Während ich noch mit den Nachwirkungen des Sonntagsessens kämpfe, die Bilder werden demnächst folgen (vom Essen, nicht vom Kampf), und wohl auch noch u.a. ein nachgetragener Post zur Hl. Elisabeth von Thüringen, erst einmal der Text einer Predigt, die Herr Roloff am heutigen Ewigkeitssonntag gehalten hat. Die beiden Bilder, an einem sonnigeren Tag aufgenommen, zeigen das, was inzwischen aus eben diesem Anlaß auf den Gräbern meines Vaters bzw. meiner Großmutter väterlicherseits liegt:
Predigt zum Ewigkeitssonntag
Offb. 21, 1-7
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herren Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
das ist es, was Johannes, der Lieblingsjünger Jesu bereits im sehr hohen Alter auf Patmos geschaut hat. Er war noch ein Knabe, als er zum Jünger Jesu wurde. Vieles spricht dafür, daß er identisch ist mit dem reichen Jüngling, der uns im Evangelium begegnet, und der vor Christus niederkniete und zunächst fragt, guter Meister, was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe? Es heißt dann: Jesus schaute ihn an und liebte ihn. Das soll der Hinweis auf den Jünger Johannes sein, den Jesus als einzigen in dieser besonderen Weise geliebt hat. Einiges spricht außerdem auch noch dafür, daß dieser Johannes identisch ist mit dem von Christus auferweckten Lazarus.
Der Mann, von dem wir hier heute also hören, und der, was wir hören, auf Patmos geschaut hat, war sehr alt geworden. Die Rede ging bereits unter den Jüngern, als sie noch in Jerusalem beieinander waren, dieser Jünger stirbt nicht. In seinem Evangelium aber stellt Johannes klar: Aber Jesus sprach nicht zu ihm: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, das er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?
Was aber heißt das genau? Hat Johannes es gewußt, oder hat er sich nicht doch in seinem hohen Alter, er war wohl bald 100 Jahre alt, gefühlt wie ein Wesen zwischen Leben und Tod? Ich glaube, wenn man sehr alt geworden ist, dann beginnen die Zeiten sich zu verwischen. Natürlich lebt man im Heute und doch auch immer ganz stark und natürlich in seinen Erinnerungen, und die Zukunft wird mehr und mehr eher eine Sphäre denn eine Zeit, weil sie ja den Tod immer stärker mit einschließt. Alle Zeit drängt förmlich auf ihr Ende, auf das Ende.
Am Ewigkeitssonntag machen wir uns jedes Jahr genau damit vertraut. Wir selbst werden gewahr, daß die Zukunft immer mehr eine Sphäre denn eine Zeit wird, weil sie den Tod mit einschließt. In der Natur, am Kalender, an uns selbst sehen und erleben wir das Vergehen. Vergehen ist ein sehr schönes Wort für das, was uns heute am Ewigkeitssonntag begegnet, denn das Wort trägt die Vorstellung von einem Weg in sich, der gegangen wird und endlich sein Ziel sehen läßt. Im Moment, wo wir dieses Ziel schauen, da vergehen wir, sind nicht mehr was wir waren, schwinden und verwehen und sind doch am Ziel.
So muß es gewesen sein, als Johannes auf Patmos die Offenbarung empfing, von der wir heute hören. Er war genau auf der Schwelle am Ende des Weges, in dieser Welt war ihm nichts mehr zu entdecken, und dennoch schaute er. Schaute er wirklich noch mit seinen Augen oder bereits ganz mit seinem vergehenden Wesen?
Jedenfalls wird der Seher hineingerissen in die neue Schöpfung. So nämlich, wie die erste Schöpfung durch Gottes Wort zunächst Himmel und Erde in Erscheinung treten ließ, so schaut jetzt Johannes auch den neuen Himmel und die neue Erde. Das erste aber, was der neue Himmel und die neue Erde zur Wirklichkeit werden lassen, ist das gänzliche Vergehen der alten Erde und des alten Himmel. Denn, der erste Himmel und die erste Erde vergingen und das Meer ist nicht mehr. Das läßt ein für alle Mal klar werden, daß die neue Erde nicht aus der alten Erde erwächst, oder gar unter menschlichem Mittun gleichsam aus ihr geschaffen wird, wie es die Irrlehrer aller Zeiten in schöner Beständigkeit und auch in unserer Zeit immer wieder behaupten. Die neue Erde und der neue Himmel kommen von Gott, den wir anbeten, und sie beginnen notwendiger Weise mit dem Vergehen des Alten.
Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet wie eine geschmückte Braut ihrem Mann.
Da begegnet uns wieder das schöne Bild der Hochzeit. Etwas, das getrennt war findet wieder zusammen, etwas, das zerstört war, wird wieder heil, etwas, das verloren schien, kehrt zurück. Jerusalem ist es, was Himmel und Erde verbindet. Jerusalem, die Stadt des Friedens ist es, die Gott vergegenwärtigt, Jerusalem ist es, wodurch alles, was getrennt war wieder zueinanderfindet.
Dann kommt zum Schauen das Hören hinzu. Der Mensch wird von dieser Botschaft ergriffen mit allen seinen Sinnen: Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!
Damit wird sofort klar, was eigentlich hier offenbart werden soll. Neu ist am Himmel und an der Erde, die die erste Erde und den ersten Himmel vergehen lassen, die vollständige Gegenwart Gottes.
Denn die Stimme tönt ja weiter und verkündet: Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott, wird mit ihnen sein;
Das ist nicht irgendein Wohnen, von dem hier die Rede ist, hier geht es darum, daß Gott ganz in die Mitte tritt und allen Dingen innewohnt, sie also ganz und gar erfüllt und durch seine Gegenwart vollendet. Ohne Gott ist nichts.
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Gott offenbart sich Johannes als einer, der durch die große weinende Menge geht und alle Tränen trocknet. Gott erweist sich als der Tröster, der das Leid vergessen macht, der das Geschrei verstummen läßt, der auch den Schmerz stillt.
Die Begründung, die nun mit nur fünf Worten geliefert wird, wirkt lapidar: denn das Erste ist vergangen.
Diese Worte deuten etwas davon an, daß das Leben der Menschen in der ersten Schöpfung zwar auch Gottes Willen entsprungen, dann aber aus eigenem Willen in der Gottesferne, in der Verirrung und im Tod geendet ist. Dieses Erste ist vergangen.
Als würde dieser Zusammenhang nun noch weiter erläutert spricht Gott von seinem Thron: Siehe ich mache alles neu!
Diese Erneuerung betrifft nicht das eine oder andere Detail, es ist nicht so, als würde das Alte nur ein wenig mit Neuem ergänzt, sondern das Neue wird an die Stelle des Alten gesetzt, denn das Erste ist vergangen.
Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß!
Diese Aufforderung macht nur dann Sinn, wenn die Botschaft, als geschriebenes Wort, noch zu anderen Menschen und zu künftigen Generationen gelangen soll. Johannes erkennt spätestens hier, daß das Neue nicht schon auf ihn herabkommt, sondern daß er erst schaut, was sein wird. Aber das ist wahrhaftig und gewiß. Kein Zweifel ist möglich, was Johannes hier erfährt hat Gültigkeit bis zum Ende der Welt.
Nun bekommt diese Geschichte auch noch eine ganz persönliche Wendung. War Johannes bislang so etwas wie der zufällige Zeuge eines gewaltigen Geschehens, der wie ein einsamer Wanderer die Sturmflut von der hohen Klippe beobachtet, so wird er jetzt ganz am Ende angesprochen: Und er sprach zu mir.
Gott sprach zu Johannes. Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.
Gott offenbart sich als der, der alles umschließt, der die erste Schöpfung durch sein Wort aus dem Nichts rief, und der nun mit der neuen Schöpfung alles vollendet und damit so etwas vollbringt, wie selbst seine Bestimmung zu erfüllen, wenn man von Gott so überhaupt reden kann. Aber Gott kann doch nur A und O sein, wenn es auch Anfang und Ende gibt und wenn durch seine Macht am Ende alles neu wird. Gott gibt hier sein eigenes Wesen insofern preis, als das deutlich wird, daß er ganz mit seiner Schöpfung und mit den Menschen verbunden ist.
Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Hier wird ganz deutlich, worin das wirklich Neue des neuen Himmels und der neuen Erde besteht, den Durstigen wird von der Quelle des lebendigen Wassers gegeben, die Gott selbst ist. Gott gibt endgültig von sich. Er ist nicht nur gegenwärtig, er durchdringt alles.
Wer überwindet, der wird alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.
Das was in Christus in unserer Welt sichtbar geworden ist, das hat nicht nur etwas von Gottes Wesen gezeigt, sondern auch bereits verkündet, was aus dem Menschen werden soll. Der Mensch soll der erbende Sohn Gottes werden.
Da wird ein ganz bemerkenswerter und tiefsinniger Zusammenhang zwischen der ersten und der neuen Schöpfung sichtbar. Wir Menschen können in dieser Welt und in unserem Leben durchaus Orientierung finden, wenn wir im Vergänglichen nach dem Ewigen suchen. Wir dürfen in diesem Himmel und in unserer Erde Verheißungen des neuen Himmels und der neuen Erde sehen. Wir dürfen im geschundenen, friedlosen, in seiner Geschichte vielfach zerstörtem Jerusalem eine Botin des himmlischen Jerusalems erblicken und vielleicht dadurch schon ihre gegenwärtigen Schmerzen lindern. Wir können in allen Dingen nach dem suchen, was ewig ist. In unseren Kirchen dürfen wir eine Vorstellung davon gewinnen, was es heißt, daß Gott unter uns wohnt, und wir dürfen ihm glauben. Im Glauben tun wir nichts anderes als was Gott verlangt, wenn er sagt: Wer überwindet, der wird es alles ererben. Glauben ist eine Form des Überwindens, auch der Selbstüberwindung. Im Glauben überwinden wir diese Welt und erben die kommende. Darum muß auch dieser Mensch alles loslassen, ganz vergehen und im Glauben auferstehen.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Thomas Roloff
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