Sonntag, 3. Oktober 2010
Herr Roloff zu Erntedank und zum Tag der Deutschen Einheit
Herr Roloff hat heute in dem kleinen Ort Neuermark (Altmark) eine Predigt gehalten, es wird daher nicht verwundern, daß es eine, sagen wir, recht ländliche Predigt geworden ist. Aber das ist wahrlich kein Grund, sie nicht dennoch hier anzubringen. Die Bilder sind von heute, zum Glück war es wieder einmal erträglicher draußen, und für die treuen Fans meiner Sonntags-Essens-Bilder (ich weiß, einige mögen sie dafür überhaupt nicht), die folgen im Anschluß:
Predigt zum Erntedanktag 2010 und zum Tag der Deutschen Einheit
2Kor 9, 6-15
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
es ist eine schöne Fügung nicht nur des Kalenders, sondern auch unserer Geschichte, daß in diesem Jahr zum 20. Jubiläum der Wiedererlangung unserer staatlichen Einheit, 3. Oktober und Erntedank zusammenfallen. Damit schon allein wird ein besonderes Licht auf diesen Sonntag geworfen und beides, das kirchliche Fest und der staatliche Feiertag werden durchdrungen von Dankbarkeit für etwas, das uns gegeben ist.
Es geht im Kern um Gottesgaben. Von ihnen spricht auch der Apostel Paulus in unserem Predigttext: „Gott kann machen, daß alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allewege volle Genüge habt.“ „So werdet ihr reich sein in allen Dingen“, heißt es an anderer Stelle.
Es geht um die Gaben Gottes. Die entscheidende Eigenschaft dieser Gaben ist es aber, daß man sie nicht für sich behalten soll. Immer wieder weist uns der Apostel darauf hin, daß wir von Gott bekommen, damit wir geben. Wir sollen durch Gottes Gaben reich sein zu jedem guten Werk. Man bekommt nicht den Samen in die Hand, damit man ihn behält, sondern er soll in die Erde gebracht werden. Immer galt derjenige als der schlechteste Bauer, der so wirtschaftete, daß er sein Saatgut als Futter oder gar für sich selbst aufbrauchen mußte.
Es ist uns gegeben, damit wir geben können. Es ist uns gegeben, damit wir nicht kärglich säen, sondern im Segen. Es ist uns gegeben, damit wir auch ernten im Segen.
Darin nämlich entfaltet sich der Mensch, daß er Gaben, die er empfangen hat, Begabungen, die ihm eigen sind anwendet und weiter gibt und anderen Menschen ein Segen wird. So nämlich entsteht dann wahre Gemeinschaft unter Menschen, die ein tatsächlicher Austausch und eine gegenseitige Bereicherung ist. Das wünscht auch der Apostel, daß wir durch das Genügen, welches wir haben, reich werden zu jedem guten Werk.
Darin entsteht und bewahrt sich wirkliche Freiheit des Menschen, daß er seine Gaben und Begabungen entfalten kann.
Liebe Gemeinde,
es ist gut, sich an diesem Tag zu erinnern, daß sich genau darin die Unfreiheit der nun seit 20 Jahren vergangenen Welt gezeigt hat. Sie hat die Entfaltung der Begabungen von Menschen eben nicht zugelassen. Jene ferne Welt hatte Furcht vor dem freien Wesen des Menschen. Darum mußte alles uniformiert, reglementiert und kontrolliert werden. Es war ein System, daß den Menschen bedrängt und gehindert und bedrückt hat, weil es vor der Entfaltung des Menschen, so wie er wirklich ist, Angst haben mußte. Es war immer klar, sobald der Mensch wieder selbstbewußt zu seinen eigentlichen Wurzeln Verbindung bekommt, dann würde das System, in dem wir gelebt haben, an sein Ende kommen.
Darum ist es wesentlich, daß der Ruf, „Wir sind das Volk“, mit dem die DDR unterging, etwas bezeichnete, wovon die Menschen entdeckten, daß sie es waren, es betraf ihr Wesen. Es wurden zunächst gar nicht so sehr Forderungen erhoben. Auch der Ruf, „Wir bleiben hier“, ist allein darum so prägnant, weil solche Selbstverständlichkeiten den Herrschenden Furcht einflößten und ihnen wie Drohungen klingen mußten. Wir bleiben hier, denn wir sind das Volk. Es war der zur Normalität, zu seiner Eigentlichkeit zurückkehrende Mensch, der die Diktatur zum Einsturz brachte. Es war der Mensch, der sich in seinem Leben, mit allen seinen Gaben in Freiheit entfalten wollte. Es war der Mensch, der denken wollte, und der nicht mehr wollte, daß für ihn gedacht wurde. Es war der Mensch, der sich eine Meinung bilden wollte, und der nicht mehr wollte, daß ihm die Meinung gebildet wurde. Es war der Mensch, der wie Paulus es schreibt, die Früchte der Gerechtigkeit wachsen sehen will.
Das ist der Schlüsselbegriff unserer Zeit: Gerechtigkeit.
„Der aber Samen reicht dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen reichen und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.“
Das lehrt uns, darauf zu vertrauen, daß jedem Menschen Unvergleichliches anvertraut ist, was er entdecken, entwickeln und weitergeben soll.
Der moderne Mensch gleicht mir manchmal einem verzogenen, verwöhnten Kinde, das sein eigenes Geschenk unausgepackt in die Ecke wirft, weil es haben will, was ein anderer bereits schneller ausgepackt hat. Statt nach dem zu suchen, was einem selbst geschenkt ist, gefällt man sich dann in Unzufriedenheit und in der Klage über Ungerechtigkeit.
Kein Mensch ist ohne einmalige, wunderbare Gaben in die Welt gesandt. Jedermann tut schweres Unrecht, der einen Menschen am guten Gebrauch dieser Gaben hindert. Es tut aber auch jeder Mensch Unrecht, der seine Gaben nicht achtet und sich allein vom Neid bestimmen läßt.
Der Bauer kennt diesen Zusammenhang. Er läßt sich damit vergleichen, daß es wenig Sinn macht, den Nachbarn um sein fettes Feld zu beneiden, wenn man selbst nur Sandböden bewirtschaftet. Man kann es eben nur durch Fleiß und Sorgfalt und manchmal auch durch Dünger auszugleichen versuchen. Man stellt aber keine Gerechtigkeit her, wenn man allen Menschen fette Böden verspricht, und noch weniger, wenn man sich sein Leben durch den Neid vergiftet.
Der Apostel will uns auf die Fülle hinweisen, die in jedem Menschen verborgen ist, und die er erforschen soll, deren Reichtum er sich erschließen soll. Damit soll er dann zur Gemeinschaft beitragen. Es kann so viel Freude machen, mit bescheidenen Dingen Gutes zu tun. Weltveränderung hatten wir im letzten Jahrhundert soviel, die reicht noch für die nächsten fünf Jahrhunderte, laßt uns wieder schlicht mit dem Unseren dem Gutes tun, der unser Nächster ist und dadurch Gerechtigkeit schaffen.
Das alles kennt dann nämlich ein Ergebnis: “So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in Lauterkeit, welche durch uns wirkt Danksagung an Gott.“
Das man dieses Volk fast 40 Jahre lang seinem Gott entfremdet hat, ist ohne Zweifel eine der bedrückenden Folgen der sozialistischen Zeit. Aber auch das soll uns nicht in die Verbitterung führen. Wir wollen darauf vertrauen, daß der Mensch, der seines Reichtums gewahr wird und der das Geben lernt, genau in diesem Zusammenhang erfährt, daß auch ihm alles nur gegeben ist, und er Gott dankbar sein muß. Denn wir Menschen sind doch gar nichts aus uns selbst.
Der Bauer weiß daß ganz genau. Als wollte Gott seine Demut schulen, führt er ihm am drastischsten vor Augen, Jahr für Jahr, daß aller Fleiß, alle Sorgfalt und alle bäuerliche Schläue keine Garantie für Wachstum und Gedeihen sind. Er weiß aber auch, daß es ohne Fleiß, Sorgfalt und Schlauigkeit eben auch nicht geht. Auch Gott vertraut darauf, daß wir unsere Gaben entdecken und daß aus diesem Entdecken Dankbarkeit entsteht. Erntedank erinnert uns an unsern Schöpfer, der auch Herr der Geschichte ist. Was wir jedes Jahr in der Natur erleben, das sollen wir uns auch in der Geschichte verdeutlichen. Sie wird immer wieder Schauplatz unserer menschlichen Irrtümer und Verfehlungen. Manchmal aber muß man nur warten, bis Wahrheit und Gerechtigkeit wieder zur freien Wirkung kommen und bis alle irreführende Propaganda entlarvt ist, und bis der Mensch frei erkennt, daß er ein Geschöpf Gottes ist und ihm darum Dank schuldet, und bereits durch Dank und Gebet allen seinen Mitmenschen zum größten Reichtum werden kann.
Dies ist der Tag, an dem unser Volk diese Dankbarkeit lernen kann und muß, und wir sind es, die wenigen, die ihnen dafür das Beispiel geben können, weil wir um diese Wahrheit wissen.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
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1 Kommentar:
Thanks for this post. I had forgotten that this was the anniversary of reunification, and the 20th anniversary at that. It was a moment of great joy and hope for me as well as for Germans. Certainly there have been difficulties along the way to true reintegration of the previously separated parts of the country. But recently I have not heard of such problems, so I hope that Germany is truly a single land without significant inequalities between East and West.
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