Dienstag, 25. Oktober 2011

Dies & Das & Glaßbrenner


Ich hätte schwören können Adolph Glaßbrenner, schon erwähnt zu haben, ist wohl einmal mehr im Entwurf steckengeblieben. Manche sagen, er habe den Berliner Witz erfunden, jedenfalls hat er ihn sehr unterhaltsam aufgeschrieben. Dabei lebte er sogar für fast 10 Jahre hier in der Nähe. Er ist aber in Berlin geboren worden und gestorben ist er da auch (27. März 1810 / 25. September 1876). Seine schriftstellerische Tätigkeit hat ihn politischen Anfeindungen ausgesetzt (1848!), aber auch moralisch hatte er einen umstrittenen Ruf, so daß seine Frau, die Wiener Schauspieler Adele Peroni, nach Neustrelitz in die Provinz wechseln mußte, es gab da ein Theater, schließlich war es die Residenz unseres kleinen Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz. Aber selbst dort war er am Ende nicht mehr wohlgelitten.

Es ist tatsächlich ein großes Vergnügen ihn zu lesen, ungeachtet dessen, daß man mutmaßlich auf der anderen Seite der Barrikade gestanden hätte. Und mehr soll das hier auch nicht sein, eine Einladung ihn zu lesen. Die Stücke sind nicht so, daß man eines in Gänze bringen könnte, also gebe ich mal 3 Empfehlungen. Die erste wäre eine launige Beschreibung des Gendarmenmarktes in Berlin mit einer hübschen Schlußpointe. Dazu nur dieser Link. Das ist in hochdeutsch. Zum Kringeln komisch sind aber die Sachen in Berliner Mundart, ich konnte mich hineinfinden, aber mag sein, daß mancher damit Schwierigkeiten hat. Man erkennt übrigens dabei, wieviel sich daran in den letzten 150 Jahren doch verändert hat, wie auch immer.

Zwei Texte habe ich da etwas geplündert, nur um einen Eindruck zu geben. Zunächst „Herr Buffey in der italienischen Oper“, in Gänze hier. Und dann ein längeres Stück über einen Verriß Goethes, in seiner Wurstigkeit zum Niederknien (das findet man dann hier). Kurz zu den Bildern, da es gerade so kühl ist, etwas wärmer Anmutendes, und ganz am Ende hat ein lädiertes Insekt diesen Blog mitgelesen.


Herr Buffey: „Thiere wie ich? Halt dein Maul, dummer Junge! Ob die Thiere niesen können oder nich, des is mir janz einjal: Du jloobst woll, dummer Junge, ick werde so'n Kameel wie so'n deutscher Jelehrter sind, un zwee Bände über janz wat Jleichgiltijes schreiben…
Nu sehn Se, Herr Jermer, was nützt mir nu alle meine Erziehung? Wenn die Natur ein Kind dumm jemacht hat, un man is Vater von des Kind, so is man in die unangenehmste Lage!“


Wilhelm: „Vater, die andern Sachen fangen doch immer schon um Sechse an, worum denn die italjenische so späte?“
Herr Buffey: „Die italjen'sche Oper fängt halb Sieben an, weil man besoffen sein muß, um Des zu joutire


Herr Rentier Buffey über Göthes „Torquato Tasso“

„… Sie entschuldjen, Herr Flitter, deß ich an Ihnen schreibe, des heeßt, einen Brief, nennt man des? Sie fragen natürlich Wie so?, weil wir in eine Stadt wohnen, in Berlin, aber ich sehe Ihnen villeicht in de erste Zeit nich, un mir is es mit Tarkwato Tasson in meinen Kopp noch nich janz richtig, un da Hulda mit ihre verheirathe Freundinnn nach Hamburg jereist is, so wende ich mir an Ihnen, ob mein Urtheil richtig is…

Jethe hat mich nämlich nie jefallen können, weil er Allens so von sonne kalte Seite anfaßt, so mit Jlacee-Handschen, nich aus't Herz raus. Er besitzt Vernunft, des is wahr, aber er is mir zu vornehm und zu stille, er hat keenen Schwunk, Fantarsie heeßt des. Un denn fehlt et ihm ooch an Riehrung un an Wahrheit, denn wenn er mal Mensch sind will, denn hängt er sich jedes Mal noch drei Mäntel um, damit er sich nich erkältet. Ich habe nämlich darüber jelesen un habe mich ooch immer gedacht: ein Dichter muß en janz andrer Mensch sind, also so wie jeder andre Mensch is, denn sonst is er keen Dichter, natürlich, sondern macht am Ende blos des in so'ne duse, jlatte Verse, was jeder Hans Narre bei Dieses oder Jenes fühlt. Dichter, hab' ich mir immer jedacht, des is so: man hat en jroßes Herz un en jroßen Jeist, so deß man sich über die Natur fortschwingen un wieder Jott vor sich alleene sind kann? Wie? Oder wie soll ick mir ausdrücken? Man hat die janze Welt in de Tasche un fliegt damit nach de Sonne ruf. Na nu, wat geschieht mir? Nuh jeh' ick den Mittwoch nach Tarkwato Tasson, dem ich noch nich persönlich jekannt habe, uf'n zweeten Rang mit Willemmen, un wollte mir so recht delektiren. Denn Sie wissen, Herr Flitter, ich schmeichle mir mit meine Meinung, mit Urtheil, nennt man des, über Kunst. So seh' ich des Stück! Tarkwato kommt vor un dhut nischt; die Andern kommen ooch vor, und dhuen ooch nischt, un wie Jott den Schaden besieht: is des Stück mit een Mal aus! … Nu erklären Sie mir des, wo da die Poesie sitzt??
…Ne, uf solche Frauenzimmer-Witze eine janze Trajedie bauen, …. uf so'ne Dummheiten laaße ich mir nich in. Scheckspier hätte es nich jedhan, dazu war er zu jesund. Wenn ick Jöthe jewesen wäre, ick würde mir schämen, so kleenlich un erbärmlich zu denken, un so'n pimpliches Zeug zu schreiben, nennt man des!

Nu, bitte, Herr Flitter, sagen Sie mir Ihr Urtheil darüber, damit ich sehe, wie des mit meins übereinstimmt, schriftlich, pro Stadtpost, nich frankirt. Ich bezahle den Jroschen, ich kann des!“

nachgetragen am 26. Oktober

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