Das DaseinEin dunkler Feind erheiternder Getränke,
Ein Philosoph, trat neulich hin
Und sprach: Ihr Herren, wißt, ich bin.
Glaubt mir, ich bin. Ja, ja! Warum? Weil ich gedenke.
Ein Säufer kam und taumelt′ ihm entgegen,
Und schwur bei seinem Wirth und Wein:
Ich trink, o darum muß ich sein.
Glaubt mir, ich trink: ich bin. Wer kann mich widerlegen?
Nach den gedankenschweren Dichtern des Barock (zumindest waren sie das oft) begegnet uns heute Friedrich von Hagedorn, eher etwas leichtfüßig, nicht nur in seinen Dichtungen. Das ist das Kuriose an vielen Barockdichtern, die die verwegensten „Lust-Gedichte“ schrieben und dabei im tatsächlichen Leben erschreckend ehrbar lebten.
Hagedorn nun lebte in ganz wechselnden Verhältnissen, zwischen wohlhabend und Flucht vor den Gläubigern, geboren am 23. April 1708 als ältester Sohn des königlich dänischen „Staats- und Conferenzraths“ Hans Statius von Hagedorn, wuchs in einem Hamburg auf, das den Musen nicht unfreundlich war (Brokes), man mag seine Biographie
hier oder
hier genauer nachlesen, die Flucht vor den Gläubigern fand übrigens von Jena statt, wohin er sich 1726 zum Studium der Rechte begab.
Er hat sich um die Verbreitung der englischen Literatur in Deutschland verdient gemacht und daher war es wohl eine gerechte Fügung, daß er letztendlich bei einer englischen Handelsgesellschaft eine Stelle als „Secretär“ fand, die ihn materiell zufriedenstellte. Mit seiner Ehe hatte er sich wohl eher verspekuliert, vielleicht ein Grund, warum sein Lebenswandel, nun ja, nach Ausgleich suchte, sein Leben scheint keine größeren Aufregungen für ihn weiter bereitgehalten zu haben.
Er veröffentlicht einen „Versuch in poetischen Fabeln und Erzählungen“, der versucht, etwa einen Lafontaine nachzuahmen, das hat ihm eine gewisse bleibende Aufmerksamkeit beschert. Seine gesicherten Lebensumstände scheinen ihn dazu verführt zu haben, die Dichtung letztlich mehr als eine Sache zur Dekorierung der Lebensumstände anzusehen, ein Rokoko-Dichter halt, wie auch immer. Ich muß gestehen, seine Dichtung erscheint mit oft eher flach unterhaltsam, als in die Tiefe vordringend, aber manchmal scheint dort Überrachendes auf.
Nach dem leichten Einstieg also noch ein wenig Moralisches. Genauso hat er eine seine Gedichtsammlungen übrigens genannt: „Moralische Gedichte“ (1750). Er scheint es zeitlebens versucht zu haben, seinem Leben noch ein wenig philosophischen Sinn hinzuzufügen, es gibt bekanntere Autoren, die weniger Gründe vorbringen können, sich ihrer zu erinnern, dieser starb in Hamburg am 28. Oktober 1754.
Das Schäfchen und der DornstrauchEin Schäfchen kroch in dicke Hecken,
Dem rauhen Regen zu entgehn.
Hier konnt′ es freilich trocken stehn;
Allein die Wolle blieb ihm stecken.
Beglückt ist, den dies Schaf belehrt.
Bethörte Had′rer, laßt euch rathen.
Vertraut die Wolle nicht den scharfen Advocaten.
Oft ist, was ihr gewinnt, nicht halb der Kosten werth.
Der Bauer und die SchlangeEin Ackersmann fand eine Schlange,
Die fast erstarrt vor Kälte war.
Sein Arm entriß sie der Gefahr,
Und ihrem nahen Untergange.
Er nahm sie mit sich in sein Haus,
Und sucht′ ihr einen Winkel aus,
Wo noch ein Rest von Reisern glühte.
Doch als ihr Frost und Noth entwich,
Erholte, regt′, und hub sie sich,
Und lohnte dem mit Biß und Stich,
Den ihre Rettung so bemühte.
Betrogne Huld und Zärtlichkeit,
Die Frevlern blindlings Hilfe beut!
Hier folgt der Schade stets der Güte.
Der großmüthige Herr und seine SklavenAuf dem Aegäermeer wird einst ein Handelsmann
Von einem schnellen Sturm ergriffen.
Er wendet sich, so gut er kann,
Und darf nur langsam seitwärts schiffen.
Allein es mehret sich die Noth,
Er und die meisten Sklaven klagen;
Die alten hoffen auf den Tod,
Die jungen melden sich, die Rettung noch zu wagen;
Nur halten sie dafür um ihre Freiheit an,
Doch die wird allen abgeschlagen.
Bald aber reißt der Sturm Mast, Stamm und Segel nieder.
Da ruft er: Freunde, fasset Muth!
Wir sinken; doch ich bin euch gut;
Ich geb′ euch jetzt die Freiheit wieder.
Wie kriechend äußert sich gemeiner Seelen Güte!
Wer karg ist, bleibt′s bis in den Tod,
In jedem Stand, im Glück, in Noth,
Und nichts erhöhet sein Gemüthe.