Samstag, 15. Oktober 2011

morgens




Ich bin gerade dabei, einigen verlorengegangenen oder sagen wir eher, verblaßten Spuren nachzugehen. Das gelingt selten, aber wie auch immer. Zwischendurch wollte ich wenigstens ein paar Bilder vom heutigen Morgen anbringen, der ganz außergewöhnlich in seiner Klarheit war, auch wenn man das den Bildern nicht eben ansieht. Wir nehmen Spuren auf und verlieren sie wieder, wir wecken fremde Erwartungen, denen wir nicht gerecht werden und sind versponnen in unsere eigenen, pflegen desungeachtet mit Hingabe unsere Enttäuschungen, kurios das alles.

Wenn alles gut geht, bin ich am Montag einmal wieder in Potsdam, aus einem Grund, der mir sehr angenehm ist. Und um uns gar nicht so weit von dem angeschlagenen Ton zu entfernen – Herr Prof. Aue hat das nachfolgende Gedicht von Trakl übersetzt (auch in Gedanken an die armen englischsprechenden Seelen, die sich mitunter hierher verirren):

Georg Trakl

At the Hill

Silently fades on the fringe of the forest
a darkening deer,
comes to rest at the hill the wind of the evening,

soon subsides the plaint of the blackbird
and the flutes of the autumn
quiet down in the reeds.

With silver thorns
hits us the Frost,
us, the dying, bent over graveyards.

High up dissolves the blue of the clouds:
Out of their somber decay
stride the shining Seraphs of God.

Translation: Walter A. Aue

Georg Trakl

Am Hügel

Still vergeht am Saum des Waldes
Ein dunkles Wild
Am Hügel endet leise der Abendwind,

Balde verstummt die Klage der Amsel
Und die Flöten des Herbstes
Schweigen im Rohr.

Mit silbernen Dornen
Schlägt uns der Frost,
Sterbende wir über Gräber geneigt.

Oben löst sich blaues Gewölk;
Aus schwarzem Verfall
Treten Gottes strahlende Engel.


2 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Beim Anblick von Trakls Geist, der Banquo gleich um Rache schreit, den "armen englischsprechenden Seelen" gewidmet:

When one is suddenly confronted by the specter of old deeds, in the cold light of a different environment, only then does one realize what one has perpetrated. I read the Trakl and it was poignant and touching as ever. I read my translation and, well, much of Trakl's poetic beauty had vanished. Left were stammer and stutter — still magnificent, of course, but because of Trakl, not because of me. For that my apology to the "poor anglophone souls"; may they not blame Trakl for my sins.

All that I, the sinner, can do is to cite Luke 7:47 (paraphrased):

"Wherefore I say unto thee, His sins, which are many, are forgiven; for he loveth poetry much: but to him, who loveth poetry little, little is forgiven."

MartininBroda hat gesagt…

Nun, Sie haben eigentlich schon alles gesagt. Ich wollte ursprünglich noch etwas Geistreiches hinzufügen, aber der Geist verweigert sich gerade. Außerdem kann ich bei der Dürftigkeit meines Englisch die Qualität ihrer Übersetzung gar nicht gerecht beurteilen. Aber die Paraphrase am Ende, die werde ich, wenn Sie erlauben, gelegentlich einmal zitieren, denn erstens ist es sehr wahr, was Sie da sagen, und zum Zweiten läßt es sich für ganz unterschiedliche Bestrebungen im Zusammenhang mit der poetischen Materie verwenden.