Dienstag, 30. November 2010

Zum Andreastag

El Greco, Hl. Apostel Andreas, um 1610
hier gefunden

Heute ist der Gedenktag des Apostels Andreas. Herr Roloff hat diesen lesenswerten Beitrag dazu verfaßt, den ich hier nicht vorenthalten will.


„Wir haben den Messias gefunden“
Gedanken zum Andreastag

Geschwisterpaare begegnen uns in der Bibel oft. Das hat auch einen guten Grund, denn sie verdeutlichen auf besonders menschliche Weise die Einheit in der Verschiedenheit. Geschwister spüren noch mehr als andere Menschen eine tiefe Verbundenheit, und erleben darin besonders, dass sich unser menschliches Wesen nicht nur aus der Individualität heraus bestimmt, sondern immer auch aus der Gemeinschaft. Am 30. November jeden Jahres nun erinnert die Kirche an den Apostel Andreas, den Bruder des Simon Petrus. Dem Bericht des Evangelisten Johannes zur Folge war Andreas zunächst noch ein Jünger des Täufers. Johannes der Täufer wies seine Jünger mit den bemerkenswerten Worten auf Jesu hin: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“ Daraufhin folgt Andreas Jesu, und als er dann seinem Bruder Simon begegnet, verkündet er ihm: „Wir haben den Messias gefunden.“

Er war es dann auch, der Petrus zu Jesus geführt hat und gilt darum bis heute in der Ostkirche als der Erstberufene, der Protoklitos. Nach der Himmelfahrt des Auferstandenen verkündete Andreas das Evangelium in Kleinasien, Kurdistan, Armenien und Georgien. Später wurde er zum ersten Bischof von Byzanz, des heutigen Istanbul. Die Verehrung, die ihm damit in der Ostkirche zuteil wird, steht in schöner Parallelität zu derjenigen, die sein Bruder Simon Petrus in Rom, der Metropole der abendländischen Kirche, erfährt. So wie Benedikt XVI. der 264. Nachfolger Petri auf dem römischen Bischofsstuhl ist, so wird Bartholomäus I., gegenwärtiger Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch der Ostkirche, als 270. Nachfolger des Apostels Andreas gezählt. Klarer als durch den Hinweis auf diese Ursprünge ist die Geschwisterlichkeit zwischen der abend- und der morgenländischen Kirche, die seit dem Jahre 1054 getrennt sind, nicht zu verdeutlichen. Vielleicht sind konfessionelle Unterschiede im Hinblick auf diese Geschichte auch besser zu ertragen.

Jedenfalls gelangt Andreas schließlich noch nach Patras in Griechenland und heilt dort Maximilla, die Frau des dortigen Statthalters Ägeas, und bekehrt sie zum Christentum. Allerdings riet er Maximilla außerdem zur ehelichen Enthaltsamkeit, was nun aber nicht auf die Zustimmung Ägeas traf. Er ließ Andreas geißeln und ihn dann einen langsamen Tod an einem X-förmigen Kreuz sterben, das darum zum Attribut des Apostels wurde und Andreaskreuz heißt.
Maximilla bestattete Andreas mit großen Ehren. Im Jahre 357 wurden seine Gebeine nach Konstantinopel übergeführt. In den Wirren der Kreuzzüge gelangten sie dann nach Amalfi in Süditalien, wo sie in der Krypta des Domes S. Andrea aufbewahrt sind. Das Kopfreliquiar allerdings fand seinen Weg nach Rom und wurde in der Patriarchalbasilika St. Peter verehrt. Dort blieb es bis in das Jahr 1964, in dem Papst Paul VI. es im Rahmen des II. Vatikanischen Konzils in einem beispiellosen ökumenischen Akt an die orthodoxe Schwesterkirche zurückgab.

Andreas ist Patron Russlands, Schottlands, weshalb der britische Union Jack auch das Andreaskreuz enthält, Spaniens und Griechenlands. Als Heiliger ist er besonders für das Eheglück und den Kindersegen zuständig. Dem Volksglauben zufolge können heiratswillige Mädchen in der Andreasnacht den Zukünftigen im Spiegel erblicken. Selbst sein Name gibt uns noch einen schönen Hinweis auf das Wesen des Menschen. Andreas heißt soviel wie antropos, Mensch, und kommt von ana, in die Höhe, und tropos, Kehrung: einer, der hinauf zum Himmel und zum Göttlichen gekehrt und zu seinem Schöpfer emporgerichtet war. Der Mensch wird zum Menschen dadurch, dass er sich auf Gott richtet, dass er mit Gott Gemeinschaft hat.

Natürlich gibt es auch Bauernregeln zum 30. November: St. Andreas hell und klar, verspricht ein gutes Jahr. Andreas´ Schnee tut den Saaten weh.
Thomas Roloff

Montag, 29. November 2010

Wilhelm Hauff & etwas Advents-Kitsch


Wilhelm Hauff, heute allgemein wohl nur noch seiner Märchen wegen bekannt, starb am 18. November 1827, ihm war nicht eben viel Zeit zum Schreiben zugemessen worden. Er besitzt seinen ganz eigenen Ton, darüber will ich mich aber gar nicht weiter auslassen heute, sondern nur mit diesen beiden Stücken an ihn erinnern, einmal mit diesem Kinotrailer zum 1. Farbfilm der DEFA und dann mit diesem herrlichen Stück über die Unverwüstlichkeit des Kitsches. Man kann daran so schön erkennen, daß vieles sich über die Jahrhunderte auch wiederum nicht ändert. Damals halt die rührseligen Romane und heute Fernsehscheußlichkeiten wie „Bauer sucht Frau“. Wo wir gerade beim Kitsch sind, ich habe, der Zeit des Jahres angemessen, auch einen Versuch darin gewagt, man konnte ihn eingangs bewundern. Ach übrigens, das Eingangszitat bei Hauff stammt von Vergil aus dem Beginn des 2. Buchs der Äneis: „Alle verstummten und schwiegen gespannt…“.


„Das Kalte Herz“ (1950) von Michael Verhoeven
hier gefunden

Wilhelm Hauff

Der ästhetische Klub


Conticuere omnes, intentique ora tenebant.

»Wertester!« sprach mein Freund zu mir, als wir die Treppen meines Hauses herabstiegen, »Sie würden sich sehr irren, wenn Sie glaubten, es gäbe nur in höheren Ständen ästhetische Gesellschaften. Jene herrlichen Tees, wo feingebildete Menschen sich über die neuesten Ereignisse der Literatur besprechen, finden sich, nur unter anderer Form, auch unter den gemeineren Leuten. Wie jene mit dem Teewasser eine neue Novelle oder einen Sonettenkranz einschlürfen, so haben diese ihre eigenen Schriftsteller, welche sie beim Biere mit derberem Stoffe bewirten.«

»Und zu einem solchen ästhetischen Biere werden Sie mich führen, Doktor?«

»Gewiß! Der Meister des Hauses, wohin wir wandern, geht alle Nachmittage in die Schenke; seit nun der neue Gesell im Hause ist, wird jeden Nachmittag ästhetischer Klub gehalten. Er ist ein schöner Geist und besorgt mit großer Auswahl die Lektüre. Die beiden Töchter des Meisters und einige Freundinnen aus der Nachbarschaft bilden den Damenzirkel; sie stricken oder nähen, trinken dünnen Kaffee dazu, den die Mädchen unter sich bezahlen, und eine von ihnen hat das Amt des Vorlesens; denn der neue Gesell arbeitet streng an seinen Schuhen fort; sein Geschäft beschränkt sich darauf, den Zirkel auf die Schönheiten des Gelesenen aufmerksam zu machen. Er und der Leipziger trinken Bier. Ich war schon einige Male in diesen Klubs; natürlich hüte ich mich wohl, in die Schönheiten ihrer Literatur einen Zweifel zu setzen. Ich staune und bewundere mit ihnen; und so bin ich wohlgelitten in diesem Kreise und darf es wagen, Sie einzuführen.«

Wir standen vor der Türe und horchten; aber das war kein fröhlicher Leseklub! Ich sah den Doktor ängstlich an; denn deutlich hörte man ein vielstimmiges Schluchzen und Weinen; es wurde mit jammernder Stimme etwas gelesen; wir strengten unsere Ohren an, aber vernahmen nur Gestöhn und tiefes Herzseufzen.

»Ha, sie lesen etwas Tragisches!« rief mein Freund. »Das ist köstlich; nur zu! Wir wollen ihr Pathos beobachten.« Er machte rasch die Tür auf; welch sonderbarer Anblick! Auf einer Erhöhung saß der Leipziger und heulte laut; es wollte ihm beinahe das Herz abdrücken, und sein Lieblingsdichter hatte für diesen Zustand gesorgt. Neben ihm saß der neue Geselle; sein Schmerz war nicht minder tief, aber er beherrschte ihn mit männlicher Festigkeit; doch auch ihm hing eine Perle in den Wimpern. Auf der Seite saßen fünf oder sechs hübsche Mädchen, unter denen ich Karolinchen sogleich erkannte; sie schienen einem geliebten Toten ein letztes Opfer zu bringen; denn sie wischten sich mit den Schürzen ihre schönen weinenden Augen, und in ihren Mienen war ein so wahrer Ausdruck von Kummer und namenlosem Jammer, daß ich über die Tiefe ihrer Empfindungen staunte.

Sie nickten uns zu; wir nahmen schweigend Platz. »Tu' nur nicht so erschrecklich, Leipziger!« sagte der neue Geselle mit dumpfer, gebrochener Stimme. »Sie wird ja bald vollends ausgerungen haben, die arme Seele; machen Sie nur gefälligst weiter, Jungfer Köhlerin.«

Diese wischte ihre Tränen ab, die wie ein Wasserfall herabrollten, und las mit zitternder Stimme weiter.

Sie hatte geendet und legte schnell das Buch nieder; die Mädchen weinten noch etwas Weniges in der Stille fort; der Leipziger aber vertrank seinen Schmerz in einem mächtigen Zuge Bieres.

»Wir sind heute leider zu spät gekommen, um noch etwas von Ihrer Lektüre profitieren zu können. Was haben Sie heute gelesen?«

»Rochus Pumpernickels Tod,« antwortete der neue Geselle. »O, Herr Doktor, das ist eine so grausam rührende Geschichte, als im ganzen Evangelium keine steht!«

»So? A. v. S. macht auch rührende Geschichten?« fragte jener weiter. »Ich habe bisher geglaubt, er sei immer nur fröhlich und heiter und lasse seine Leutchen heiraten, nebst schöner Mitgift von ein paar Milliönchen?«

»Ja, wir haben es anfangs auch geglaubt,« entgegnete Karolinchen; »es fing so hübsch und fröhlich an.«

»Das ist gerade das Schöne, daß man glaubt, es komme alles so freudig wie immer, und dann kommt es auf einmal hageldick mit dem Unglück. Das ist um so rührender, daß einem die Tränen unwillkürlich laufen; ach, und wie wahr ist es! Nicht alle Liebenden können ja glücklich werden! Dies beweist der Siegwart und Werthers junge Leiden, die ich in Mannheim gelesen habe, und viele andere rührende Historien. Und sieht man es nicht alle Tage?« setzte er gerührt hinzu, indem er nach Karolinchen blickte. »Wie viele zärtliche Liebschaften hat schon das grausige Schicksal getrennt!«

Karolinchen weinte still; der Leipziger aber schlug mit dem Hammer auf den Absatz seines Stiefels, daß es Funken gab. »Den Kerl, den Alten soll der Teufel holen; er ist an allem schuld, der heimtückische Sakramenter; hier möcht' ich ihn haben, zwischen meinen Knien, ich wollte ihn hämmern wie Sohlenleder!«

»Ja, der ist an allem schuld,« klagten die Mädchen.

»Sie lieben also diesen Schriftsteller?« fragte ich. »Sie scheinen ihn allen anderen vorzuziehen?«

»Gewiß!« sagte der neue Geselle. »Sehen Sie, es mag wohl sonst noch Dichter geben; aber sie sind nur für die vornehmen Leute, sie sind uns zu hoch; da ist nun A. v. S. gerade recht für uns; so gemein wie er schreibt keiner. Ihn verstehen wir; wenn er etwas sagt, so weiß man auch, was er will. Ich kann Ihnen versichern, es ist mir oft, wenn ich ihn lese, als säße ich im Bierhaus, und mein Kamerad, der Straubinger oder der Hamburger, erzählte mir eine schöne Geschichte.«

Ich sah mich nach meinem Freunde um; er saß ganz ernsthaft da und rief alle Augenblicke aus: »Es ist zum Erstaunen!«

»Und Kernmädchen hat er,« fuhr der große Kritiker fort, »so schön und köstlich, daß einem ordentlich der Mund wässert. Nicht wahr, ihr Jungfern?«

Die Mädchen erröteten; doch was sie sich lächelnd in die Ohren flüsterten, mochte den Satz des Leipzigers nicht umstoßen. »Vox populi, vox Dei!« sagte ich. »Denken viele Leute so wie Sie?«

»Ich bin weit herumgekommen,« erwiderte er mit Feuer; »aber überall fand ich die gleiche Liebe für diesen Mann! Alle Handwerksburschen von Bildung lassen sich für ihn totschlagen.«

Der Doktor stand auf; er mochte glauben, ich habe jetzt genug gehört, um seine Behauptung bestätigt zu finden. Wir nahmen Abschied von diesem ästhetischen Klub und gingen. Unter der Haustüre nahm er meine Hand. »Nun, was meinen Sie?« sagte er, indem Spott und Hohn um seinen Mund, aus seinen Augen blitzten. »Glauben Sie jetzt, daß auch in Deutschland ein Schriftsteller allgemein werden könne? Was wollen Sie mit Ihren Franzosen, die ihren Voltaire hinter dem Pfluge lesen und von den Reden eines Foy in den ärmlichsten Hütten begeistert sind? Kann nicht auch bei uns ein großer Geist durchdringen und ein Mann des Volkes und allgemein werden?«

»Ja,« erwiderte ich und drückte ihm die Hand, »er kann es, wenn er es versteht, gemein zu sein.«

Sonntag, 28. November 2010

Sonntag &

roughly translated


Dieser junge Mann aus Köln hatte mich zum Teil auf die Idee für das heutige Essen gebracht - Lachs mit einer Kräuterhaube aus Schnittlauch, Dill und Petersilie, gebacken in Butter. Besten Dank für die Anregung Nic. Dazu gab es Blumenkohl und Reis. Ach so, in der Terrine befindet sich ebenfalls Lachs, zubereitet mit einer Dill-Sahnesoße. Es ist heute unübersehbar 1. Advent, ich bin mit unserer Dekoration noch etwas hinterher. Für heute gibt es nur diesen Herrnhuter Stern und meinen Wunsch, die Leser dieses bescheidenen Ortes hatten einen angenehmen Tag.


This young man from Cologne is partially responsible for today's meal - salmon covered with some herbs - chives, dill and parsley, baked in butter. Thanks for the suggestion Nic. In addition there was cauliflower and rice. Oh, in the tureen is also salmon, served with a dill cream sauce. It is now obvious first of Advent; I am still a bit behind with our decorations. For today there is only this Moravian Star and my wish the readers of this humble place had a pleasant day.

Samstag, 27. November 2010

Dies & Das


Meine alte Frau Mutter ist ganz und gar empört, daß ihr die Nachbarn ausgerechnet einen blau beleuchteten Tannenbaum vor’s Küchenfenster gesetzt haben: „Scheußlich!“. Andererseits würde sie am liebsten auch die Polizei rufen, wenn jemand sein Haus rot anstreicht, nun wie auch immer. Die Advents-Illumination beginnt gerade heftig überall, und so tun es auch die Weihnachtsmärkte.




Ein paar Bilder vom hiesigen, übrigens bei dem Mann mit den Luftballons gab es einen kleinen anrührenden Moment. Er lief etwas verloren und unbeachtet durch die Gegend, und als ich ihn des Photos wegen anblitzte, merkte er das natürlich und lächelte überrascht und ziemlich ungestellt, ein schöner Moment.

Ich lese gerade etwas in den Briefen der vielgeliebten Liselotte von er Pfalz und fand dies, ein aus anderen Gründen anrührendes Exempel und zwar wohl für sehnsüchtiges Denken. Übrigens gab es diese merkwürdige Vorstellung der verkleinerten Verhältnisse einmal auch für das neu entdeckte Amerika, seltsam.


„Die nachtigallen hören schon auf, zu singen. Ich glaube, ich habe Euch schon gesagt, daß sie bey weitem nicht so starke stimmen haben, noch so lang schlagen, als bey uns. Alle tier, vögel und vierfüßige tier, seind kleiner und schwächer hier, als bey uns, das wildbret hat auch den rechten geschmack nicht, ist drucken und zehe. Es ist zu verwundern, welch ein großer unterschied es ist in salat und allerhand kreutern; doch zu Fontainebleau ist der salat unvergleichlich besser, als hier, die ursach weiß ich nicht. Ich habe mir als eingebildt, daß, weilen Fontainebleau mehr Teutsch aussicht, als kein anderer ort, daß deswegen alles dort besser ist.“

Liselotte von der Pfalz an die Raugräfin Louise, St. Cloud, 23. Mai 1722

Freitag, 26. November 2010

Donnerstag, 25. November 2010

Dies & Das



Nur ein paar banale Bilder an dieser Stelle, die mehr oder minder bezeugen, daß heute nach gefühlten Äonen wieder etwas Sonne zu sehen war, erfreulich, denn der vorige Zustand hatte doch schon sehr das Gemüt vernebelt. Daher das Bild vom Sonnenuntergang; bei der Gelegenheit, da vom Balkon aus aufgenommen, wurde auch die Taube verschreckt, die hier zu sehen ist. Ein Taubenpaar wohnt seit geraumer Zeit unter dem Dach. Bedauerlicher Nebeneffekt des klaren Wetters – es wurde kalt, und so war zu entscheiden, welche Töpfe kommen ins Haus etc., aber so ist es nun einmal mit dem Wechsel der Zeiten.



Mittwoch, 24. November 2010

Bismarck - Florilegium

Nur ein Wort zu dem Beitrag vom Montag, das hat in einigen Fällen wohl zu heftigen Attacken von Fremdschämen geführt, ich denke, ich werde es so nicht lange stehenlassen, wie auch immer.

Ein Bekannter hat mich kürzlich mit der Frage konfrontiert, ob ich ihm nicht ein passables Bismarck-Zitat liefern könne, entweder über die deutsche Einheit oder die Jagd, warum die Jagd? Nun er wolle in seinem neuen Jagdhaus ein Bleiglasfenster mit dem Porträt des Fürsten Bismarck einsetzen lassen und brauche noch etwas Passendes dazu, nun ja. Den Gefallen habe ich ihm getan, bei der Gelegenheit habe ich aber beim Nachlesen von Äußerungen des Reichskanzlers erneut festgestellt, wieviel Originelles doch bei ihm zu finden ist. Nachfolgend darum also eine kleine Auswahl dessen, was mir dabei über den Weg lief. Übrigens nur kurz eine Bemerkung zu den Nachfahren des Fürsten Bismarck: Nach dem, was man gerade aus den Zeitungen erfährt, scheint das Niveau der Konversation im Hause dort inzwischen doch beträchtlich nachgelassen zu haben.

„Als normales Produkt unsres staatlichen Unterrichts verließ ich Ostern 1832 die Schule, das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin als Pantheist, und wenn nicht als Republikaner, doch mit der Überzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei, und mit Nachdenken über die Ursachen, welche Millionen von Menschen bestimmen könnten, Einem dauernd zu gehorchen, während ich von Erwachsenen manche bittre oder geringschätzige Kritik über die Herrscher hören konnte. Dazu hatte ich von der turnerischen Vorschule mit Jahn'schen Traditionen (Plamann), in der ich vom sechsten bis zum zwölften Jahre gelebt, deutsch-nationale Eindrücke mitgebracht. Diese blieben im Stadium theoretischer Betrachtungen und waren nicht stark genug, um angeborne preußisch-monarchische Gefühle auszutilgen. Meine geschichtlichen Sympathien blieben auf Seiten der Autorität. Harmodius und Aristogiton sowohl wie Brutus waren für mein kindliches Rechtsgefühl Verbrecher und Tell ein Rebell und Mörder. Jeder deutsche Fürst, der vor dem 30jährigen Kriege dem Kaiser widerstrebte, ärgerte mich; vom Großen Kurfürsten an aber war ich parteiisch genug, antikaiserlich zu urtheilen und natürlich zu finden, daß der siebenjährige Krieg sich vorbereitete. Doch blieb mein deutsches Nationalgefühl so stark, daß ich im Anfang der Universitätszeit zunächst zur Burschenschaft in Beziehung geriet, welche die Pflege des nationalen Gefühls als ihren Zweck bezeichnete. Aber bei persönlicher Bekanntschaft mit ihren Mitgliedern mißfielen mir ihre Weigerung, Satisfaction zu geben, und ihr Mangel an äußerlicher Erziehung und an Formen der guten Gesellschaft, bei näherer Bekanntschaft auch die Extravaganz ihrer politischen Auffassungen, die auf einem Mangel an Bildung und an Kenntnis der vorhandnen, historisch gewordnen Lebensverhältnisse beruhte, von denen ich bei meinen siebzehn Jahren mehr zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte als die meisten jener durchschnittlich ältern Studenten. Ich hatte den Eindruck einer Verbindung von Utopie und Mangel an Erziehung. Gleichwohl bewahrte ich innerlich meine nationalen Empfindungen und den Glauben, daß die Entwicklung der nächsten Zukunft uns zur deutschen Einheit führen werde; ich ging mit meinem amerikanischen Freunde Coffin die Wette darauf ein, daß dieses Ziel in zwanzig Jahren erreicht sein werde.“
aus „Gedanken und Erinnerungen“, Band 1

„Willst du diesen Brief in derselben Stimmung lesen, in welcher er geschrieben ist, so trinke erst 1 Fl. Madera … Später fanden sehr unangenehme Szenen zwischen mir und meinen Alten statt, der sich weigert, meine Schulden zu bezahlen; dies versetzt mich in eine etwas menschenfeindliche Stimmung…“
an Gustav Scharlach 14. November 1833

„Ich … erzürnte mich 14 Tage nachher mit der Mutter meiner Braut , einer Frau, die, um ihr Gerechtigkeit zu tun, eine der bösesten ist, die ich kenne, und die das Bedürfnis hat, noch selbst der Gegenstand zärtlicher Blicke zu sein.“
an Gustav Scharlach 9. Januar 1845

„Heute früh kaum gefrühstückt, ... Portugal, Rußland, Frankreich..., dessen Botschafter ich darauf aufmerksam machen mußte, daß es für mich Zeit sei, in das Haus der Phrasen zu gehn. In diesem sitze ich nun wieder, höre die Leute Unsinn reden und beendige meinen Brief, die Leute sind sich alle darüber einig, unsre Verträge with Belgien gutzuheißen, und doch sprechen 20 Redner, schelten einander mit der größten Heftigkeit, als ob jeder den andern umbringen wollte; sie sind über die Motive nicht einig, aus denen sie übereinstimmen, darum der Zank; echt deutsch leider...“
an John Lothrop Motley, 17. April 1863

„Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“

„Setzen wir Deutschland, sozusagen, in den Sattel! Reiten wird es schon können.“
11. März 1867 im Reichstag des Norddeutschen Bundes

„Als ich einmal den geärgerten und darüber erkrankten Kaiser des Morgens aufsuchen mußte, um über eine höfische Demonstration zu Gunsten des Centrums eine unter den obwaltenden Umständen dringliche Beschwerde zu führen, fand ich ihn im Bette und neben ihm die Kaiserin in einer Toilette, die darauf schließen ließ, daß sie erst auf meine Anmeldung herunter gekommen war… An dem Abende desselben Tags war ich in einer Gesellschaft im Palais. Ihre Majestät redete mich in einer Weise an, die mich vermuthen ließ, daß der Kaiser meine Beschwerde ihr gegenüber vertreten hatte. Die Unterhaltung nahm die Wendung, daß ich die Kaiserin bat, die schon bedenkliche Gesundheit ihres Gemahls zu schonen und ihn nicht zwiespältigen politischen Einwirkungen auszusetzen. Diese nach höfischen Traditionen unerwartete Andeutung hatte einen merkwürdigen Effect. Ich habe die Kaiserin Augusta in dem letzten Jahrzehnt ihres Lebens nie so schön gesehn wie in diesem Augenblicke; ihre Haltung richtete sich auf, ihr Auge belebte sich zu einem Feuer, wie ich es weder vorher noch nachher erlebt habe. Sie brach ab, ließ mich stehn und hat, wie ich von einem befreundeten Hofmanne erfuhr, gesagt: »Unser allergnädigster Reichskanzler ist heut sehr ungnädig.«“
aus dem 2. Band seiner Erinnerungen

„Das preußische Königtum hat seine Mission noch nicht erfüllt, es ist noch nicht reif dazu, einen rein ornamentalen Schmuck Ihres Verfassungsgebäudes zu bilden, noch nicht reif, als ein toter Maschinenteil dem Mechanismus des parlamentarischen Regiments eingefügt zu werden.“
Bismarck im Preußischen Abgeordnetenhaus, 27. Januar 1863

Nach allem Großen, was wir erlebt, würde er nichts dagegen haben, wenn die Weltgeschichte eine Weile stehenzubleiben schiene.
anläßl. der Überreichung des Berliner Ehrenbürger-Briefes,
9. Sept. 1872

„Ich bin als Junker geboren, aber meine Politik war keine Junkerpolitik. Ich bin Royalist in erster Linie, dann ein Preuße und ein Deutscher. Ich will meinen König, das Königtum verteidigen gegen die Revolution, die offene und die schleichende, und ich will ein gesundes, starkes Deutschland herstellen und hinterlassen. Die Parteien sind mir gleichgültig.“
im Gespräch mit Moritz Busch, 16. November 1881

„Wenn es keine Sozialdemokratie gäbe, und wenn nicht die Menge Leute sich vor ihr fürchteten, würden die mäßigen Fortschritte, die wir überhaupt in der Sozialreform bisher gemacht haben, auch nicht existieren (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), und insofern ist die Furcht vor der Sozialdemokratie in bezug auf denjenigen, der sonst kein Herz für seine armen Mitbürger hat, ein ganz nützliches Element (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Ja sehen Sie, in etwas sind wir doch einverstanden."
Bismarck im Reichstag, 26. November 1884

"Man kann Geschichte überhaupt nicht machen, aber man kann immer aus ihr lernen, wie man das politische Leben eines großen Volkes seiner Entwicklung und seiner historischen Bestimmung entsprechend zu leiten hat… Ich bin von früh auf Jäger und Fischer gewesen, und das Abwarten des rechten Moments ist in beiden Situationen die Regel gewesen, die ich auf die Politik übertragen habe… die Politik ist eben an sich keine logische und keine exakte Wissenschaft, sondern sie ist die Fähigkeit, in jedem wechselnden Moment der Situation das am wenigsten Schädliche oder das Zweckmäßigste zu wählen.“
Ansprache an eine Abordnung der Universität Jena, 30. Juli 1892

„Also positive Unternehmungen in der Politik sind außerordentlich schwer, und wenn sie gelingen, so soll man Gott danken, daß er seinen Segen dazu gegeben hat, und nicht herummäkeln an Kleinigkeiten, die diesem oder jenem fehlen, sondern die Situation akzeptieren, so wie Gott sie macht. Denn der Mensch kann den Strom der Zeit nicht schaffen und nicht lenken, er kann nur darauf hinfahren und steuern, mit mehr oder weniger Erfahrung und Geschick, kann Schiffbruch leiden und stranden und auch zu guten Häfen kommen.“
Ansprache an Studenten, 1. April 1895

"Für mich hat immer nur ein einziger Kompaß, ein Polarstern, nach dem ich steuere, bestanden: Salus publica!"
24. 02. 1881 im Reichstag

„Gehen Sie von der Garonne, um mit der Gascogne anzufangen, bis zur Weichsel, vom Belt bis zum Tiber, suchen Sie an den heimischen Strömen der Oder und des Rheins umher, so werden Sie finden, daß ich in diesem Augenblicke wohl die am stärksten und - ich behaupte stolz! - die am besten gehaßte Persönlichkeit in diesem Lande bin.“
16. 1. 1874 im preußischen Abgeordnetenhaus

„‘Pfui!‘ ist ein Ausdruck des Ekels und der Verachtung. Meine Herren, glauben Sie nicht, daß mir diese Gefühle fernliegen; ich bin nur zu höflich, um sie auszusprechen.“
im Reichstag am 4. Dezember 1874

"Mut auf dem Schlachtfeld ist bei uns Gemeingut, aber sie werden nicht selten finden, daß es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.“
Bismarck zu Keudell über die Landtagssitzung vom 17. Mai 1847

„Nach Canossa gehen wir nicht – weder körperlich noch geistig!“
14. Mai 1872 im Reichstag

"Jemand, der mit großem Geistesreichtum, wie der Herr Vorredner, begabt ist, darf sich wohl den Luxus erlauben, daß er jedesmal eine Meinung streng für sich hat und nicht duldet, daß sie von einem anderen geteilt wird."
17. 12. 1873 zu Gerlach im Abgeordnetenhaus

„quieta non movere“
14. April 1891

„Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“
Wilhelm I.

Montag, 22. November 2010

Seltsames



Ein befreundeter Anwalt will an diesem geistgemiedenen Ort eine Art literarischen Salons eröffnen, wir hatten uns darauf geeinigt, mit Hölderlin zu beginnen. Als ich heute nach einem Telefongespräch mit ihm (dem Anwalt) herausfinden wollte, wie lange es wohl dauern würde, die erste Fassung von Patmos vorzutragen, nahm ich einen solchen Versuch spaßeshalber auf. Nun, der Spaß verging schnell. Wenn man Demut lernen will, muß man sich einfach nur mit sich selbst konfrontieren. Ich hab es ein wenig mit Bildern aufgehübscht, aber dennoch, es ist recht gruselig und ich bin nicht sicher, wie lang ich dies hier stehenlassen werde.

Sonntag, 21. November 2010

Sonntag &

roughly translated

Ich hatte aus verschiedenen banalen Gründen diesmal Pech mit der Qualität der Bilder, aber man kann, wenn ich es zusätzlich beschreibe, vielleicht erahnen, was zu sehen sein sollte. Ein Schnitzelbraten vom Schwein gebraten mit Zwiebeln, Rosmarin, Thymian und Majoran, die entsprechende Sauce bekam noch etwas saure Sahne dazu. Ach so, das Sauerkraut nicht zu vergessen, die schwarzen Punkte sind übrigens Pfeffer- und Pimentkörner. Wie sagte mir gerade jemand am Telefon so sinnig: „Dann noch einen schönen toten Sonntag“.


For various trivial reasons I had bad luck this time with the quality of the images, but you can get an idea perhaps if I also describe, what should be to seen there. A pork roast fried with onions, rosemary, thyme and marjoram, to the sauce was added a bit of sour cream. Not to forget the sauerkraut, the black dots are by the way pepper and allspice. How just said someone on the phone so thoughtfully to me: "Then a nice dead Sunday". (Today is “Sunday of the Dead”, also called “Eternity Sunday”, a religious holiday observed mainly in Lutheran churches.)

Ewigkeitssonntag


Während ich noch mit den Nachwirkungen des Sonntagsessens kämpfe, die Bilder werden demnächst folgen (vom Essen, nicht vom Kampf), und wohl auch noch u.a. ein nachgetragener Post zur Hl. Elisabeth von Thüringen, erst einmal der Text einer Predigt, die Herr Roloff am heutigen Ewigkeitssonntag gehalten hat. Die beiden Bilder, an einem sonnigeren Tag aufgenommen, zeigen das, was inzwischen aus eben diesem Anlaß auf den Gräbern meines Vaters bzw. meiner Großmutter väterlicherseits liegt:

Predigt zum Ewigkeitssonntag
Offb. 21, 1-7


Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herren Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

das ist es, was Johannes, der Lieblingsjünger Jesu bereits im sehr hohen Alter auf Patmos geschaut hat. Er war noch ein Knabe, als er zum Jünger Jesu wurde. Vieles spricht dafür, daß er identisch ist mit dem reichen Jüngling, der uns im Evangelium begegnet, und der vor Christus niederkniete und zunächst fragt, guter Meister, was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe? Es heißt dann: Jesus schaute ihn an und liebte ihn. Das soll der Hinweis auf den Jünger Johannes sein, den Jesus als einzigen in dieser besonderen Weise geliebt hat. Einiges spricht außerdem auch noch dafür, daß dieser Johannes identisch ist mit dem von Christus auferweckten Lazarus.

Der Mann, von dem wir hier heute also hören, und der, was wir hören, auf Patmos geschaut hat, war sehr alt geworden. Die Rede ging bereits unter den Jüngern, als sie noch in Jerusalem beieinander waren, dieser Jünger stirbt nicht. In seinem Evangelium aber stellt Johannes klar: Aber Jesus sprach nicht zu ihm: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, das er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?

Was aber heißt das genau? Hat Johannes es gewußt, oder hat er sich nicht doch in seinem hohen Alter, er war wohl bald 100 Jahre alt, gefühlt wie ein Wesen zwischen Leben und Tod? Ich glaube, wenn man sehr alt geworden ist, dann beginnen die Zeiten sich zu verwischen. Natürlich lebt man im Heute und doch auch immer ganz stark und natürlich in seinen Erinnerungen, und die Zukunft wird mehr und mehr eher eine Sphäre denn eine Zeit, weil sie ja den Tod immer stärker mit einschließt. Alle Zeit drängt förmlich auf ihr Ende, auf das Ende.

Am Ewigkeitssonntag machen wir uns jedes Jahr genau damit vertraut. Wir selbst werden gewahr, daß die Zukunft immer mehr eine Sphäre denn eine Zeit wird, weil sie den Tod mit einschließt. In der Natur, am Kalender, an uns selbst sehen und erleben wir das Vergehen. Vergehen ist ein sehr schönes Wort für das, was uns heute am Ewigkeitssonntag begegnet, denn das Wort trägt die Vorstellung von einem Weg in sich, der gegangen wird und endlich sein Ziel sehen läßt. Im Moment, wo wir dieses Ziel schauen, da vergehen wir, sind nicht mehr was wir waren, schwinden und verwehen und sind doch am Ziel.

So muß es gewesen sein, als Johannes auf Patmos die Offenbarung empfing, von der wir heute hören. Er war genau auf der Schwelle am Ende des Weges, in dieser Welt war ihm nichts mehr zu entdecken, und dennoch schaute er. Schaute er wirklich noch mit seinen Augen oder bereits ganz mit seinem vergehenden Wesen?

Jedenfalls wird der Seher hineingerissen in die neue Schöpfung. So nämlich, wie die erste Schöpfung durch Gottes Wort zunächst Himmel und Erde in Erscheinung treten ließ, so schaut jetzt Johannes auch den neuen Himmel und die neue Erde. Das erste aber, was der neue Himmel und die neue Erde zur Wirklichkeit werden lassen, ist das gänzliche Vergehen der alten Erde und des alten Himmel. Denn, der erste Himmel und die erste Erde vergingen und das Meer ist nicht mehr. Das läßt ein für alle Mal klar werden, daß die neue Erde nicht aus der alten Erde erwächst, oder gar unter menschlichem Mittun gleichsam aus ihr geschaffen wird, wie es die Irrlehrer aller Zeiten in schöner Beständigkeit und auch in unserer Zeit immer wieder behaupten. Die neue Erde und der neue Himmel kommen von Gott, den wir anbeten, und sie beginnen notwendiger Weise mit dem Vergehen des Alten.

Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet wie eine geschmückte Braut ihrem Mann.

Da begegnet uns wieder das schöne Bild der Hochzeit. Etwas, das getrennt war findet wieder zusammen, etwas, das zerstört war, wird wieder heil, etwas, das verloren schien, kehrt zurück. Jerusalem ist es, was Himmel und Erde verbindet. Jerusalem, die Stadt des Friedens ist es, die Gott vergegenwärtigt, Jerusalem ist es, wodurch alles, was getrennt war wieder zueinanderfindet.

Dann kommt zum Schauen das Hören hinzu. Der Mensch wird von dieser Botschaft ergriffen mit allen seinen Sinnen: Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!

Damit wird sofort klar, was eigentlich hier offenbart werden soll. Neu ist am Himmel und an der Erde, die die erste Erde und den ersten Himmel vergehen lassen, die vollständige Gegenwart Gottes.

Denn die Stimme tönt ja weiter und verkündet: Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott, wird mit ihnen sein;

Das ist nicht irgendein Wohnen, von dem hier die Rede ist, hier geht es darum, daß Gott ganz in die Mitte tritt und allen Dingen innewohnt, sie also ganz und gar erfüllt und durch seine Gegenwart vollendet. Ohne Gott ist nichts.

Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Gott offenbart sich Johannes als einer, der durch die große weinende Menge geht und alle Tränen trocknet. Gott erweist sich als der Tröster, der das Leid vergessen macht, der das Geschrei verstummen läßt, der auch den Schmerz stillt.

Die Begründung, die nun mit nur fünf Worten geliefert wird, wirkt lapidar: denn das Erste ist vergangen.

Diese Worte deuten etwas davon an, daß das Leben der Menschen in der ersten Schöpfung zwar auch Gottes Willen entsprungen, dann aber aus eigenem Willen in der Gottesferne, in der Verirrung und im Tod geendet ist. Dieses Erste ist vergangen.

Als würde dieser Zusammenhang nun noch weiter erläutert spricht Gott von seinem Thron: Siehe ich mache alles neu!

Diese Erneuerung betrifft nicht das eine oder andere Detail, es ist nicht so, als würde das Alte nur ein wenig mit Neuem ergänzt, sondern das Neue wird an die Stelle des Alten gesetzt, denn das Erste ist vergangen.

Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß!

Diese Aufforderung macht nur dann Sinn, wenn die Botschaft, als geschriebenes Wort, noch zu anderen Menschen und zu künftigen Generationen gelangen soll. Johannes erkennt spätestens hier, daß das Neue nicht schon auf ihn herabkommt, sondern daß er erst schaut, was sein wird. Aber das ist wahrhaftig und gewiß. Kein Zweifel ist möglich, was Johannes hier erfährt hat Gültigkeit bis zum Ende der Welt.

Nun bekommt diese Geschichte auch noch eine ganz persönliche Wendung. War Johannes bislang so etwas wie der zufällige Zeuge eines gewaltigen Geschehens, der wie ein einsamer Wanderer die Sturmflut von der hohen Klippe beobachtet, so wird er jetzt ganz am Ende angesprochen: Und er sprach zu mir.
Gott sprach zu Johannes. Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.

Gott offenbart sich als der, der alles umschließt, der die erste Schöpfung durch sein Wort aus dem Nichts rief, und der nun mit der neuen Schöpfung alles vollendet und damit so etwas vollbringt, wie selbst seine Bestimmung zu erfüllen, wenn man von Gott so überhaupt reden kann. Aber Gott kann doch nur A und O sein, wenn es auch Anfang und Ende gibt und wenn durch seine Macht am Ende alles neu wird. Gott gibt hier sein eigenes Wesen insofern preis, als das deutlich wird, daß er ganz mit seiner Schöpfung und mit den Menschen verbunden ist.

Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Hier wird ganz deutlich, worin das wirklich Neue des neuen Himmels und der neuen Erde besteht, den Durstigen wird von der Quelle des lebendigen Wassers gegeben, die Gott selbst ist. Gott gibt endgültig von sich. Er ist nicht nur gegenwärtig, er durchdringt alles.

Wer überwindet, der wird alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.

Das was in Christus in unserer Welt sichtbar geworden ist, das hat nicht nur etwas von Gottes Wesen gezeigt, sondern auch bereits verkündet, was aus dem Menschen werden soll. Der Mensch soll der erbende Sohn Gottes werden.

Da wird ein ganz bemerkenswerter und tiefsinniger Zusammenhang zwischen der ersten und der neuen Schöpfung sichtbar. Wir Menschen können in dieser Welt und in unserem Leben durchaus Orientierung finden, wenn wir im Vergänglichen nach dem Ewigen suchen. Wir dürfen in diesem Himmel und in unserer Erde Verheißungen des neuen Himmels und der neuen Erde sehen. Wir dürfen im geschundenen, friedlosen, in seiner Geschichte vielfach zerstörtem Jerusalem eine Botin des himmlischen Jerusalems erblicken und vielleicht dadurch schon ihre gegenwärtigen Schmerzen lindern. Wir können in allen Dingen nach dem suchen, was ewig ist. In unseren Kirchen dürfen wir eine Vorstellung davon gewinnen, was es heißt, daß Gott unter uns wohnt, und wir dürfen ihm glauben. Im Glauben tun wir nichts anderes als was Gott verlangt, wenn er sagt: Wer überwindet, der wird es alles ererben. Glauben ist eine Form des Überwindens, auch der Selbstüberwindung. Im Glauben überwinden wir diese Welt und erben die kommende. Darum muß auch dieser Mensch alles loslassen, ganz vergehen und im Glauben auferstehen.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Thomas Roloff

Donnerstag, 18. November 2010

Zu viel Nebel


Ich vermute einfach, daß es an dem trübsinnigen Wetter liegt, wenn ich mit meinen Beiträgen hier so hinterherhinke. Aber dergleichen könnte man auch zum Anlaß für schwermütige Gedichte nehmen, das wäre vermutlich kreativer als derartige Erklärungsversuche.

Wie man allerdings darauf reagieren soll, wenn man auf Trübsinniges und bösartig Verwirrtes in den Köpfen der Menschen dieses Landes stößt und dabei zugeben muß, das ist nicht die Ausnahme, ich weiß es wirklich nicht. Ich will die Geschichte allerdings nicht vorenthalten:

In der durch Kriegszerstörungen, Nachkriegsaufbau und Nachwendebau stark in Mitleidenschaft gezogenen Stadt Magdeburg hat sich eine private Initiative gebildet, die sich für den Wiederaufbau der abgerissenen gotischen Ulrichskirche einsetzt und auch die dafür erforderlichen 30 Millionen Euro aus privaten Mitteln bereitstellen will.

Dagegen läuft eine „Bürgerinitiative“ unter obskursten Begründungen oder eher Nicht-Begründungen Sturm, etwa daß sich die Stadt dies nicht leisten könne, was sie aber gar nicht soll, da der Aufbau völlig aus privaten Mittel bestritten würde. Der Vorsitzende des dortigen Architekten- und Ingenieurvereins Magdeburg, der für einige üble Nachwendescheußlichkeiten ganz in der Nähe des ehemaligen Standortes der Kirche mit verantwortlich ist, verstieg sich zu der Behauptung, die gotische Kirche passe schlicht nicht mehr in diese Stadt. Nun das mag vielleicht sogar stimmen, er hat jedenfalls kräftig dafür gesorgt, daß das Argument plausibel klingt.

Aber man lese den ganzen Irrsinn bei diesem Magdeburger Blogger nach, nebenbei erhält man noch eine bestürzende Innensicht auf die mentale Verfassung dieses Landes.

Dienstag, 16. November 2010

Über einen lebensfrohen Preußen


Marmorpalais Potsdam

Ich hätte schwören können, schon einmal etwas über unseren "dicken Lüderjahn", mit anderen Worten König Friedrich Wilhelm II. von Preußen geschrieben zu haben. Ich kann aber nichts dergleichen finden, vielleicht wieder einer dieser steckengebliebenen Entwürfe. Wie auch immer. Nur ein paar, inzwischen verspätete Bemerkungen, aber da er am 16. November 1797 in Potsdam starb, sollte ich ihn wohl nicht ganz übergehen. Es ist kurios, wie oft bei den Hohenzollern der Nachfolger das extreme Gegenteil seines Vorgängers ist. So auch Friedrich Wilhelm, der Neffe des kinderlosen Friedrich des Großen.

War letzerer bei aller zeitweiligen Beliebtheit äußerst distanziert, dazu sittenstreng und nicht gerade für Affären in der Damenwelt bekannt, so war der Neffe das exakte Gegenteil, was ihm den bekannten nachteiligen Ruf einbrachte. Sein Sohn, der spätere Friedrich Wilhelm III und Gatte unserer Königin Luise suchte sich davon wiederum abzuheben. Wie ich schon sagte, eine kuriose Auffälligkeit bei den Hohenzollern.

Friedrich II. mochte den Thronfolger am Ende nicht besonderes. Und leider muß man zugeben, daß er dafür ein paar gute Gründe hatte. Dessen Neigungen zu Mätressen und wechselhaften Liebschaften mag man dabei eher beiseite lassen. Aber sein Widerwille gegen die Staatsgeschäfte war so auffällig wie eine ausgeprägte Neigung zu Vergnügungen, und um eine Andeutung über die Urteilskraft zu machen, soll ein Zitat Friedrichs genügen, wonach sein Neffe „niemals lernte, Ordnung und Folge in seine Reden zu bringen und sich stets in einer Art ausdrückte, die etwas Unzusammenhängendes blieb, so daß ihm daher die am liebsten waren, die am leichtesten den Sinn seiner Worte verstanden“.

Wilhelmine Encke, seit 1794 Gräfin von Lichtenau
hier gefunden

Seine Mätressen, die bekannteste war Wihelmine Encke, die spätere Gräfin Lichtenau, übten wohl weniger politischen Einfluß auf ihn aus, als oft angenommen wurde. Dafür taten andere, oft obskure Gestalten dies um so mehr, wie etwa Wöllner und Bischoffwerder vom okkulten Orden der Rosenkreuzer.

Bei Regierungsantritt 1786 war Friedrich Wilhelm II. zunächst durchaus populär, vielleicht auch seiner leutseligen Art wegen. Das Regieren überließ er eher anderen, das mag mitunter eine weise Entscheidung sein, wenn jemand realistische Ansichten über seine eigenen Fähigkeiten hat und nach einem sucht, der das Erforderliche in Angriff nehmen könne. Eine Gestalt wie Christoph von Wöllner mag mit seinem unklaren Reformdrang auch den Eindruck erweckt haben, ein solcher Mann zu sein, aber er hatte eben nicht das Format eines Hardenberg. Ein recht treffender Artikel endet zu diesem mit dem Urteil: „das Regiment des unglücklichen Friedrich Wilhelm II. löste fast nur die schlimmen und verderblichen Eigenschaften seines seltsam gemischten Wesens aus. Seine Persönlichkeit und sein Wirken waren möglich und sind verständlich nur in der Zeit des wüsten Durcheinanders von Unglaube und Aberglaube, in der allgemeinen Zersetzung vor der großen Umwälzung“.

Friedrich Wilhelm II. hat vieles wohl mehr geahnt und unsicher gewollt als klar vorangetrieben, er war vermutlich kein oberflächlicher Mensch. Während Friedrich II. die Religion soweit interessierte, wie sie dem Staate diente, war seinem Nachfolger das Christentum eine ernste Angelegenheit, so sehr das überraschen mag. Und er spürte, daß die zu seiner Zeit in Mode gekommene rationalistische Schrumpfform desselben eher eine Gefahr als einen Fortschritt für den Glauben darstellte. Er erließ harte Verfügungen dagegen, um „in seinen Staaten ein rechtschaffenes thätiges Christenthum als den Weg zur wahren Gottesfurcht aufrecht zu erhalten“. Nur läßt sich Autorität in Glaubensfragen schwerlich durch königliche Verordnungen erreichen, zumal wenn man etwa gegen einen Kant zu bestehen hat.

Im Grunde bestand unter Friedrich Wilhelm der Staat Friedrichs des Großen mit überwiegend dem gleichen Personal einfach fort, mit anderen Worten, er verknöcherte und erstarrte, denn Menschen werden nun einmal älter und die Dinge ändern sich ständig, und gerade in dieser Zeit änderten sie sich mächtig. So stand am Ende seiner Regierungszeit zwar Preußen äußerlich sehr eindrucksvoll da, als Nutznießer der polnischen Teilungen hatte sich sein Staatsgebiet um über ein Drittel vergrößert, aber der Gefahr aus dem Westen würde man bald nicht viel entgegenzusetzen haben. Der Frieden von Basel vom 5. April 1795 gab nicht mehr als eine Galgenfrist. Also, was bleibt von ihm, nun, gar nicht so wenig:

Etwa das Brandenburger Tor in Berlin oder das Marmorpalais in Potsdam, es ließe sich noch einiges aufzählen. Friedrich Wilhelm II. war ein großer Förderer der Künste - der Architektur, der Bildhauerei, der Musik, des Theaters - und er hatte hier eine Sicherheit des Urteils, die anderswo leider ausblieb. Männer wie Erdmannsdorff, Langhans, Schadow oder Gilly sind von ihm in verantwortliche Positionen gebracht worden oder haben bedeutende Aufträge erhalten und sie haben gemeinsam etwas geschaffen, das man später den preußischen Klassizismus genannt hat. Vielleicht ist das letzte Wort über diesen lebensfrohen und kunstsinnigen Herrscher daher dann doch noch nicht wirklich gesprochen.

Johann Gottfried Schadow
Grabmal des Prinzen Alexander von der Mark
hier gefunden

Montag, 15. November 2010

"Altershausen" &

Wilhelm Raabe,
hier gefunden

Ich gebe zu, ich werde mit zunehmendem Alter immer unduldsamer gegen jegliche Redundanz um ihrer selbst willen. Jedes Spreizen, Aufplustern, Bramarbasieren, Schwadronieren macht mir physisch zu schaffen. Das geht soweit, daß mir sogar der gemächliche Erzählton des 19. Jahrhunderts fatal geworden ist. Meine Lektüre von Storm oder Fontane hat das bisher zwar nicht in Mitleidenschaft gezogen. Wilhelm Raabe allerdings, die dritte Berühmtheit aus dieser Epoche…

Ich hatte es heute noch einmal mit dem „Abu Telfan“ versucht, der sich zufällig in meiner Büchersammlung fand, so interessant sich das Thema anließ, die Durchführung, es ging irgendwie nicht. Jeder weiß, warum gerade heute Raabe genannt wird: Er ist schlicht gestorben, vor genau 100 Jahren, nicht daß ich mich mit einem Nachruf lächerlich machen wollte, aber immerhin, ich habe den einen oder anderen Artikel zu ihm gelesen und stieß auf zwei Sachen, die mein Mißvergnügen ins Wanken brachten - "Stopfkuchen" und "Altershausen".

Nicht daß er in seinem späten Roman "Stopfkuchen" geradedrauflos erzählen würde, es windet sich beträchtlich, aber offenkundig nicht ohne Hintersinn:

„Es liegt mir daran, gleich in den ersten Zeilen dieser Niederschrift zu beweisen oder darzutun, daß ich noch zu den Gebildeten mich zählen darf. Nämlich ich habe es in Südafrika zu einem Vermögen gebracht, und das bringen Leute ohne tote Sprachen, Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie eigentlich am leichtesten und besten zustande.“

Nun, es gelingt ihm von den ersten Worten seiner "See- und Mordgeschichte" an, den Leser bei Interesse zu halten, aber das war zu viel für einen Abend des erneut aufgeflackerten Interesses, also etwas Kürzeres vom Ende, von ganz am Ende – das Fragment "Altershausen", aber vorher doch wenigstens noch ein Zitat aus dem Ebengenannten:

"Ja, im Grunde läuft es doch auf ein und dasselbe hinaus, ob man unter der Hecke liegen bleibt und das Abenteuer an sich herankommen läßt, oder ob man sich ... hinausschicken läßt, um es draußen auf den Wassern und in den Wüsten aufzusuchen."

Und auch bei den Notizen von Obermedizinalrat Feyerabend, getätigt aus Anlaß seines 70. Geburtstags wollen wir mit dem Anfang beginnen:

„‘Überstanden!‘

Der das sagte, lag in seinem Bette, und nach dem Licht auf dem Fenstervorhang zu urteilen, mußte die Sonne eines neuen Tages bereits ziemlich hoch am Himmel stehen. Es war dem befreienden Seufzerwort ein längeres Zusammsuchen, erst der körperlichen Gliedmaßen, sodann der noch vorhandenen geistigen Fähigkeiten voraufgegangen. Beides nicht, ohne daß es, wie die Kinder sagen: wehe getan hatte.

Das Alter spricht oft der Kindheit ein Wort nach, weil es von Natur kein besseres weiß und, wenn es im Laufe der Jahre danach gesucht haben sollte, keins gefunden hat. Man braucht sich nicht immer an einer Tischecke gestoßen haben, es kann einem auch sein siebenzigster Geburtstag freundschaftlichst, ehrenvoll-feierlichst begangen worden sein.“

Dieser Beitrag muß für jetzt unbeendet bleiben, denn ich mag meine hastig verschlungene Lektüre nicht sofort wieder weitergeben, wer will, kann hier den Text finden, aber er ist dort unbequem zu lesen, wie auch immer, für heute gute Nacht.

Sonntag, 14. November 2010

Sonntag &

roughly translated

Wir waren heute etwas nostalgisch, und da meine Frau Mutter aus Preußen stammt, durfte sie mit geringfügiger Hilfe ihre „Königsberger Klopse“ kochen, die sie beharrlich „Danziger Klopse“ nennt. Nun Essen ist die letzte Freude des Alters habe ich irgendwo gehört, also...


Da ich selbst kein großer Anhänger derselben bin, hatte ich über Nacht ein paar Kotelett in eine Marinade aus Zwiebeln, Senf, Ketchup und Bier gelegt. War ganz nett, abgesehen davon, daß leider ein ganzes Bier dafür sinnlos vernichtet wurde.


Und wie wir sehen, hat eine Probe davon nicht jedem ganz konveniert.


Wir hatten einen erstaunlich milden Novembersonntag heute. Nicht daß die Sonne die Schweißperlen auf die Stirn trieb, aber trotzdem hellt es die Stimmung doch etwas auf. Sie hat mir dann noch erzählt, sie hätte letzte Nacht von der wahren Begebenheit geträumt, wie sie verwundeten und sterbenden Soldaten in der Festung Weichselmünde, in der sie Zuflucht gesucht hatten, als neunjähriges Kind „Da droben am Berge“ vorgesungen habe, sie hätte es wohl auch im Schlaf gesungen, jedenfalls sei sie davon aufgewacht.


We were a bit nostalgic today, and since my old mother is from Prussia originally, she was allowed to cook her beloved “Königsberger Klopse” with a little help, which she calls insistently "Danzig meatballs”. Well somewhere I’ve heard eating is the last joy, so be it so. Since I'm not a big fan of it, I put a couple of chops overnight in a marinade of onions, mustard, ketchup and beer. Comes out quite nicely, except that unfortunately a whole beer was wasted for it meaningless *sigh*. And as we see a small piece of it wasn’t pure joy for everybody. We had a surprisingly mild November Sunday today. Not that the sun increases heavy sweating, but still it lightens the mood a bit. She told me then, she was dreaming last night from the true story, when she as a nine year old child at wounded and dying soldiers in the fortress of Weichselmünde, in which they had sought refuge, sung "Away upon the mountain top", she would have probably sung this in her sleep, she told me, at least she had woken up from it.

Freitag, 12. November 2010

Dies & Das &



Ich hatte kurz erwogen, erneut etwas über Johann Friedrich Overbeck zu schreiben, er starb am 12. November 1869. Ich habe das schon gelegentlich getan. Aber dann wurde ich gewissermaßen mit der Nase darauf gestoßen, welch wunderbare Menschen ich in diesem Blogger-Geschäft bereits getroffen habe, und wie ich gerade die anregendsten unter ihnen oft so sträflich vernachlässigte. Ich, der ich früher oft Schwierigkeiten hatte, anderen näherzutreten, sollte mich heute ziemlich erlöst fühlen. Mindestens ärgerlich diese Selbsterkenntnisse.

Donnerstag, 11. November 2010

11. November


Alfred Lichtenstein

Abschied
(kurz vor der Abfahrt zum Kriegsschauplatz für Peter Scher)

Vorm Sterben mache ich noch mein Gedicht.
Still, Kameraden, stört mich nicht.

Wir ziehn zum Krieg. Der Tod ist unser Kitt.
O, heulte mir doch die Geliebte nit.

Was liegt an mir. Ich gehe gerne ein.
Die Mutter weint. Man muß aus Eisen sein.

Die Sonne fällt zum Horizont hinab.
Bald wirft man mich ins milde Massengrab.

Am Himmel brennt das brave Abendrot.
Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot.


„Der einzige Trost ist: traurig sein. Wenn die Traurigkeit in Verzweiflung ausartet, soll man grotesk werden. Man soll spaßeshalber weiter leben. Soll versuchen, in der Erkenntnis, daß das Dasein aus lauter brutalen, hundsgemeinen Scherzen besteht, Erhebung zu finden.“


Ein guter Bekannter schickte mir heute dieses Zitat von Alfred Lichtenstein, zusammen mit dem obenstehenden Gedicht und meinte, das sei doch recht angemessen für diesen Tag. In der Tat, und es ist schon skurril, das ausgerechnet dieser mein Namenstag ist. Am 11. November 1918 wurde zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich der Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnet. Damit endete ein Krieg, der für nichts geführt wurde, wenn man auf die Hauptbeteiligten blickt, der Europa tief zurück in die Barbarei trieb und dessen anschließende förmliche Beendigung in „Friedensverträgen“ den Anstoß für einen weiteren moralischen, materiellen und geistigen Niedergang lieferte, der ein paar Jahrzehnte später in eine noch tiefere Katastrophe mündete. Das war jetzt sehr hölzern gesagt, aber ich wollte nur kurz erklären, warum ich an diesem Datum nicht viel Erfreuliches finden kann, abgesehen davon, daß für eine gewisse Zeit das Kriegssterben aufhörte.

Als etwa 100 Jahre früher das napoleonische Frankreich einen wirklich verheerenden Krieg über Europa gebracht hatte, ließ man es nach seiner Niederlage dennoch intakt. Das änderte sich nun, der unterlegene Gegner wurde aufgeteilt, gedemütigt, mit Reparationen belegt, die de facto unerfüllbar waren… Warum mich das so aufwühlt. Als ich heute darauf sah, wie meine englischsprechenden Bekannten nette Beiträge über „Armistice Day“ schrieben, habe ich mir ziemlich auf die Lippen gebissen und am Ende spätnachts doch noch widersprochen, aber was bringt das.


Alfred Lichtenstein, hatte übrigens die richtige Ahnung, er wurde nur 26 Jahre alt und fiel schon 1914 in Frankreich. Ein anderes Gedicht von ihm:


Die Dämmerung

Ein dicker Junge spielt mit einem Teich.
Der Wind hat sich in einem Baum gefangen.
Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich,
Als wäre ihm die Schminke ausgegangen.

Auf lange Krücken schief herabgebückt
Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme.
Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt.
Ein Pferdchen stolpert über eine Dame.

An einem Fenster klebt ein fetter Mann.
Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen.
Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an.
Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen.

Mittwoch, 10. November 2010

Von dem Vater Luther


Ich schreibe meine Beiträge wieder einmal mehr rückwärts, nicht aus Nachlässigkeit, sondern eher aus zu langem Nachdenken, so daß wie beim Kochen am Ende schnell einiges anbrennt, wie auch immer. Unser guter Vater Luther wurde am 10. November 1483 geboren, und darum hier der Anfang seines Sermons „Von der Bereitung zum Sterben“:

„Erstens. Weil der Tod ein Abschied ist von dieser Welt und von allen ihren Geschäften, ist es nötig, daß der Mensch sein zeitliches Gut in Ordnung bringe, wie es sich gehört oder er es zu regeln gedenkt, damit nach seinem Tode kein Anlaß zu Zank, Hader oder sonst einem Zweifel unter seinen hinterbliebenen Verwandten zurückbleibt. Das ist ein leiblicher oder äußerlicher Abschied von dieser Welt; hier wird Hab und Gut entlassen und verabschiedet.

Zweitens soll man auch geistlich Abschied nehmen, das heißt man soll freundlich, rein nur um Gottes willen, allen Menschen vergeben, so sehr sie uns auch Leid zugefügt haben mögen. Umgekehrt soll man auch, rein um Gottes willen, von allen Menschen Vergebung begehren; denn zweifellos haben wir vielen von ihnen Leid zugefügt, zum mindesten mit bösen Beispiel oder mit zu wenig Wohltaten, wie wir nach dem Gebot brüderlicher, christlicher Liebe schuldig gewesen wären. Das sollen wir tun, damit die Seele nicht mit irgendwelchen Händeln auf Erden behaftet bleibe.

Drittens. Wenn man so jedermann auf Erden Abschied gegeben hat, dann soll man sich allein auf Gott richten. Denn dorthin wendet sich und führt uns auch der Weg des Sterbens. Und zwar fängt hier die enge Pforte an, der schmale Pfad zum Leben; darauf muß sich jeder fröhlich wagen. Denn er ist wohl sehr enge, aber er ist nicht lang; es geht hier zu, wie wenn ein Kind aus der kleinen Wohnung in seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten hineingeboren wird in diesen weiten Raum von Himmel und Erde, das heißt auf diese Welt: ebenso geht der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben, und obwohl der Himmel und die Welt, worin wir jetzt leben, für groß und weit angesehen wird, so ist es doch alles gegenüber dem zukünftigen Himmel viel engere und kleiner als es der Mutter Leib gegenüber diesem Himmel ist. Darum heißt der lieben Heiligen Sterben eine neue Geburt, und ihren Festtag nennt man auf Lateinisch „natale“, ihren Geburtstag. Aber der enge Gang des Todes bewirkt, daß uns dieses Leben weit und jenes eng vorkommt. Darum muß man es glauben und an der leiblichen Geburt eines Kindes es lernen. So sagt ja Christus: ‚Ein Weib, wenn es gebiert, so leidet es Angst; wenn sie aber genesen ist, so denkt sie nimmer an die Angst, weil ein Mensch von ihr in die Welt geboren ist.‘ Ebenso muß man sich auch beim Sterben der Angst entschlagen und wissen, daß nachher ein großer Raum und Freude da sein wird…“

Elftens. Ebenso darfst du die Sünde nicht ansehen in den Sündern und auch nicht in deinem Gewissen; auch nicht in denen, die endgültig in den Sünden geblieben und verdammt worden sind; sonst kommst du gewiß ins Hintertreffen und wirst überwunden. Vielmehr mußt du deine Gedanken davon abkehren und die Sünde nur noch im Bilde der Gnade ansehen; du mußt dieses Bild mit aller Kraft dir einprägen und vor Augen haben. Das Bild der Gnade ist nichts anderes als Christus am Kreuz, und alle seine lieben Heiligen. Wie ist das zu verstehen? Das ist Gnade und Barmherzigkeit, daß Christus am Kreuze deine Sünden von dir nimmt, sie für dich trägt und sie erwürgt. Und das fest glauben und vor Augen haben und nicht daran zweifeln: das heißt das Gnadenbild ansehen und sich einprägen. Ebenso tragen auch alle Heiligen in ihrem Leiden und Sterben deine Sünde auf sich und leiden und mühen sich für dich, wie geschrieben steht: „Einer trage des andern Last, so erfüllet ihr Christi Gebot.“ Ebenso spricht er selbst: „Kommet her zu mir alle, die ihr beladen seid und euch mühet, ich will euch helfen.“ Sieh, so kannst du deine Sünden ohne Gefahr außerhalb deines Gewissens ansehen; sieh, da sind Sünden nicht mehr Sünden; da sind sie überwunden und in Christus verschlungen. Das entspricht sich: er nimmt deinen Tod auf sich und erwürgt ihn, daß er dir nicht schaden kann, wenn anders du glaubst, daß er dir das tut, und deinen Tod in ihm, nicht an dir ansiehst; ebenso nimmt er auch deine Sünden auf sich und überwindet sie für dich aus lauter Gnade in seiner Gerechtigkeit. Wenn du das glaubst, so tun sie dir keinen Schaden mehr. So ist Christus, des Lebens und der Gnade Bild, unser Trost gegenüber dem Bild des Todes und der Sünde. Das sagt Paulus: „Gott sei Lob und Dank, daß er uns in Christus Überwindung der Sünde und des Todes gegeben hat.“

Montag, 8. November 2010

Über Zeiten



Vor kurzem fiel mir eher beiläufig auf, daß dieser Blog schon seit mehr als 3 Jahren besteht. Was sind 3 Jahre? Denn, nun wir bewegen uns hier in einem sehr schnellebigen Milieu, das wenig Sicherheit bereithält oder anders gesagt, wenig Raum, mit etwas vertraut zu werden. Aber ist das nicht wie im wirklichen Leben? Mir fiel nämlich zugleich dieser Beitrag vom Samstag, 21. Juni 2008 auf, mit dem nicht gar so flachen Titel "Idylle zu einem gewissen Zeitpunkt". In der Tat, und nur zu diesem. Sowohl der Rosentopf des ersten Bildes als auch der im Hintergrund des zweiten (des damaligen Beitrags) haben den letzten Winter nicht überlebt. Ein wirklicher Verlust...

So sind die Dinge, Schönheit ist etwas, das uns begleitet auf unserem Weg, vorübergehend, von dem wir hoffen, daß an seinem Ende etwas Dauerhaftes und Erfreuliches stehen wird und alles Bisherige eine Art Einübung, nun ja.

Ein Vorteil, einen Blog etwas länger geschrieben zu haben, besteht darin, man weiß, man hat schon einmal etwas darüber verfaßt, etwa über Palladio, der am 8. November 1508 geboren wurde. Und um andere Namen macht man dann regelmäßig einen Bogen, etwa den eines Schotten, den es einst nach Köln verschlug, vor etwas mehr als 700 Jahren, wo er auch starb, am 8. November 1308 - Johannes Duns Scotus.

wird fortgesetzt

Sonntag, 7. November 2010

Sonntag &

roughly translated

Nun ja, inzwischen ist die Jahreszeit zu weit fortgeschritten als daß man noch draußen essen könnte. Das erste Mal nach dem „Sommer“. Irgendwie hat das Essen im Freien doch immer eine gewisse Leichtigkeit, die viele Wahrnehmungen ins Freundliche zieht.


Ich bringe diese Bilder eigentlich mehr an, um meiner selbstausgedachten Chronistenpflicht zu genügen. Meine Frau Mutter hatte meine vormittägliche Absenz dafür genutzt, ein wenig mehr anzufangen, als abgesprochen war (damit es „pünktlich etwas zu essen gibt“), gut der Rollbraten vom Schwein war dann letztlich doch in Ordnung, nachdem dem reichlichen Salz noch ein paar andere Gewürze und Kräuter hinzugefügt wurden.

Ansonsten tröste ich mich damit, daß der gestrige Hefekuchen ziemlich gelungen war, abgesehen davon, daß ich zwischendurch die Sache völlig vergessen hatte und der Teig, nun ja, erstaunlich angewachsen war, leider habe ich vor Schreck versäumt, ein Bild davon zu machen (übrigens sind Apfelstücke vom Boskop unter der Streuseldecke).


Well, now the season has progressed too far so we could eat outside no longer. The first time after the "summer". Somehow eating outdoors has always a certain lightness that put a friendly flavour to many observations.

I present these pictures more to satisfy my self-devised chronicler duty. My mother had used my morning's absence for doing a wee bit more than we were talking about before (so we could "eat on time"), well the roast pork was finally bearable after to the abundant salt were added some other spices and herbs.

Otherwise, I console myself with the fact that yesterday's yeast streusel cake was fairly successful, apart from the fact that in between I forgot it completely and the dough well was grown so amazing, unfortunately I forgot (a bit with shock) to make a picture of it (by the way there are slices of Boskoop apple under the crumble plates).

Samstag, 6. November 2010

November





Diese Bilder mögen für sich sprechen, aber Prof. Aue hat eine wundervolle Bilderfolge zusammengestellt mit Gedichten bzw. deren Übersetzungen von Rilke, Emily Dickinson, W.B. Yeats, Hölderlin, Hoffmann von Fallersleben, Francis William Bourdillon, Matthias Claudius, Hermann Hesse, Trakl… Diese Übertragung eines Gedichts von Hoffmann von Fallersleben fand ich neben anderen so angenehm, daß ich sie mitteilen wollte:

Evening is descending

Evening is descending
over dale and hill,
peace its whispers sending
and the world grows still.

Just the brook keeps flowing
as it did before,
burbling, never slowing,
ever, ever more.

And no evening brings it
peace and quiet keep,
and no churchbell rings it
evening's song of sleep.

Thus, my heart, will rend you
feelings likewise stressed:
God alone can grant you
evening's real rest.



Abend wird es wieder

Abend wird es wieder,
Über Wald und Feld
Säuselt Frieden nieder
Und es ruht die Welt.

Nur der Bach ergießet
Sich am Felsen dort,
Und er braust und fließet
Immer, immer fort.

Und kein Abend bringet
Frieden ihm und Ruh,
Keine Glocke klinget
Ihm ein Rastlied zu.

So in deinem Streben
Bist, mein Herz, auch du:
Gott nur kann dir geben
Wahre Abendruh.