Helmuth von Moltke (siehe auch hier), seit 1857 Chef des preußischen Generalstabs und offenkundig ein Mann von hoher militärischer Begabung, ist jemand, der weniger nach der Kälte seines Charakters als vor allem nach seinem Wirken beurteilt zu werden verdient. Wem also die Einigung Deutschlands durch Preußen vor mehr als 100 Jahren, und wie sonst hätte das geschehen sollen, keine Herzensangelegenheit ist, der mag darüber räsonieren, warum dies durch Kriege geschah. Und auch hier, man kann sich die Welt natürlich netter malen als sie realistischerweise zum jeweiligen Zeitpunkt ist, aber dann wird man auch nur ein Gewaltiger im Phantasiereich bleiben.
Ich gebe zu, daß der Feldherr jemand ist, den ich eher achte als mag, auch wenn er ein geborener Mecklenburger ist. Aber selbst ein Bismarck, der zu ihm des öfteren in Widerspruch stand, rang sich zu nachfolgender Würdigung durch:
„Das war ein ganz seltener Mensch, ein Mann der systematischen Pflichterfüllung, eine eigenartige Natur, immer fertig und unbedingt zuverlässig, dabei kühl bis ans Herz hinan.“ – „Moltke war sein ganzes Leben lang in jeder Beziehung ein sehr mäßiger Mann, während ich mein Licht immer an beiden Enden gebrannt habe, besonders in meinen jüngeren Tagen.“
Warum diese Würdigung erstaunlich ist? Nun die beiden standen in einer gewissen Konkurrenzsituation, wo die Eigenheiten der Charaktere und das Gebot der Sache häufiger eine gewisse Konflikt-Melange herbeiführten:
"Ich glaube, daß es gut sein würde, mein Verhältnis zum Bundeskanzler definiv festzustellen. Bisher habe ich dasselbe dahin aufgefaßt, daß der Chef des Generalstabes (besonders im Kriege) und der Bundeskanzler zwei gleichberechtigte und von einander unabhängige Behörden unter E.K. Maj. directem Befehl sind, welche sich gegenseitig in Kenntnis zu halten haben."
Denkschrift vom 29. Januar 1871 an Wilhelm I.
„Denn", Clausewitz zitierend: "für den Gang des Krieges sind vorwiegend militärische Rücksichten maßgebend, politische nur, insofern sie nicht etwas militärisch Unzuverlässiges beanspruchen. Keinesfalls darf der Führer sich bei seinen Operationen nur von politischen Eingebungen leiten lassen; er hat vielmehr den militärischen Erfolg im Auge zu behalten. Was die Politik mit seinen Siegen oder Niederlagen anfangen kann, ist nicht seine Sache, deren Ausnutzung ist vielmehr allein Sache der Politik. Wo wie bei uns das Staatsoberhaupt selbst mit uns ins Feld zieht, finden die politischen und militärischen Forderungen in seiner Person ihren Ausgleich."
Daß er den Primat des Politischen immer anerkannt hätte, nun, wenn, dann nur sehr schwankend, und es gibt einiges an Bemerkungen über die Natur des Krieges, das uns heute eher abstoßen dürfte, aber wie auch immer.
Ich bin zum militärischen Experten denkbar ungeeignet, darum, um nun wenigstens anzudeuten, was ihn in dem auszeichnete, was man wohl früher „Kriegskunst“ nannte. Ich müßte sowieso Anleihen nehmen. Also machen wir es kurz: Neben seiner enormen strategischen Begabung benutzte er die Möglichkeiten der beginnenden Industrialisierung (Eisenbahn) souverän. Situatives Denken - "Kein Plan überlebt die erste Feindberührung." Darum gab er auch den einzelnen operierenden Einheiten im Gefecht Verantwortung und somit eine gewisse Freiheit. Was aber nicht Planlosigkeit bedeutete oder daß man aus den bekannten Fakten keine möglichen Szenarien ableiteten müsse, also genaue Analyse des möglichen Gegners. Abkehr von überkommenen Gewohnheiten der Kriegsführung - "Getrennt marschieren, vereint schlagen". Mäßigung und Vorsicht - „Erst wägen, dann wagen“.
Dazu eine große Beherrschtheit im Charakter.
Mahalia Jackson, Bless This House
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Warum war das militärische so wichtig? Es war eine Frage der Selbstbehauptung, eine Einigung Deutschlands war nur gegen die Nachbarn möglich. Die Franzosen etwa sind, ob unter Ludwig XIV. oder Napoleon I., der III. hat es jedenfalls versucht, gern einmal in Deutschland eingefallen - Stichworte Straßburg, Heidelberg, das Ende des Hl. Römischen Reiches…
Die Briten belauerten argwöhnisch den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands und dessen zunehmendes Agieren auf der Weltbühne (das war schließlich ihr Revier), und überhaupt waren die größeren Staaten im 19. Jahrhundert mehr und mehr zu Raubtieren degeneriert (also viel innerlicher Verfall hinter einer dekorativ aufrechterhaltenen Fassade). Wer sich behaupten wollte, konnte das nur militärisch, jedem fallen da bestimmt ein paar entsprechende Zitate des Fürsten Bismark ein, aber um den geht es gerade nicht. Man brauchte also die Armee, um sich seiner immer mißgünstiger werdenden Nachbarn zu erwehren. Man hätte nur den Einsatz so lange als irgend möglich abwehren müssen, im Grunde hochgerüstet abwarten, weil die Zeit für einen war. Daß man seine neue Stärke ein wenig zu offen zur Schau stellte, nun gut, da zeigten die Deutschen etwas zuviel spätpubertäres Imponiergehabe, aber Frankreich und England waren de facto kaum weniger "militaristisch", das ist so ein von interessierter Seite lancierter Kampfquark, der schon recht angeschimmelt ist.
Mahalia Jackson, Amazing Grace
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In seiner letzten Reichstagsrede nicht lange vor seinem Tod sagte er (am 14. Mai 1890): "Meine Herren, wenn der Krieg, der jetzt schon mehr als zehn Jahre lang wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern schwebt, - wenn dieser Krieg zum Ausbruch kommt, so ist seine Dauer und ist sein Ende nicht abzusehen. Es sind die größten Mächte Europas, welche, gerüstet wie nie zuvor, gegen einander in den Kampf treten; keine derselben kann in einem oder in zwei Feldzügen so vollständig niedergeworfen werden, daß sie sich für überwunden erklärte, daß sie auf harte Bedingungen hin Frieden schließen müßte, daß sie sich nicht wieder aufrichten sollte, wenn auch erst nach Jahresfrist, um den Kampf zu erneuern. Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden, – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!“.
Er hatte eine sehr genaue Vorstellung von dem, worum es ging, nämlich den „Bestand des Reiches, vielleicht die Fortdauer der gesellschaftlichen Ordnung und der Zivilisation, jedenfalls um Hunderttausende von Menschenleben“. Es wurden dann Millionen und das Reich ging auch zugrunde. Man kann auch weniger kühl von ihm reden, wie nachfolgend zu sehen.
Aber zuvor noch eine Erklärung: Ich stand vor der Frage, etwas über Mahalia Jackson, diese authentische Stimme Gottes, zu schreiben, oder diesen Herrn (sie wurde am 26. Oktober 1911 geboren). Aus gewissen Gründen kam es nun so, aber sie soll wenigstens eine Art Kommentar abgeben.
Mahalia Jackson, Trouble of the World
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„Ja, es war ein wunderbares Leben, das langsam zu Ende ging. Manchmal zeigte sich der Feldherr noch im Opernhaus in Berlin. Das Publikum grüßte, Moltke grüßte aus der großen Mittelloge zurück, ohne zu lächeln, und nahm Platz, einsam, das scharfe Feldherrngesicht wie eine Maske starr. So lauschte er der Musik. So lauschte er in das eigene vergangene Leben zurück, dem zukünftigen entgegen.
Es war der 24. April 1891. Friedrich August Dreßler, ein Freund des Hauses, saß vor dem Flügel, Helmuth Moltke, der Hauptmann, hielt das Cello zwischen den Knien. Sie spielten die Cellosonate von Chopin. Dann setzt man sich zum Whist. Einmal atmete der Feldherr schwer, als ränge er nach Luft. Aber es ging vorüber. Das Spiel wurde unterbrochen, man begab sich zum Flügel zurück, Dreßler musizierte. Der Feldherr folgte. Er nahm auf einem Armsessel Platz. Mit großen, seltsam leuchtenden Augen hörte er zu. Dann erhob er sich und verließ das Zimmer.
Da blies der sanfte Tod den Feldherrn an. Er strich über die Augen hin, in denen die Schlachten gestanden hatten, und die Augen schlossen sich. Der Feldherr seufzte noch einmal tief, als die Last von ihm abfiel, und war gestorben, wie er gelebt hatte: still, einsam, ohne Aufheben zu machen und voller Bescheidenheit.
Zur gleichen Stunde verließen zwei Kavallerieoffiziere, Prinz Max Hohenlohe und Graf Harald Gröben, das Gebäude am Königsplatz. Sie waren zum Generalstab kommandiert und hatten lange gearbeitet. Jetzt wollten sie mit gutem Appetit zu Abend essen und eine Flasche Wein trinken.
Als sie das Portal verlassen hatten und um das Gebäude herum bogen, kam ihnen der Generalfeldmarschall entgegen. Die Offiziere nahmen Haltung an, wie es sich gehörte, und grüßten. Auch der Posten präsentierte das Gewehr. Der Schweigsame grüßte nicht und ging mit seinen ruhenden Schritten an ihnen vorüber.
Seltsam, sagten die Offiziere leise. Der Generalfeldmarschall hatte weder Mütze noch Degen getragen, barhaupt war er vorübergeschritten mit erhobener Stirn. Und da ihre Blicke ihn suchten, fanden sie ihn nicht mehr.
Es drang aber Stimmengewirr und Unruhe aus dem roten Generalstabshaus, und die Kunde verbreitete sich, daß der Generalfeldmarschall zur gleichen Minute gestorben sei.
Dieses ist verbürgt und keine Legende. Es ist auch nicht Aberglaube im Spiel oder Lust an Gespenstern. Ein letztes Mal im Dasein des Feldherrn geschah das Natürliche, nur von der größeren Warte des Jenseitigen gesehen. So stark war die Kraft dieses Geistes, daß er das Werk noch in der Stunde des Todes nicht losließ und es verklärend umwanderte.“
2 Kommentare:
I must admit, I find posts of this length somewhat daunting, so I haven't read every word, but I found the story of Moltke's death and appearance quite amazing.
I always liked Mahalia Jackson, both for her faith and for her wonderful voice. I hadn't remembered how slowly she sang. (Over two minutes for one stanza of "Amazing Grace" in the last video! That's too slow.)
So I thought I'd share a couple where she is at a more nearly normal tempo.
"Power in the Blood" http://www.youtube.com/watch?v=QaNUzh1dVPw&feature=related
For a contrast, here's another version. I think this was a television show. http://www.youtube.com/watch?v=-vjNJkIPLOw&feature=related
And here's "Just a Closer Walk" at a fairly normal tempo and with normal interpolations.http://www.youtube.com/watch?v=663v0tYkEgo&feature=related
Anyway, I think she was wonderful.
It was a kind of a challenge and I’m sorry I made so much fuss with this post. Thanks for the Mahalia Jackson etc. recommendations, I followed them all, number 2 was a wee bit strange for my eyes by the way. Anyway, it was all interesting, thank you. Indeed my last piece from her was a bit special, but interesting nevertheless in a much different way. Btw I’m just translating Th. Roloff’s sermon from last Monday. *sigh
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