicht ans blöde Volk im Staub,
Das Lob und Tadel ohne Wahl verstreut,
Des feiler Weihrauch nur die Toren freut,
Unwert, daß man so heiß danach begehrt
Arbeit und Sorge hat an mir gezehrt;
Uranien dienend, buhlt' ich um Bellonen;
Mein Geist, der rastlos neue Pläne reifte
Und in der Zukunft dunkle Fernen schweifte –
Er wollte nur der eignen Unrast fronen!
Die Kunst des Herrschens strebt' ich zu erringen;
Denn fest hielt mich der Wahn gebannt,
Der Geist vermöchte, rastlos angespannt,
Durch Rechenkunst das Schicksal selbst zu zwingen –
Allein was ist der Mensch und sein Verstand?

Ein Nichts kann unser Stückwerk flugs vernichten;
Des Schicksals unabänderliches Walten
Beschämt der Menschen Stolz und all ihr Dichten.
Die Würde selbst, die Macht, nach der die Fürsten
Die blöden, die sie schon in Händen halten,
Nur doppelt unersättlich dürsten,
Als müßten in gesichertem Genießen
Ströme von Glück und Wollust sie umfließen –
Auch diese Würde ändert nichts daran:
Sie sind nur Sklaven in des Schicksals Bann.

***
Dazwischen steht ein Leben von dramatischem Zuschnitt und ein Mensch, der sich um so mehr zu entziehen scheint, je näher man ihm zu kommen sucht. Das ist eigentümlich, wenn man bedenkt, wieviel Verehrung und gleichzeitig auch Ablehnung Friedrich dem Großen entgegengeschlagen sind. Er macht es aber weder Verehrern noch Gegnern wirklich leicht, wenn sie sich denn ernsthaft mit ihm beschäftigen. Das ist mir gerade wieder aufgefallen, als ich bei mir dachte, es müßte mir doch einmal gelingen, so etwas wie ein halbwegs eindeutiges Gesamtbild von dem Mann zu skizzieren, dessen Büste immerhin auf meinem Schreibtisch steht. Nein, trotz beträchtlicher Lektüre auch diesmal wieder nur ein paar Zitate und wer will, mag etwa hier und hier selbst weiterlesen.

Samstag, 23. Januar 2010

Über den Ernst des Schönen - Peter Joseph Lenné


Grabkreuz für Peter Joseph Lenné auf dem Friedhof von Bornstedt bei Potsdam
hier gefunden

Zunächst bitte ich um Entschuldigung für diesen nachgeholten Beitrag, denn das Datum ist irreführend. Ich wollte diesmal wirklich etwas Gehaltvolleres zu Lenné schreiben. Aber wie mir schon vor einem Jahr an gleicher Stelle auffiel, es ist schwierig zu beschreiben, welch ein Zauber und ein Gefühl wiederhergestellter innerer Harmonie von einer poetisch gestalteten und überraschend geordneten Landschaft auszugehen vermögen. Man muß sich durch sie hindurchbewegen, sie erwandern. Das macht eine Würdigung Lennés zumindest für mich derart schwierig. Große Gartenkunst hat die Macht, jedes verwundete Dasein für einen Moment zu heilen.

Biographisches mag man hier nachlesen. Nur soviel noch, er wurde in Bornstedt begraben, und da ich immer noch hoffe, dort auch eines Tages eingescharrt zu werden, ich würde wirklich vortreffliche Gesellschaft haben.

Freitag, 22. Januar 2010

Else Lasker-Schüler



Else Lasker-Schüler

Ein Lied

Hinter meinen Augen stehen Wasser,
Die muß ich alle weinen.

Immer möcht ich auffliegen,
Mit den Zugvögeln fort;

Buntatmen mit den Winden
In der großen Luft.

O ich bin so traurig - - - -
Das Gesicht im Mond weiß es.

Drum ist viel samtne Andacht
Und nahender Frühmorgen um mich.

Als an deinem steinernen Herzen
Meine Flügel brachen,

Fielen die Amseln wie Trauerrosen
Hoch vom blauen Gebüsch.

Alles verhaltene Gezwitscher
Will wieder jubeln,

Und ich möchte auffliegen
Mit den Zugvögeln fort.



Giselheer dem Heiden

Ich weine -
Meine Träume fallen in die Welt.

In meine Dunkelheit
Wagt sich kein Hirte.

Meine Augen zeigen nicht den Weg
Wie die Sterne.

Immer bettle ich vor deiner Seele;
Weißt du das?

Wäre ich doch blind -
Dächte dann, ich läg an deinem Leib.

Alle Blüten täte ich
Zu deinem Blut.

Ich bin vielreich,
Niemandwer kann mich pflücken;

Oder meine Gaben tragen
Heim.

Ich will dich ganz zart mich lehren;
Schon weißt du mich zu nennen.

Sieh meine Farben,
Schwarz und stern

Und mag den kühlen Tag nicht,
Der hat ein Glasauge.

Alles ist tot,
Nur du und ich nicht.

~~~~~

Else Lasker-Schüler starb am 22. Januar 1945 in Jerusalem.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Carl von Preußen - über ein unerfülltes Prinzendasein


Carl Daniel Freydanck,
Ansicht von Potsdam über Glienicke, 1838
hier gefunden

Gelegentlich wird gefragt, was denn die viel bewunderte Königin Luise wirklich Bemerkenswertes hinterlassen habe, nun, z. B. recht unterschiedlich begabte, aber immer äußerst charaktervolle Kinder. Über Friedrich Wilhelm, Wilhelm und Alexandrine war hier schon etwas zu lesen, aber über den Prinzen Carl, der seinem Bruder, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV. mit Sicherheit nicht im Geringsten an Kunstsinn und Begeisterungsfähigkeit für das bedeutsam Schöne nachstand, noch nichts.


Tor des Schlosses Glienicke
hier gefunden

Es gibt vermutlich einen bedauernswerten Grund dafür. Er vereinte zwar auf sich die glänzendsten Anlagen (war zugleich gutaussehend und geistreich), dennoch blieb ihm zeitlebens eine tatsächlich angemessene Aufgabe verwehrt, was immer seine Verdienste als Chef der preußischen Artillerie oder als erster Herrenmeister des wiederbegründeten Johanniterordens sein mögen. Mit vielleicht einer Ausnahme.


Schloß Glienicke,
Blick über die Löwenfontaine zum Schloß
hier gefunden

1824 erwarb er das Landgut Glienicke bei Potsdam. 1822 hatte er eine Italienreise unternommen, und offenkundig hatte ihn das Zusammenspiel von antiker Überlieferung, Landschaft und späterer Architektur derart begeistert, daß er etwas davon in die Mark Brandenburg holen wollte, genauer, in die Nähe Potsdams. Potsdam und seine Umgebung sind steingewordene königliche Träume, was immer spätere Zeiten dazugetan haben mögen. Dies ist im Kern heute noch spürbar und vor allem das Verdienst zweier Herrscher, Friedrich II. und Friedrich Wilhelm IV. Letzterer hat noch als Prinz den Bruder lebhaft dabei unterstützt, seine „italienische Phantasie" Gestalt gewinnen zu lassen.


Schloß Glienicke. Große Neugierde, Blick in den Park.
hier gefunden

Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius als Architekten sowie Peter Joseph Lenné als Gartenschöpfer schufen dann eine gebaute Landschaft, die zusammen mit den gesammelten antiken und byzantinischen Artefakten beeindruckend von sanft gestimmter Harmonie, beiläufiger Schönheit und anhänglicher Überlieferungsfreude zeugt. Etwas, das Bilder gar nicht so leicht als Ganzes zu vermitteln vermögen. Was in und bei Potsdam errichtet wurde, ist oft einzeln gar nicht so spektakulär, mitunter fast epigonenhaft. Aber wenn man diese Orte betritt, nimmt schnell das Gefühl von einem Besitz, man schreite durch einen lebendigen Traum.

Mittwoch, 20. Januar 2010

Dienstag, 19. Januar 2010

Montag, 18. Januar 2010

Reichsgründungstag


hier gefunden

Ernst Moritz Arndt

Der Gott, der Eisen wachsen ließ

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
der wollte keine Knechte,
drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
dem Mann in seine Rechte,
drum gab er ihm den kühnen Mut,
den Zorn der freien Rede,
daß er bestände bis aufs Blut,
bis in den Tod die Fehde.

So wollen wir, was Gott gewollt,
mit rechten Treuen halten
und nimmer um Tyrannensold
die Menschenschädel spalten.
Doch wer für Schand und Tande ficht,
den hauen wir in Scherben,
der soll im deutschen Lande nicht
mit deutschen Männern erben!

O Deutschland heil’ges Vaterland,
o deutsche Lieb’ und Treue!
Du hohes Land, du schönes Land,
wir schwören dir aufs Neue:
Dem Buben und dem Knecht die Acht,
der speise Kräh’n und Raben!
So ziehen wir aus zur Hermannsschlacht
Und wollen Rache haben.

Laßt brausen, was nur brausen kann,
in hellen, lichten Flammen!
Ihr Deutsche alle Mann für Mann,
zum heil’gen Krieg zusammen!
Und hebt die Herzen himmelan
Und himmelan die Hände,
und rufet alle Mann für Mann:
Die Knechtschaft hat ein Ende.

Laßt wehen, was nur wehen kann,
Standarten weh’n und Fahnen,
wir wollen heut uns Mann für Mann
zum Heldentod ermahnen.
Auf! Fliege hohes Siegspanier,
voran den kühnen Reihen!
Wir siegen oder sterben hier
Den süßen Tod der Freien.

Ein sehr patriotisches Lied, etwas fremd geworden in den letzten 200 Jahren in seinem martialischen Tonfall, denn Ernst-Moritz Arndt hat es bereits 1812 geschrieben, da versuchten sich die deutschen Lande gerade von ihrem Befreier Napoleon zu befreien. Genauer gesagt, war letzterer damit beschäftigt, in Rußland zu scheitern und Arndt als ein glühender Agitator der deutschen Freiheit und des deutschen Selbstbewußtseins versuchte an die Selbstachtung der Deutschen zu appellieren und sie zum Widerstand gegen den Okkupanten anzustacheln.

Daß zu dieser Zeit die Franzosen nicht unbedingt beliebte Nachbarn waren, sollte einleuchten. Arndt aber war zudem der Meinung, daß es einen unverfälschten Volkscharakter zu verteidigen gälte, um solcherlei Übergriffe für die Zukunft auszuschließen. Man darf nicht vergessen, daß durch den Niedergang des Heiligen Römischen Reiches sich in den letzten Jahrhunderten fremde Mächte bis zum Exzeß immer wieder in Deutschland ausgetobt hatten, etwa die Franzosen unter Ludwig XIV. in der Pfalz. Bei Arndt führte das nun zu einer militanten Antipathie gegen alles Fremde, seien es Franzosen oder Juden, die ihm heute vorgeworfen wird.

Nun gehört Geschichtswissen geschweige denn –verständnis nicht unbedingt zu den Eigenschaften der Meinungsstarken, am wenigsten bei denen, die in Säuberungsphantasien schwelgen. Dies ist auch der Grund, warum ich dies überhaupt erwähne, denn wenn ich persönlich auch nicht der größte Arndt-Fan bin, so ist doch die Kampagne interessant, weil typisch für die Gegenwart, die gerade an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifwald eine erste Niederlage einstecken mußte. Bei einer Urabstimmung letzten Freitag unter den Studenten dort entfielen nämlich mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen (knapp 56 Prozent) gegen den Wunsch einer Kampagne, diesen Namen zu beseitigen. Ein Vorgang, der in den Medien dieses Landes nicht unbedingt die Aufmerksamkeit fand, die er sicher gehabt hätte, wenn das Ergebnis andersherum ausgefallen wäre. Aber ich will mich dahinein nicht weiter vertiefen, es gibt Gründe, warum ich die letzten 80 Jahre am liebsten unbeachtet lasse. Einer davon ist, daß derartige Purifizierungsphantasien, die sehr in Mode gekommen sind, immer auch etwas verdeckt gewalttätiges haben. Kurioserweise landen sie in diesem Fall damit genau bei der Denkstruktur, die sie doch zu bekämpfen vorgeben.

Ein anderes: Wenn man so will, wurde heute in Versailles mit der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 der deutsche Staat gegründet, in dem wir heute noch leben. Staatsrechtlich ist das wohl so, auch wenn heutzutage ungern daran erinnert wird. Der Beckmesser könnte allerdings einwenden, daß dieser Staat noch ein paar Tage älter ist, denn letztlich war dieses „Deutsche Reich“ nur die Erweiterung des „Norddeutschen Bundes“, dessen Verfassung am 1. Juli 1867 in Kraft trat. Aber genug Geschichte für heute.

Sonntag, 17. Januar 2010

Predigt des Herrn Roloff in St. Nikolai, Potsdam



Nachfolgend die Predigt, die Thomas Roloff heute, am 2. Sonntag nach Epiphanias in Potsdams Hauptkirche St. Nikolai über Römer 12, 4-16 gehalten hat. Ich hatte ihn schon gestern ein wenig mit der Bemerkung aufgezogen, sie beginne doch sehr gleichförmig, die Predigt, meine ich, aber zum Ende hin steigert sie sich deutlich. Ich kann also nur ermutigen, nicht vorzeitig aufzuhören. Einen angenehmen und gesegneten Sonntag.

Predigt

über Römer 12, 4-16 am 2. Sonntag nach Epiphanias


Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

der gesamte Text aus dem Römerbrief, den wir in der Lesung gehört haben und der dieser Predigt zu Grunde liegt, ist in meinen Augen ein großer Aufruf des Apostels zur Mäßigung, zur Bescheidenheit, zur Einfalt. Haltet euch nicht selbst für klug. So schließt Paulus diesen Abschnitt und unter diesem Satz will ich ihn beleuchten.

Folgen Sie mir zu diesem Zweck zunächst nach Ägypten. Die Kirche erinnert am heutigen Tag an den Mönchsvater Antonius, der dort um 250 geboren wurde und am 17. Januar 356 starb. Er war bereits ein Sohn reicher christlicher Eltern und wurde nach deren Tod Herr über große Güter. Ein Satz aus dem Matthäusevangelium aber veränderte seine Welt: „Wenn du vollkommen sein willst, dann verkaufe alles was du hast, und gib es den Armen.“ Er verkaufte tatsächlich alles was er hatte und wurde um 275 Einsiedler in radikaler Armut. Die Haltung des Antonius machte schon auf seine Zeitgenossen größten Eindruck und führte zu wachsender Verehrung. Jünger sammelten sich um ihn und schufen sich Unterkünfte und Einsiedeleien. So stand Antonius am Anfang des gesamten Klosterwesens und wird auch „Vater des Mönchtums“ genannt.

Als ihn dann sogar griechische Philosophen aufsuchen, fragt Antonius sie: „Warum habt ihr so große Mühen auf euch genommen, ihr Philosophen, um eines törichten Menschen willen?“ Als diese antworteten, er sei nicht töricht, sondern sogar sehr klug, sagte Antonius einfach: „Wenn ihr zu einem Toren gekommen seid, ist euer mühevoller Versuch überflüssig; wenn ihr aber glaubt, daß ich klug bin, werdet wie ich! ... ich bin Christ.“

Hier in der Einsamkeit der ägyptischen Wüste sind wir an der geistigen Quelle einer der erstaunlichsten, erfolgreichsten, schöpferischsten Bewegungen der Christenheit, wir stehen am Ursprung der Klöster, der Mönche, der Orden. Am stärksten beeindruckt mich, daß selbst diese radikal gesuchte Einsamkeit gemeinschaftsstiftend ist. Antonius floh vor den Menschen zu Gott und begründete gerade darin die inzwischen zahllosen und unendlich facettenreichen klösterlichen, mönchischen Gemeinschaften. Die Einsamkeit des Klosters ist also weniger ein Gegenbild zur Welt, als vielmehr eine Möglichkeit, die Welt dem Menschen gemäß zu gestalten. Vor dem Hintergrund des Bildes einer klösterlichen Gemeinschaft hören wir nun die Worte des Paulus von der Gestalt des Menschen als ein Leib mit vielen Gliedern, die nicht alle dieselbe Funktion haben, aber Gleichnis und Vorbild der menschlichen Gemeinschaft sein kann. Darin wird verständlich, daß der Leib Christi seine Wirklichkeit in der Welt als Gemeinschaft der Menschen gewinnt, die sich als Glieder an diesem Leib begreifen. Die Fülle des Menschseins wird eben nicht in der bloßen Gleichheit aller Menschen gefunden, sondern gerade darin, daß jeder die ihm gegebene Gabe am Leibe Christi einbringt. In einer gewissen Weise handelt es sich bei den Worten des Paulus also geradezu um einen Bauplan für ein Kloster, für einen Orden, für eine geistliche Gemeinschaft.

Als solche hören wir die nun folgenden, wunderbar einfachen, uns zur Bescheidenheit mahnenden Empfehlungen des Apostels, die uns in rechter Weise üben sollen im Umgang mit unseren Gaben: Hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben gemäß. Und unser Glaube ist es, daß Gott die Welt in Händen hält und uns liebt und das Gute will. Hat jemand ein Amt, so warte er des Amtes. Lehrt jemand, so warte er der Lehre. Ermahnt jemand, so warte er des Ermahnens. Es gibt nicht wichtige und unwichtige Aufgaben. Es sei auch nicht die eine Aufgabe, das eine Amt immer nur das Sprungbrett zum nächsten, zum vermeintlich höheren. Geht vielmehr in demütiger Weise in euren Gaben auf.
Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn.

Liebe Gemeinde,

dieser so schlichte Satz ist wiederum die unerbittliche Kampfansage an alle Formen von Werbung und Sponsoring, in denen das eine getan aber etwas ganz anderes gewollt wird. Gebt mit lauterem Sinn heißt, daß das wofür gegeben wird tatsächlich an erster Stelle steht. Wir müssen dem Menschen oder der Sache dienen, denen wir geben und sie nicht instrumentalisieren für das, was wir wollen. Ein jeder prüfe sein Gewissen ob das immer so ist.

Regiert jemand, so sei er sorgfältig, so mahnt Paulus weiter. Die Regierenden sollen Sorgfalt walten lassen in allem was sie sagen und noch mehr in dem was sie tun.
Man möchte rufen: Versprecht doch nicht so viele große Dinge, wo doch jeder wissen kann, daß auch ihr nur Menschen seid. Wer wird irgendwann noch Regierenden vertrauen, die außer Stande sind ihre Haushalte in Ordnung zu bringen aber vorgeben sie könnten sogar das Weltklima steuern? Seid sorgfältig!
Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er´s mit Lust. Das Gute, das wir tun, soll uns Freude bereiten, sonst ist es umsonst.

Dann aber wird der Apostel noch grundsätzlicher und noch einfacher, indem er uns geradezu beschwört:

„Die Liebe sei ohne Falsch. Hasset das Arge, hanget dem Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor.“

Seid fröhlich, seid geduldig und haltet an am Gebet. Wie stünde es um unsere Gemeinschaft, wenn wir uns tatsächlich, jeder in seinem Bereich, der Nöte anderer annähmen?

Herberget gerne. Noch einmal dringt zu uns ein ganz weihnachtlicher Klang in diesem Ruf: Herberget gern! Laßt nicht das Christuskind draußen vor der Tür. Bereitet euer Herz zur Krippe, damit Gott Mensch werden kann. Segnet, die euch verfolgen; segnet, und fluchet nicht.

Dann aber auch: Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden.

Manchmal erscheint es mir bei uns eher so zu sein, daß es als gut christlich gilt, den Fröhlichen ihren Frohsinn zu verderben, indem man auf alles Traurige hinweist, und den Weinenden schon mit Trostworten zu kommen, wo sie doch erst noch den Schmerz in seiner Größe erfassen müsse.

Paulus fordert uns darum dazu auf: Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden.

Am Schluß aber stellt er heraus: Habt einerlei Sinn untereinander. Die Gaben von uns Menschen mögen noch so unterschiedliche sein, wir sollen einen gemeinsamen Sinn suchen. Auch hier wird den Menschen in unseren Tagen gern etwas anderes eingeredet und so getan, als wären die Gesinnung und der Glaube gleichgültig, wenn man sich nur irgendwelchen allgemeinen Grundsätzen gemäß verhält. Paulus aber verlangt: Pflegt den Gemeinsinn!

Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den geringen. Haltet euch nicht selbst für klug.

Ist das nicht auch zum Kern dessen geworden, was die Schar der Schüler in Ägypten bei Antonius lernen wollte? Ist das alles nicht der Kern dessen wofür Klöster und Orden Orte sein wollten und sind?

Ist das alles nicht mehr zeitgemäß?
Wo werden noch Klöster gebaut, und wer wollte in unseren Tagen Mönch oder Nonne werden?

Ich habe irgendwo gelesen: Der Mensch der Gegenwart muß sein Kloster in sich selber gründen...das Wichtigste geschieht im Alleinsein. Alle Klöster der Vergangenheit sind Weissagungen auf das, was in der Seele geschehen soll.

In diesem Sinne ist die christliche Gemeinschaft natürlich ein Kloster, ein Orden, eine Gemeinschaft, in der alles das geübt wird und in deren Mitte der Wille steht, dem Herrn zu dienen. Der Gedenktag des Hl. Antonius, des Vaters des Mönchtums, ist mithin ein idealer Tag, um alles das in Erinnerung zu rufen und um auch darin gewahr zu werden: Wir sind eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Als Protestanten legen wir immer großen Wert darauf, nicht zu den Heiligen sondern mit ihnen zu beten. Aber wir sind eine betende Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, die so am Tode Christi Anteil nimmt, um in Ewigkeit sein Leben zu teilen.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

Thomas Roloff

Samstag, 16. Januar 2010

Brockes, Heym und noch einmal Böcklin



Barthold Hinrich Brockes

Gedanken bey dem Fall der Blätter im Herbst

In einem angenehmen Herbst, bey ganz entwölktem heiterm Wetter,
Indem ich im verdünnten Schatten, bald Blätter-loser Bäume, geh',
Und des so schön gefärbten Laubes annoch vorhandnen Rest beseh';
Befällt mich schnell ein sanfter Regen, von selbst herabgesunkner Blätter.

Ein reges Schweben füllt die Luft. Es zirkelt, schwärmt' und drehte sich
Ihr bunt, sanft abwärts sinkend Heer; doch selten im geraden Strich.
Es schien die Luft, sich zu bemühn, den Schmuck, der sie bisher gezieret,
So lang es möglich, zu behalten, und hindert' ihren schnellen Fall.
Hiedurch ward ihre leichte Last, im weiten Luft-Kreis überall,
In kleinen Zirkelchen bewegt, in sanften Wirbeln umgeführet,
Bevor ein jedes seinen Zweck, und seiner Mutter Schooß, berühret;
Um sie, bevor sie aufgelöst, und sich dem Sichtlichen entrücken,
Mit Decken, die weit schöner noch, als persianische, zu schmücken.

Ich hatte diesem sanften Sinken, der Blätter lieblichem Gewühl,
Und dem dadurch, in heitrer Luft, erregten angenehmen Spiel,
Der bunten Tropfen schwebendem, im lindem Fall formiertem, Drehn,
Mit offnem Aug', und ernstem Denken, nun eine Zeitlang zugesehn;
Als ihr von dem geliebten Baum freywilligs Scheiden (da durch Wind,
Durch Regen, durch den scharfen Nord, sie nicht herabgestreifet sind;
Nein, willig ihren Sitz verlassen, in ihren ungezwungnen Fällen)
Nach ernstem Denken, mich bewog, sie mir zum Bilde vorzustellen,
Von einem wohlgeführten Alter, und sanftem Sterben; Die hingegen,
Die, durch der Stürme strengen Hauch, durch scharfen Frost, durch schwehren Regen
Von ihren Zweigen abgestreift und abgerissen, kommen mir,
Wie Menschen, die durch Krieg und Brand und Stahl gewaltsam fallen, für.

Wie glücklich, dacht' ich, sind die Menschen, die den freywillgen Blättern gleichen,
Und, wenn sie ihres Lebens Ziel, in sanfter Ruh' und Fried', erreichen;
Der Ordnung der Natur zufolge, gelassen scheiden, und erbleichen!



Georg Heym

Träumerei in Hellblau

Alle Landschaften haben
Sich mit Blau gefüllt.
Alle Büsche und Bäume des Stromes,
Der weit in den Norden schwillt.

Blaue Länder der Wolken,
Weiße Segel dicht,
Die Gestade des Himmels in Fernen
Zergehen in Wind und Licht.

Wenn die Abende sinken
Und wir schlafen ein,
Gehen die Träume, die schönen,
Mit leichten Füßen herein.

Zymbeln lassen sie klingen
In den Händen licht.
Manche flüstern, und halten
Kerzen vor ihr Gesicht.



Das Gedicht eingangs stammt von Barthold Heinrich Brockes, gestorben am 16. Januar 1747 in Hamburg. Wenn man ihn kennt, dann als Verfasser des „Irdischen Vergnügens in Gott“, überwiegend eine lyrische Meditation über Gottes Schöpfung. Vor einem Jahr um diese Zeit habe ich etwas davon zitiert, und diese beiden Arien von Georg Friedrich Händel stehen deshalb hier, weil er neun Stücke daraus als „Deutsche Arien“ (HWV 202–210) vertont hat.



Georg Heym starb ebenfalls an einem 16. Januar, am 16. Januar 1912 in Berlin. Obwohl er zweifelsohne ein bedeutsamer expressionistischer Lyriker war, muß ich gestehen, ihn meist zu respektieren, aber nur mitunter zu mögen, dieses Gedicht von ihm ist sehr schön.


Arnold Böcklin, "Villa am Meer", 1878
hier gefunden

Und dann verschied auch noch Arnold Böcklin am 16. Januar 1901 in San Domenico bei Fiesole. Hier müßte ich eigentlich weiter ausholen. Aber ehe dieser Post aus allen Nähten gerät, kann ich mich gewissermaßen am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen und auf meine Bemerkungen verweisen, die ich vor etwas mehr als einem halben Jahr machte. Nur soviel, geht es nur mir so oder scheint sich das Gartenlauben-Bild tatsächlich mit der Schöpfung des Herrn Brockes gleichsam zu unterhalten.


Arnold Böcklin, "In der Gartenlaube",um 1891
hier gefunden

Freitag, 15. Januar 2010

Dies und Das und auch Ernsthaftes



Bekanntlich gibt es 2 Traditionen, die Weihnachtszeit äußerlich zu beenden - die eher evangelische, die alles an Epiphanias enden läßt, und die mehr katholische, die das noch bis Maria Lichtmeß hinausschiebt. Ich gestehe, so gern ich eigentlich noch bis zum 2. Februar warten würde, irgendwie steht der Baum inzwischen doch zu fremd im Raum herum. Er wird die kommende Woche wohl nicht überstehen. Die Zweige werden, es ist leichtes Tauwetter angekündigt, noch als Frostschutz dienen dürfen, wenn denn der Schnee tatsächlich wegtauen sollte, danach kommen sie in den neuen Reisigzaun, und für den Stamm wird sich auch eine Verwendung finden. Jetzt sehen wir also wieder nüchterneren Tagen entgegen.

Eine Bemerkung zu Tyler, weil diese Botschaft hier nun einmal nicht zu übersehen ist - wer mag, kann das auf dem Blog seines Bruders genauer nachlesen - er ist aus dem künstlichen Koma erwacht und es ist zu hoffen, daß es jetzt mit ihm aufwärts geht. Ich verfolge Ryans Blog schon seit einiger Zeit, von daher habe ich gute Gründe, den jungen Mann persönlich sehr zu schätzen. Es ist geradezu erstaunlich, wie vollgepackt mit Ereignissen so ein vergleichsweise kurzes Leben bereits sein kann. Aber weitere Bemerkungen dazu brauchen, denke ich, einen geeigneteren Zeitpunkt.

Ich weiß, ich hinke mit meinen Beiträgen hier unverzeihlich dem Datum hinterher, hauptsächlich ist das einer merkwürdigen Müdigkeit geschuldet, die mich letztens etwas zu sehr überfallen hat, und ich mag hier kein völlig unbedachtes Zeug abstellen. Doch die nächsten beiden Posts sind eigentlich fertig, ich muß nur etwas wacher noch einen Blick darauf werfen, also bitte ein wenig Geduld.

Donnerstag, 14. Januar 2010

Christian Friedrich Henrici - der Textdichter Bachs



Nur eine kurze Notiz, aber der wichtigste Textdichter Bachs - Christian Friedrich Henrici (Picander) wurde heute, am 14. Januar 1700 geboren. Oben findet sich ein Stück aus der bekannten Kaffeekantate, zu der er den Text geliefert hat. Der Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie von 1880 über ihn gibt so amüsant deutlich den Geschmack des 19. Jahrhunderts wieder (das etwa mit der Dichtung des Barock gar nichts anfangen konnte), daß ich ihn ausführlich zitieren will.

„Unter allen diesen Dichtungen sind bloß seine Schauspiele von bleibendem Werthe, weil sie nicht blos mit komischer Kraft und Lebendigkeit des Dialogs ausgestattet sind, sondern auch weil er in denselben ... die Lebensweise der Studenten auf den deutschen Universitäten seiner Zeit und namentlich zu Leipzig sowie die verderbten Sitten des damals herrschenden Geistes überhaupt auf eine anziehende und drastische Weise schildert. Seine übrigen Gedichte sind mehr als Reimereien zu bezeichnen, mit denen er schon in seinem 14. Lebensjahre begonnen hatte. Obgleich nicht ohne Talent zur Poesie hatte H. dasselbe doch eben so wenig als der schlesische Dichter Günther ausgebildet und es eben so übel wie dieser oder der berüchtigte Menantes angewendet. Vielmehr suchte er durch geschmacklosen Witz und grobe höchst unsittliche Scherze, wodurch besonders seine „Quodlibete“ berüchtigt sind, rohere Seelen zu vergnügen und dieß ist ihm denn auch vortrefflich gelungen. Dafür aber ward ihm die Verachtung des feineren Theiles seiner Zeitgenossen sowol als der Nachwelt zum verdientesten Lohne. Dagegen verdankt ihm in anderer Beziehung die Sprichwörterkunde und deren Lexicographie sehr schätzbare noch ungewürdigte Beiträge, da alle seine Gedichte von Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten und mitunter den seltensten strotzen, die allerdings sehr oft obscönster Natur sind und aus sehr groben Unfläthereien herausgelesen werden müssen; die „satyrischen Gedichte" allein weisen 309 proverbiale Ausdrücke auf, darunter 15 Priameln. Nicht minder auch ist ihm die geistliche Liederpoesie zu Dank verpflichtet für 68 sehr wohlgelungene Lieder, die größtentheils in Gesangbücher übergegangen sind und unter denen besonders „Liebster Jesu, wilstu scheiden“, „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“ und „Wer weiß, wie nahe mir mein Ende“ hervorzuheben sind. Auch ist er der Verfasser vieler Texte zu seines Freundes Sebast. Bach Compositionen und unter diesen auch zu des letzteren berühmter Passionsmusik.“


Mittwoch, 13. Januar 2010

Ein Augenblick Stille


(c) by a friend
Theodor Storm

Meeresstrand

Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmerung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.

Noch einmal schauert leise
Und schweigt dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.




Hugo von Hofmannsthal


Terzinen über Vergänglichkeit

Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:
Wie kann das sein, daß diese nahen Tage
Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen?

Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als daß man klage:
Daß alles gleitet und vorüberrinnt

Und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
Herüberglitt aus einem kleinen Kind
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.

Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar,

So eins mit mir als wie mein eignes Haar.



(c) nbwolf
die ganze Serie findet sich hier



Wir sind aus solchem Zeug, wie das zu Träumen,
Und Träume schlagen so die Augen auf,
Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,

Aus deren Krone den blaßgoldnen Lauf
Der Vollmond anhebt durch die große Nacht.
… Nicht anders tauchen unsre Träume auf,

Sind da und leben wie ein Kind, das lacht,
Nicht minder groß im Auf- und Niederschweben
Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht.

Das Innerste ist offen ihrem Weben,
Wie Geisterhände in versperrtem Raum
Sind sie in uns und haben immer Leben.

Und drei sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein Traum.