Mittwoch, 10. November 2010
Von dem Vater Luther
Ich schreibe meine Beiträge wieder einmal mehr rückwärts, nicht aus Nachlässigkeit, sondern eher aus zu langem Nachdenken, so daß wie beim Kochen am Ende schnell einiges anbrennt, wie auch immer. Unser guter Vater Luther wurde am 10. November 1483 geboren, und darum hier der Anfang seines Sermons „Von der Bereitung zum Sterben“:
„Erstens. Weil der Tod ein Abschied ist von dieser Welt und von allen ihren Geschäften, ist es nötig, daß der Mensch sein zeitliches Gut in Ordnung bringe, wie es sich gehört oder er es zu regeln gedenkt, damit nach seinem Tode kein Anlaß zu Zank, Hader oder sonst einem Zweifel unter seinen hinterbliebenen Verwandten zurückbleibt. Das ist ein leiblicher oder äußerlicher Abschied von dieser Welt; hier wird Hab und Gut entlassen und verabschiedet.
Zweitens soll man auch geistlich Abschied nehmen, das heißt man soll freundlich, rein nur um Gottes willen, allen Menschen vergeben, so sehr sie uns auch Leid zugefügt haben mögen. Umgekehrt soll man auch, rein um Gottes willen, von allen Menschen Vergebung begehren; denn zweifellos haben wir vielen von ihnen Leid zugefügt, zum mindesten mit bösen Beispiel oder mit zu wenig Wohltaten, wie wir nach dem Gebot brüderlicher, christlicher Liebe schuldig gewesen wären. Das sollen wir tun, damit die Seele nicht mit irgendwelchen Händeln auf Erden behaftet bleibe.
Drittens. Wenn man so jedermann auf Erden Abschied gegeben hat, dann soll man sich allein auf Gott richten. Denn dorthin wendet sich und führt uns auch der Weg des Sterbens. Und zwar fängt hier die enge Pforte an, der schmale Pfad zum Leben; darauf muß sich jeder fröhlich wagen. Denn er ist wohl sehr enge, aber er ist nicht lang; es geht hier zu, wie wenn ein Kind aus der kleinen Wohnung in seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten hineingeboren wird in diesen weiten Raum von Himmel und Erde, das heißt auf diese Welt: ebenso geht der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben, und obwohl der Himmel und die Welt, worin wir jetzt leben, für groß und weit angesehen wird, so ist es doch alles gegenüber dem zukünftigen Himmel viel engere und kleiner als es der Mutter Leib gegenüber diesem Himmel ist. Darum heißt der lieben Heiligen Sterben eine neue Geburt, und ihren Festtag nennt man auf Lateinisch „natale“, ihren Geburtstag. Aber der enge Gang des Todes bewirkt, daß uns dieses Leben weit und jenes eng vorkommt. Darum muß man es glauben und an der leiblichen Geburt eines Kindes es lernen. So sagt ja Christus: ‚Ein Weib, wenn es gebiert, so leidet es Angst; wenn sie aber genesen ist, so denkt sie nimmer an die Angst, weil ein Mensch von ihr in die Welt geboren ist.‘ Ebenso muß man sich auch beim Sterben der Angst entschlagen und wissen, daß nachher ein großer Raum und Freude da sein wird…“
Elftens. Ebenso darfst du die Sünde nicht ansehen in den Sündern und auch nicht in deinem Gewissen; auch nicht in denen, die endgültig in den Sünden geblieben und verdammt worden sind; sonst kommst du gewiß ins Hintertreffen und wirst überwunden. Vielmehr mußt du deine Gedanken davon abkehren und die Sünde nur noch im Bilde der Gnade ansehen; du mußt dieses Bild mit aller Kraft dir einprägen und vor Augen haben. Das Bild der Gnade ist nichts anderes als Christus am Kreuz, und alle seine lieben Heiligen. Wie ist das zu verstehen? Das ist Gnade und Barmherzigkeit, daß Christus am Kreuze deine Sünden von dir nimmt, sie für dich trägt und sie erwürgt. Und das fest glauben und vor Augen haben und nicht daran zweifeln: das heißt das Gnadenbild ansehen und sich einprägen. Ebenso tragen auch alle Heiligen in ihrem Leiden und Sterben deine Sünde auf sich und leiden und mühen sich für dich, wie geschrieben steht: „Einer trage des andern Last, so erfüllet ihr Christi Gebot.“ Ebenso spricht er selbst: „Kommet her zu mir alle, die ihr beladen seid und euch mühet, ich will euch helfen.“ Sieh, so kannst du deine Sünden ohne Gefahr außerhalb deines Gewissens ansehen; sieh, da sind Sünden nicht mehr Sünden; da sind sie überwunden und in Christus verschlungen. Das entspricht sich: er nimmt deinen Tod auf sich und erwürgt ihn, daß er dir nicht schaden kann, wenn anders du glaubst, daß er dir das tut, und deinen Tod in ihm, nicht an dir ansiehst; ebenso nimmt er auch deine Sünden auf sich und überwindet sie für dich aus lauter Gnade in seiner Gerechtigkeit. Wenn du das glaubst, so tun sie dir keinen Schaden mehr. So ist Christus, des Lebens und der Gnade Bild, unser Trost gegenüber dem Bild des Todes und der Sünde. Das sagt Paulus: „Gott sei Lob und Dank, daß er uns in Christus Überwindung der Sünde und des Todes gegeben hat.“
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